Sternekoch Paul Stradner: «Wer bei mir isst, will Luxus»

Die «Villa René Lalique» im nordelsässischen Wingen-sur-Moder feiert ihr zehnjähriges Bestehen. Hier hat der Schweizer Unternehmer Silvio Denz das ehemalige Wohnhaus von René Lalique behutsam restauriert und daraus ein Zweisterne-Restaurant mit angeschlossenen Boutique-Hotel geschaffen. finews.ch war dort und hat mit Chefkoch Paul Stradner gesprochen.

Fast von Anfang an, seit 2017, steht der gebürtige Österreicher Paul Stradner am Herd der «Villa René Lalique» und prägt die Küche mit seiner Handschrift: ein raffiniertes Zusammenspiel von französischer Klassik und regionalen Entdeckungen. Mit zwei Michelin-Sternen ist seine Kochkunst dekoriert.

Nach einem ausgiebigen kulinarischen Spaziergang durch seine Speisekarte treffen wir den Meister in der Bar des Hotels – eingerichtet im unnachahmlichen Stil von Lalique, wo Kristall, Licht und Design eine Atmosphäre kultivierten Luxus’ schaffen, voller französischer Eleganz und Handwerkskunst.

villa rene lalique restaurant hdgilles pernet 9
Ensemble aus Kristall, Licht und Design: Restaurant «Villa René Lalique» (Bild: Gilles Pernet)

Ein besonderer Schatz des Hauses ist der imposante Weinkeller, verwaltet von Sommelier Romain Iltis, mit 2'000 Positionen, der Kenner aus aller Welt anzieht.

Stradner selbst erweist sich als charmanter und lebhafter Gesprächspartner – für einen Zweisterne-Chef aussergewöhnlich zugänglich. Mit österreichischer Gelassenheit und präziser Leidenschaft erzählt er, was seine Küche ausmacht, welche Produkte ihn begeistern und warum Luxus und Regionalität sich perfekt ergänzen.


Herr Stradner, wir haben uns durch Ihre Speisekarte probiert… Eine grosse Überraschung war der Karpfen aus Sparsbach: Wo sonst trifft man diesen Fisch in einem Zweisterne-Haus?

Ja, das ist sicher eine ungewöhnliche Wahl für die Gourmet-Küche. Aber genau das reizt mich: Produkte, die fast vergessen wurden, neu zu interpretieren. Der Karpfen hat in unserer Region Tradition, doch für viele ist er nur noch eine Erinnerung aus der Vergangenheit. Wir setzen auf eine Technik, die die Gräten nahezu unmerklich macht und kombinieren den Fisch mit hochwertigen Zutaten wie Trüffel oder Kaviar. Als wir ihn erstmals auf die Karte setzten, hatte ich Bedenken, aber die Gäste waren begeistert. Heute ist Karpfen fester Bestandteil unserer Karte.

villa rene lalique carpes carte 2025 hirmance production hd 2
Karpfen aus Sparsbach, in der Interpretation von Paul Stradner (Bild: Hirmance Production, zVg)

Sie setzen stark auf Regionalität, aber nicht dogmatisch?

Genau. Wir orientieren uns an den Produkten der Region, aber ohne uns strikt auf einen Radius von beispielsweise 100 Kilometern zu beschränken. Wir sind ein Luxushotel, also gibt es natürlich auch Kaviar oder Meeresfisch wie den Glattbutt auf der Karte.

«Unsere grösste Entdeckung war Cédric Daussmann, ein leidenschaftlicher Waldmensch und Sammler, der uns mit wilden Kräutern, Pilzen und sogar Safran aus dem Elsass beliefert.»

Aber unser Fokus liegt darauf, Produzenten mit unserer Philosophie zu finden, die Höchstqualität liefern. Unsere grösste Entdeckung war Cédric Daussmann, ein leidenschaftlicher Waldmensch und Sammler, der uns mit wilden Kräutern, Pilzen und sogar Safran aus dem Elsass beliefert.

Welche weiteren Produzenten haben Sie entdeckt?

Während der Pandemie hatten wir Zeit, unser Netzwerk auszubauen. Wir fanden einen exzellenten Lammproduzenten in Mietersheim und einen Wildhändler, der selbst jagt, nur zehn Kilometer von hier entfernt. So können wir garantieren, dass unser Wild aus den Wäldern rund um Wingen-sur-Moder stammt. Zudem arbeiten wir mit einem Kichererbsenproduzenten – eine echte Rarität in dieser Region. Unsere Karte reflektiert diese Vielfalt.

