Ein hitzköpfiger Separatist wirft der spanischen Regierung Franco-Methoden vor. Das lässt auf eine weitere Eskalation zwischen Madrid und Barcelona schliessen. Beat Wittmann skizziert in seinem Essay auf finews.first die Auswirkungen für Investoren.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


Für Spaniens obersten Gerichtshof ist das katalanische Referendum illegal, verstösst es doch gegen die Verfassung, der die Katalanen 1978 mit grosser Mehrheit zugestimmt haben. Rufen sie die Unabhängigkeit aus, so ist dies nichts anderes ein unverantwortlicher Akt, der auf eine direkte Konfrontation mit dem spanischen Staat respektive mit König Felipe VI. hinausläuft.

Insofern entbehrt ein solcher Schritt jeglicher rechtlicher Grundlage und bliebe ohne politische Legitimität – so wäre auch keine Unterstützung von Seiten der EU oder der USA zu erwarten.

«Seit den Bildern von niedergeknüppelten Bürgern steht Rajoy mit dem Rücken zur Wand»

Der spanische Premierminister Mariano Rajoy, ein Rechtsanwalt von Haus aus, und ein Staatsdiener von Berufes wegen, hat die nun nicht ganz einfache Pflicht, die Integrität des Staates zu wahren. Allerdings machte er jüngst den Fehler, dafür Polizeikräfte einzusetzen – dies, obschon er durchaus andere Optionen gehabt hätte. Doch seit Bilder von niedergeknüppelten Bürgern um die Welt gingen, und Polizisten mit Brachialgewalt die Abstimmung in Katalonien zu verhindern versuchten, steht Rajoy mit dem Rücken zur Wand; währenddessen jubeln die katalonischen Separatisten.

Sollte die spanische Regierung mit Hilfe von Artikel 155 der Verfassung die katalanische Autonomie für nichtig erklären, was Barcelona unter administrative Oberhoheit Madrids bringen würde, stellt sich unweigerlich die Frage, wie dies durchgesetzt werden sollte. Es wäre auch gefährlich.

«Kataloniens Präsident Puigdemont ist versessen darauf, die Unabhängigkeit auszurufen»

Denn der ehemalige Journalist und heutige Präsident Kataloniens, Carles Puigedemont, steht einer unheiligen Allianz von Separatisten vor, die eine radikale und höchst polarisierende Agenda verfolgen, was wiederum darauf schliessen lässt, dass die Situation weiter eskalieren dürfte. Zudem umfasst diese Allianz nicht nur rechtsbürgerliche Nationalisten, die mit dem autonomen Status und der finanziellen Situation Kataloniens unzufrieden sind, sondern auch radikale Marxisten, die darauf erpicht sind, das kapitalistische System zugrunde zu richten und die Monarchie abzuschaffen.

Puigedemonts Versuche, Katalonien so darzustellen, dass es politisch und wirtschaftlich von Madrid unterdrückt wird, sind so gesehen reine Demagogie – genauso wie seine Anspielungen auf jene Missbräuchlichkeiten, die bis zum Tod des spanischen Diktators Francisco Franco 1975 an Katalonien begangen wurden.

«Um die auswegslose Situation zu beenden, braucht es Initiative und Flexibilität»

Die jüngsten Ereignisse haben die katalanische Bevölkerung enorm polarisiert, zumal Rajoy nur einer Minderheitsregierung in Madrid vorsteht. Eine Lösung der Situation ist daher nur möglich, wenn er das Gespräch über die regionale Autonomie und die Finanzsituation adressiert und selber auf eine Abstimmung über die Unabhängigkeit Kataloniens einschwenkt.

Dies umso mehr, als Rajoy die politische Meinungsführerschaft verloren hat und sich die sogenannten Wechselwähler in Katalonien nach den jüngsten Ereignissen eher gegen ihn respektive gegen sein Programm entscheiden werden. Sucht er nicht lieber früher als später das Gespräch mit den Separatisten, setzt er seine Koalititionsregierung und letztlich seinen eigenen Posten aufs Spiel.

«Brüssel wird erst aktiv werden, wenn die Spanier die EU darum ersuchen»

Für die EU ist die Situation in Spanien vorläufig eine Angelegenheit, die von den spanischen und den katalonischen Behörden gelöst werden muss. Brüssel wird erst aktiv werden, wenn die Spanier die europäische Staatengemeinschaft darum ersuchen. Zumindest werden einige Regierungen in Europa Madrid und Barcelona dazu auffordern, eine Eskalation im Konflikt zu vermeiden und sich an demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien zu halten.

Unter diesen Prämissen gehe nicht davon aus, dass die Ereignisse in Spanien irgendwelche negativen Effekte auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung in Europa oder auf die Finanzmärkte haben werden.

«Präsident Puigdeont ist ein exzellenter Kommunikator und ein nationalistischer Hetzer»

Vielmehr bleibt die iberische Halbinsel trotz der aktuellen Turbulenzen wirtschaftlich gut unterwegs. Spanische Vermögensverwerte, seien das nun Aktien oder Immobilien, sind so gesehen attraktiv, und da ich kurzfristig mit einer weiteren Eskalation zwischen Madrid und Barcelona rechne, stellt jede Korrektur an der spanischen Börse eine Kaufgelegenheit dar. 

Leider vertritt Premierminister Rajoy eine politische Linie, die bislang stur auf Recht und Ordnung pochte und jegliches Gespür für jegliche Kommunikation vermissen liess, während sein separatistischer Kontrahent, Präsident Puigdeont, die Gesetze ignorierte, dafür aber ein exzellenter Kommunikator und nationalistischer Hetzer ist.


Beat Wittmann ist seit gut zwei Jahren Chairman und Partner der in Zürich ansässigen Finanzberatungs-Gesellschaft Porta Advisors. Der Bündner blickt auf eine mehr als 30-jährige Karriere im Schweizer Bankwesen zurück, die ihn unter anderem zu den beiden Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse sowie zu Clarien Leu und Julius Bär führte. Zwischen 2009 und 2015 war er zunächst selbständig und danach unter dem Dach der Schweizer Raiffeisen-Gruppe im Asset Management tätig.


Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Oliver Berger, Rolf Banz, Samuel Gerber, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Samuel Gerber, Nuno Fernandes, Richard Egger, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Oliver Bussmann, Michael Benz, Albert Steck, Andreas Britt, Martin Dahinden, Thomas Fedier, Alfred Mettler, Brigitte Strebel, Peter Hody, Mirjam Staub-Bisang, Nicolas Roth, Thorsten Polleit, Kim Iskyan, Stephen Dover, Denise Kenyon-Rouvinez, Christian Dreyer, Peter Kurer, Kinan Khadam-Al-Jame, Werner E. Rutsch, Robert Hemmi, Claude Baumann, Anton Affentranger, Yves Mirabaud, Frédéric Papp, Hans-Martin Kraus, Gérard Guerdat, Didier Saint-Georges, Mario Bassi, Stephen Thariyan, Dan Steinbock, Rino Borini, Bert Flossbach, Michael Hasenstab, Guido Schilling, Werner E. Rutsch, Dorte Bech Vizard, Adriano B. Lucatelli, Katharina Bart, Maya Bhandari, Jean Tirole, Hans Jakob Roth und Marco Martinelli.