Das Geld, das die UBS für ihr Innovations- Lab in London aufwirft, muss sie wohl als PR abbuchen. Zu diesem Schluss kommen Teilnehmer am Web Summit in Lissabon, wie finews.ch-Redaktor Andreas Britt berichtet.
Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen renommierte Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Dabei äussern sie ihre eigene Meinung. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. finews.first läuft in Zusammenarbeit mit der Genfer Bank Pictet & Cie. Die Auswahl und Verantwortung der Beiträge liegt jedoch bei finews.ch.
Level 39, Fintech Inkubator – für den Laien Kauderwelsch, in der Fintech-Szene klingende Ausdrücke. Es sind die Instrumente der UBS, mit denen sie den Nachweis erbringt, dass sie die Herausforderungen der Digitalisierung ernst nimmt und auch gewillt ist, ihren Kunden mit entsprechenden Angeboten auf die Sprünge zu helfen.
Und die UBS ist natürlich nicht alleine damit. Kaum eine Bank, die ganz ohne auskommt: Ob kleine Kantonalbank oder Traditionshaus in Genf, bis hin zu den globalen Akteuren, die Suche nach Lösungen für Internet-taugliches Banking ist ihnen gemeinsam.
«Innovation-Labs sind pure PR,» sagt Mike Laven, einer der Gurus der Fintech-Szene und Chef der Londoner Firma CurrencyCloud. Seine pointierten Aussagen am Web Summit in Lissabon diese Woche überzeugten die Zuhörer. «Die Grossbanken sind aus strukturellen und kulturellen Gründen nicht fähig, die von ihren Labs hervorgebrachten Innovationen umzusetzen», sagt er weiter.
«Der Supertanker reagiert zu langsam auf Steuersignale»
Sein eigener Betrieb, CurrencyCloud, bietet eine so genannte Payment Engine für den globalen Zahlungsverkehr für Grosskunden. Mit der Payment Engine können sie eine Vielzahl von Zahlungen gleichzeitig in unterschiedlichen Währungen auslösen, diese über längere Zeit zurückverfolgen und der CurrencyCloud gewisse Compliance-Fragen überlassen.
Im Dialog mit der Leiterin ‹Innovationen› bei der britischen Lloyds Bank in London, Claire Calmejane, verdeutlicht Laven, dass es ihm nicht um die von den Spezialisten in den Labors erarbeiteten Lösungen geht, sondern um die Fähigkeit von Grossunternehmen, die von Experten erarbeiteten und zuweilen radikal neuen Systeme betriebsintern umzusetzen.
Das Symbol, das auch Blockchain-CEO Peter Smith im Zusammenhang mit den Grossbanken verwendet, ist der Supertanker, der (zu) langsam auf die Steuersignale reagiert. Laven denkt, dass die traditionellen Banken die neuen Lösungen ihren alten Systemen aufpropfen und nicht grundlegende Änderungen anstreben.
Und dies ist auch nicht erstaunlich. Kim Fournais, der Gründer und CEO der dänischen Saxo Bank, erklärt im Gespräch mit finews.ch, dass die Banken mindestens 85 Prozent ihrer für die Systeme vorgesehenen Mittel für deren Aufrechterhaltung ausgeben. «Da bleibt nicht mehr viel übrig für Innovationen», folgert er.
«Eigenbrötelei ist komplett sinnlos»
Der Däne ist überzeugt, dass die Zukunft dem Teilen von Lösungen für einzelne bankenspezifische Aufgaben gehört. «Es ist komplett sinnlos, wenn alle alles machen», so Fournais. Wer Lösungen zum Beispiel für die Abwicklung oder für die Compliance einkaufe, mache Ressourcen frei für die Kernkompetenz, nämlich der Kundenbetreuung.
Um dies hinzukriegen, müssen die verschiedenen Aufgaben der Banken erst in ihre Einzelteile zerlegt werden. Anschliessend muss das Management im Sinne einer strategischen Entscheidung diejenigen Betriebsteile identifizieren, welche extern eingekauft werden können, wie Fournais weiter ausführt.
Und dies wiederum dürfte das Management der Credit Suisse (CS) freuen. Die oft gescholtenen Chefs der CS unter der Leitung von CEO Tidjane Thiam haben unlängst klargemacht, dass sie in Partnerschaften mit anderen Banken grosse Chance sehen, die Kosten zu senken. Und dies ist angesichts der sinkenden Margen in einem Niedrigzinsumfeld und wirtschaftlich schwierigen Zeiten zwingend geworden.
«Falls Ihr einen Job in einem Lab kriegen könnt – grossartig»
Einkaufen und Partnerschaften versus Eigenentwicklungen – die provokative These von Laven, dass die Innovation-Labs die Grossbanken nicht retten können, focht auch Calmejane nicht an. «Die Labors der Banken sind Katalysatoren für Innovationen bei den Banken», sagt sie.
Für sie ist es sonnenklar, dass die Banken an der Weiterentwicklung ihrer Systeme arbeiten, und zwar zusammen mit der Fintech Industrie, aber auch unabhängig in den Entwicklungsabteilungen. «Wer hat die wichtigste Entwicklung in der Bankenwelt im letzten Jahrzehnt – Mobile Banking – hervorgebracht? Richtig, die Banken.»
Für die 50'000 Konferenzteilnehmer am Web Summit hatten wohl beide Ansichten ihr Gutes. Die Frage nämlich, ob das digitale Banking kommt oder nicht, stellt sich gar nicht mehr. Nur das wie. Und die grosszügig alimentierten Labs der Grossbanken sind natürlich eine Chance, wie Laven treffend observiert: «Falls Ihr einen Job in einem Lab kriegen könnt – grossartig. Euch nützt es definitiv. Inwieweit die Arbeit dann den Banken nützt, steht auf einem anderen Blatt geschrieben.»
Andreas Britt ist Publizist und Redaktor bei finews.ch. Er studierte politische Wissenschaften an der London School of Economics und arbeitete danach als Redaktor bei der internationalen Nachrichtenagentur «Bloomberg News» in Zürich und Stockholm, wo er sich vor allem mit politischen und makroökonomischen Themen befasste. Bevor er 2015 zu finews.ch stiess, arbeitete Britt während acht Jahren als Politologe und Führungskraft in der Bundesverwaltung in Bern.
Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Adriano B. Lucatelli, Peter Kurer, Oliver Berger, Rolf Banz, Samuel Gerber, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Thorsten Polleit, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Samuel Gerber, Nuno Fernandes, Thomas Fedier, Claude Baumann, Beat Wittmann, Richard Egger, Didier Saint-Georges, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Andreas Britt, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Katharina Bart, Oliver Bussmann, Michael Benz, Peter Hody und Albert Steck.