Wie oft wechseln Sie Ihr Menü?

Wir haben uns von festen Saisonmenüs verabschiedet. Produkte halten sich nicht an Kalendergrenzen. Stattdessen passen wir die Gerichte laufend an: Wenn die Spargelzeit vorbei ist, beginnt die Tomatenzeit. Pro Woche ersetzen wir ein bis zwei Gerichte, etwa vier pro Monat. Einige Kreationen, wie unsere mit Schnecken gefüllte Kartoffelnudel, bleiben als Signature-Dish beständig.

villa rene lalique parc hirmance production 2024 hd 7
Chefkoch Paul Stradner im Kräutergarten (Bild: Hirmance Production, zVg)

Sie stammen aus der Steiermark. Wie stark beeinflusst das Ihre Handschrift?

Meine Wurzeln fliessen subtil ein. Wir sind in Frankreich, also ist unsere Basis elsässisch und klassisch-französisch. Aber Gerichte wie meine Schnecken mit Meerrettich statt Knoblauch sind von österreichischen Rezepten inspiriert. Die Idee dazu habe ich einem alten Sacher-Kochbuch entlehnt. Auch meine Erdverbundenheit spielt eine Rolle: Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen, mit eigenem Gemüse und Vieh. Diese enge Verbindung zu Produkten hat mein Verständnis für Qualität und den Reifungsprozess der Produkte geprägt.

** 10 Jahre «Villa René Lalique» **

Mai

  • 02.05.2025: Neues «Signature»-Menü zum 10-jährigen Jubiläum (verfügbar bis Ende September)
  • 25.05.2025: Ausnahmsweise geöffnet zum Muttertag

Juni

  • 12.06.2025: Spezialevent – Exklusive Führung durch die Lalique-Manufaktur mit anschliessendem Mittagessen im Restaurant
  • 29.06.2025: Spezialevent – Jährliche Gartenparty

Juli

  • 01.–02.–08.–09.07.2025: Spezialevent: Barbecue-Masterclasses (mit Live-Cooking-Show)

September

  • 18.–19.09.2025: Besondere Abende zum 10-jährigen Jubiläum der Villa René Lalique

Oktober

  • 02.10.2025: Besonderer Abend mit einer Wein-Masterclass

November

  • 15.11.2025: Start des Wintermenüs mit Kaviar & Trüffel

Viele Spitzenköche haben sich in den vergangenen Jahren Denkmäler gesetzt durch Dekonstruktion und Ausflüge an die Grenze des technisch Machbaren: Man präsentiert etwas, das aussieht wie eine Himbeere, sich anfühlt wie eine Himbeere, aber ganz eindeutig nach Austern schmeckt.

Ich finde, das Produkt muss immer im Vordergrund stehen. Es war faszinierend zu sehen, was technisch alles möglich ist, aber wenn ich ein exzellentes Produkt habe, will ich es nicht erst zerstören, um es dann wieder neu zusammenzusetzen.

«Der aktuelle Trend zur Puristik und Produktqualität entspricht meiner Philosophie.»

Drei bis vier prägnante Geschmacksrichtungen auf dem Teller sind mir lieber als 37 verschiedene Komponenten. Der aktuelle Trend zur Puristik und Produktqualität entspricht meiner Philosophie.

Was uns aufgefallen ist: Sie arbeiten gern mit Säure.

Ja, Säure bringt Frische und macht ein grosses Menü spannender. Ich verwende sie gezielt in den ersten Gängen, um den Appetit zu beleben. Ein Beispiel ist unser Onsen-Ei mit einem Gelee aus fermentiertem Reisessig und Katsuobushi, zu Deutsch Bonitoflocken – eine Kombination aus Säure und Umami.

villa rene lalique carte printemps 2024 asperges hirmance production hd 2
Der Frühling lässt grüssen: Grüne Spargeln (Bild: Hirmance Production, zVg)

Sie haben bei Harald Wohlfahrt in der berühmten Schwarzwaldstube gelernt. Was war die wichtigste Lektion?

