In der Luxusbranche findet ein Paradigmenwechsel statt. Die kaufkräftigen Millennials wollen ein Luxusprodukt nicht länger nur besitzen, sondern «Erlebnisse» damit verbinden, schreibt Swetha Ramachandran in ihrem Beitrag auf finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


Der Luxussektor erfährt derzeit einen tiefgreifenden Wandel. Statt lediglich Produkte einer Luxusmarke zu besitzen, erwartet die Millennials-Generation zunehmend eine Kombination von Marke und einhergehendem Konsumerlebnis. Dieser Trend ist Folge der digitalen Revolution im Einzelhandel und dürfte anhalten, wodurch traditionelle Luxusgüter langfristig unter Druck geraten.

Hersteller von Luxusgütern gelten grundsätzlich als produktorientierte Unternehmen, die auf hohe Preisniveaus angewiesen sind und ihre Preisdurchsetzungs-Macht durch gezielte Marketingmassnahmen stärken. Dies erhöht die Markteintrittsbarrieren, die den Markeninhabern Schutz vor Konkurrenz bieten. Im Kern halten wir diese Vorgehensweise unverändert für richtig, wie die anhaltende Outperformance weltweit führender Marken wie Louis Vuitton (LVMH), Gucci und Cartier zeigt, die in ihren jeweiligen Kategorien hohe und weiterwachsende Margen erzielen.

«Der reine Besitz solcher Luxusprodukte hat enorm an Prestige verloren»

Wir leben jedoch in einer Zeit, in der klassische Luxusgüter über mobile Apps praktisch überall und für jeden verfügbar sind. Da sich Kleidung und Accessoires dank neuer Geschäftsmodelle zunehmend leichter leihen und wieder verkaufen lassen, hat der reine Besitz solcher Produkte etwas an Prestige verloren.

Dies hat dazu geführt, dass Konsumenten unterschiedlicher Einkommensklassen ihre Ausgaben zunehmend vom Erwerb von Luxusgütern auf ein breites Spektrum einzigartiger «Erlebnisse» verlagern. Statussymbole wie Reisen, edle Weine und Spirituosen und der Besuch erstklassiger Restaurants verzeichneten daher in den vergangenen zehn Jahren ein stärkeres Wachstum, als der Erwerb persönlicher Luxusgüter.

Wir erwarten eine Fortsetzung dieses Trends, da die mit digitalen Medien aufgewachsenen Konsumenten aus den Reihen der Millennials und der Generation Z zunehmend eigene Markenbeziehungen aufbauen. Dies geschieht unabhängig vom traditionellen analogen Marketing durch den direkten Kontakt über soziale Medien, Influencer oder exklusive Marken-Events.

«Konsumenten, die eine Gemeinschaft bilden, zählen zu den treuesten Kunden»

Diese Konsumenten, die eine Gemeinschaft bilden, zählen zu den treuesten Kunden. Wie verschiedene Marketing-Studien gezeigt haben, steigt die Wahrscheinlichkeit um das Zehnfache, dass Konsumenten, die personalisierte Erlebnisse schätzen, zu den wertvollsten Kunden einer Marke werden. In gewisser Weise entwickeln sie sich zu inoffiziellen Markenbotschaftern, indem sie ihre «Luxuserlebnisse» in sozialen Netzwerken präsentieren.

Dadurch bilden sie die begehrteste Konsumentengruppe für gesundheits- und wellnessorientierte Firmen wie das Sportbekleidungs-Unternehmen Lululemon, Fitbit oder den Botox-Hersteller Allergan. Gleiches gilt für die Branchen Luxusreisen und -reiseartikel (etwa Vail Resorts, Samsonite), Kunst/Kunsthandwerk (etwa die E-Commerce-Website Etsy oder das Auktionshaus Sotheby’s), edle Weine und Spirituosen (Moët Hennessy, Remy Cointreau) sowie High-End-Elektronik (Sonos, Apple).

«Der französische Konzern LVMH ist in dieser Hinsicht besonders zukunftsorientiert»

Dieser Ansatz, eine Marke auf Erlebnissen aufzubauen, erhielt vor einigen Jahren frischen Auftrieb, als Premium-Sportmodemarken wie Lululemon und Sweaty Betty damit begannen, Yoga- und Sportkurse in ihren Geschäften anzubieten. Mit dem Zusatznutzen aus derartigen individuellen Erlebnissen lässt sich die Kundenloyalität gezielt aufbauen.

Diageo hat vor Kurzem erläutert, wie sein «erlebnisorientierter Flagship-Store» – das Johnnie Walker House in Madrid – dazu beigetragen hat, schottischen Whisky jüngeren Konsumenten näherzubringen. Auch Bestandskunden sind von dieser Idee begeistert, die es ihnen ermöglicht, unmittelbar mit der Marke in Kontakt zu treten. LVMH ist in dieser Hinsicht besonders zukunftsorientiert. Mit der Übernahme des Luxushotelbetreibers Belmond hat der Konzern seine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass sich erlebnisorientierter Luxuskonsum zukünftig zu einer wichtigen Kategorie entwickeln wird.

