Bedauerlicherweise besteht bis heute in Brüssel kein politischer Wille, die Hauptstädte der EU-Mitgliedstaaten dazu zu bewegen, ihre nationalen Grossbanken und überdimensionierten Finanzsektoren zu restrukturieren und zu redimensionieren. Dabei wäre die Umsetzung einer Banken- und Kapitalmarktunion eine grundlegende Voraussetzung, um der massiven Dysfunktionalität des europäischen Finanzsektors ein Ende zu bereiten und deutlich verbesserte Bedingungen für Wachstum im öffentlichen und privaten Sektor zu schaffen.

«Die EZB-Politik sollte durch überfällige Strukturreformen und Fiskalpolitik unterstützt werden»

Es sollte sich niemand der Illusion hingeben, dass der aktuell kommunizierte Abbau von rund 18’000 Stellen bei der Deutschen Bank eine nachhaltige Trendwende zum Besseren sein wird. All dies hätte bereits vor zehn Jahren geschehen müssen, und aktuell wären deutlich einschneidendere Massnahmen vonnöten – unter anderem wegen der massiven Überkapazitäten, der anhaltend ultratiefen Zinsen und Inflationsraten und dem Margendruck durch die rasch fortschreitende Technologisierung weiter Teile des Bankgeschäfts.

Auch die EZB-Politik sollte durch überfällige Strukturreformen und Fiskalpolitik unterstützt werden. Die Einführung des Euro vor zwanzig Jahren ist eine grosse Erfolgsgeschichte, die dem gemeinsamen Währungsraum Sicherheit, Werterhaltung und Effizienzgewinne gebracht hat.

«So ist es denkbar, dass sich die EZB im Fall einer Rezession in die New Monetary Policy hinauswagt»

Der Euro bleibt aber aus globaler Perspektive deutlich unterhalb seines Potenzials, und dies weitgehend wegen dem Fehlen einer vollständigen europäischen Banken- und Kapitalmarktunion. Und im Zusammenhang mit der globalen Finanzkrise von 2008 hat man der EZB zuviel Krisenmanagement durch nicht konventionelle Geldpolitik und dem Fehlen einer aktiven Fiskalpolitik aufgebürdet.

Ich habe keinen Zweifel, dass mit Christine Lagarde als Nachfolgerin von Mario Draghi an der Spitze der EZB volle Glaubwürdigkeit und Handlungsfähigkeit gesichert ist. Europa bleibt allerdings geprägt von strukturell tiefen und negativen Zinsen sowie vom Fehlen überfälliger Wirtschaftsreformen. So ist es durchaus denkbar, dass sich die EZB unter Lagarde im Fall einer Rezession oder einer Finanzkrise in das ungetestete Feld der New Monetary Policy (NMP) hinauswagt. Dies wäre ein weiteres, neues Kapital in der wechselvollen Geschichte Europas.


Beat Wittmann ist seit vier Jahren Chairman und Partner der in Zürich ansässigen Finanzberatungs-Gesellschaft Porta Advisors. Der Bündner blickt auf eine mehr als 30-jährige Karriere im Schweizer Bankwesen zurück, die ihn unter anderem zu den beiden Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse sowie zu Clarien Leu und Julius Bär führte. Zwischen 2009 und 2015 war er zunächst selbständig und danach für die Schweizer Raiffeisen-Gruppe im Asset Management tätig.


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