Disziplin. Wohlfahrt war jeden Tag pünktlich in der Küche, mit immer gleicher Qualität – oder noch besser als am Vortag. Das hat mich tief geprägt. Ich habe zwar noch keine drei Sterne wie damals in der Schwarzwaldstube, aber dieses Streben nach Perfektion ist mir geblieben.

Früher war die Führung in der Spitzengastronomie sehr autoritär. Wie führen Sie Ihr Team?

Autorität ist nach wie vor wichtig. Eine Küche funktioniert wie eine Fussballmannschaft: Wenn jeder macht, was er will, gibt es kein gutes Ergebnis. Gleichzeitig muss man sich an die Zeit anpassen. Früher hatten Spitzenrestaurants eine Warteliste für Bewerber, heute können gute Köche fast überall sofort anfangen. Wer schlecht führt, steht plötzlich alleine da.

Die Villa René Lalique liegt nicht in einer Metropole. Wie erklären Sie den Erfolg an diesem abgelegenen Ort?

Das Elsass hat eine starke Esskultur. Hier fahren die Leute gerne mal eine Stunde zum Essen. Und unsere Lage zwischen Deutschland, Luxemburg, der Schweiz und Frankreich macht uns für ein internationales Publikum attraktiv. Am Wochenende haben wir viele Gäste aus weiter entfernten Städten, unter der Woche eher regionale Besucher. Um auch für Einheimische interessant zu bleiben, bieten wir spezielle Menüs zu angepassten Preisen an. Der internationale Gourmet-Tourist ist für uns wichtig, alleine von ihm könnten wir aber nicht leben.

portrait romain iltis karine faby hd 12
Herr über den Weinkeller: Sommelier Romain Iltis, Meilleur Ouvrier de France (Bild: Karine Faby, zVg)

Die Marke Lalique verleiht Ihrem Restaurant eine besondere Strahlkraft. Wie erleben Sie das?

Lalique steht für Eleganz und Kunsthandwerk, das spiegelt sich in unserer Gastronomie wider. Wer hierher kommt zum Essen, der will auch etwas Luxus haben.

«Unser Restaurant könnte man genauso in Paris eröffnen und es würde funktionieren.»

Er erwartet l’art de la table, also die Tischkultur mit edlem Porzellan, Silberbesteck und feinsten Gläsern. Dieses luxuriöse Erlebnis ist Teil unseres Konzepts und unterscheidet uns von rein regional fokussierten Restaurants. Unser Restaurant könnte man genauso in Paris eröffnen und es würde funktionieren.

Zur Lalique-Gruppe gehören derzeit drei Zwei-Sterne-Restaurants. Und voraussichtlich nächstes Jahr wird die Villa Florhof in Zürich neu eröffnet… Gibt es unter den drei Köchen einen gesunden Wettbewerb um den dritten Stern?

Ganz klar! Jeder von uns will der Erste sein, der den dritten Stern erhält. Aber es gibt keinen Neid, sondern gegenseitige Anerkennung. Ich bin überzeugt, dass wir hier in der «Villa René Lalique» alles haben, was es für den dritten Stern braucht. Ausser eben den dritten Stern…
Was ist Ihnen aktuell wichtig?

Unser zehnjähriges Jubiläum am 18. September 2025 wird mit einigen besonderen Events gefeiert. Seit unserer Eröffnung lief die Villa René Lalique von Anfang an erfolgreich, und wir sind stolz darauf, das Haus stetig weiterzuentwickeln.


Paul Stradner, geboren am 23. Juni 1981 in Graz, Österreich, begann mit 15 Jahren seine Kochlehre in Österreich. Bald führte ihn sein Weg in renommierte Häuser wie die Schwarzwaldstube in Baiersbronn unter Harald Wohlfahrt. Später lernte er bei seiner Tätigkeit für das L'Arnsbourg in Baerenthal den dortigen Chef Jean-Georges Klein kennen. 2012 kam er als Küchenchef ins Brenners Park-Hotel & Spa in Baden-Baden, wo er zwei Michelin-Sterne erkochte. Seit 2017 prägt Stradner die kulinarische Ausrichtung der «Villa René Lalique» im Elsass. Drei Jahre wirkte er dort gemeinsam mit Jean-Georges Klein und führt seit 2020 als Chefkoch das mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnete Restaurant