«Einen Eindruck davon vermittelten kürzlich die Schlangen vor den Selfridges-Kaufhäusern»

Die Zusammenarbeit mit Designern bei der Gestaltung von limitierten Auflagen kann sich als ein äusserst effektives Mittel erweisen, um Kunden für ein Produkt zu begeistern. Der Kauf dieser Kleinserien bietet den Konsumenten ein exklusives Erlebnis – einen Eindruck davon vermittelten kürzlich die Schlangen vor den Selfridges-Kaufhäusern bei der Einführung der Travis Scott Air Jordans Sportschuhe von Nike.

Insbesondere die traditionellen Einzelhändler, die ihr Geschäftsmodell angesichts des digitalen Wandels grundlegend erneuern wollen, konzentrieren sich auf den Trend zu Luxuserlebnissen. Beispielsweise hat Harrods mit seinem «Salon de Parfums» einen Service für persönlich kreierte Parfüms ins Leben gerufen, der ein Jahr nach der Markteinführung bereits einen Anteil von 25 Prozent am Geschäft mit Duftstoffen erobert hat.

Das Unternehmen entwirft unter anderem massgeschneiderte Aromen für Hochzeiten und bietet den Kunden dadurch eine besondere Erinnerung, die sich nach Einschätzung von Michael Ward, Managing Director von Harrods, viele Menschen schaffen wollen.

«Durch den globalen Wandel im Konsumverhalten geraten auch Luxusanbieter zunehmend unter Druck»

Der australische Winzer Penfolds, der zur Treasury Wine Estates Gruppe gehört, hat dagegen ein florierendes Geschäftsmodell für chinesische Touristen entwickelt, die sein denkmalgeschütztes Weingut besuchen. Sein Angebot an Weinverkostungen und -seminaren entwickelte sich so erfolgreich, dass Penfolds inzwischen auch Führungen auf Mandarin anbietet.

Durch den globalen Wandel im Konsumverhalten geraten auch Luxusanbieter zunehmend unter Druck, ihre Geschäftsmodelle anzupassen. Luxuserlebnisse bieten ihnen dabei die Möglichkeit, näher bei ihren Kunden zu sein und so am Puls der Zeit zu bleiben.


Swetha Ramachandran ist Investmentmanagerin im European Equity Team von GAM. Sie verfügt über mehr als 17 Jahre Investmenterfahrung in den asiatischen und europäischen Märkten sowie in Konsumgütern. Bevor sie zu GAM stiess, war sie Vice President im Bereich Growth Equities Asset Management bei Alliance Bernstein in London und davor Analyst bei der Credit Suisse in London und Vigeo (ESG Ratings Agency) in Paris. Sie begann ihre Karriere als asiatische Aktienanalystin bei Goldman Sachs in Singapur. Sie hat einen Magister in französischer Literatur von der Université Paris – Sorbonne, Paris, und einen BSc (Hons) in Wirtschaft von der London School of Economics and Political Science, London. Sie arbeitet in London.


Bisherige Texte von: Rudi BogniOliver BergerRolf BanzWerner VogtWalter WittmannAlfred Mettler, Robert HolzachCraig MurrayDavid ZollingerArthur BolligerBeat KappelerChris RoweStefan GerlachMarc Lussy, Nuno FernandesRichard EggerDieter RuloffMarco BargelSteve HankeUrs Schoettli, Maurice PedergnanaStefan Kreuzkamp, Oliver BussmannMichael BenzAlbert Steck, Martin DahindenThomas FedierAlfred MettlerBrigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Thorsten PolleitKim IskyanStephen DoverDenise Kenyon-RouvinezChristian DreyerKinan Khadam-Al-JameRobert HemmiAnton AffentrangerYves Mirabaud, Hans-Martin KrausGérard GuerdatDidier Saint-GeorgesMario BassiStephen ThariyanDan SteinbockRino BoriniBert FlossbachMichael HasenstabGuido SchillingWerner E. RutschDorte Bech VizardAdriano B. LucatelliKatharina BartMaya BhandariJean TiroleHans Jakob RothMarco MartinelliBeat WittmannThomas Sutter, Tom King, Werner PeyerThomas KupferPeter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Ralph Ebert, Marionna Wegenstein, Armin JansNicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio QuirighettiClaire Shaw, Peter FanconiAlex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Michael Bornhäusser, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Claude Baumann, Markus Winkler, Konrad Hummler, Thomas Steinemann, Michael A. Welti, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Peter Hody, Ursula Finsterwald, Claudia Kraaz, Michel Longhini, Michael Welti, Stefan Blum, Zsolt Kohalmi, Karin M. Klossek, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Lamara von Albertini, Andreas Britt, Gilles Prince, Fabrizio Pagani, Darren Williams, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Stéphane Monier und Peter van der Welle.