Was gestern noch eine Nischeninvestition oder bloss eine Beruhigungspille fürs Gewissen war, habe heute zu Recht seinen Platz in den Portfolios, schreibt Michel Longhini in seinem Essay für finews.first


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


Nachhaltiges Wachstum und der Schutz des Planeten lassen sich durchaus vereinbaren. Für diese These wurden William Nordhaus und Paul Romer 2018 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. In Bezug auf die Finanz lässt sich ihr Postulat wie folgt zusammenfassen: Es ist tatsächlich möglich, Performance zu generieren und gleichzeitig eine positive Wirkung auf die Gesellschaft und/oder Umwelt zu erzielen.

Vor rund dreissig Jahren wurde damit begonnen, nachhaltig und sozial verträglich zu investieren. Doch der Durchbruch dieses Segments wurde durch dessen Kinderkrankheiten behindert: unvollkommene Definitionen, fragliche Bewertungskriterien, Verruf aufgrund von «Greenwashing», das einige Unternehmen praktizierten, und bisweilen auch enttäuschende Performances.

«Immer mehr Banken bauen ihre Palette an verantwortungsbewussten Anlagelösungen aus»

Ohne behaupten zu wollen, dass all diese Mängel behoben wurden, muss man anerkennen, dass das Segment aus seinen Fehlern gelernt hat und reifer geworden ist. Je mehr Glaubwürdigkeit ihm die akademische Forschung verlieh, desto präziser wurden die Konzepte und desto exakter liess sich die Wirkung messen – auch wenn Verbesserungen nach wie vor wünschenswert sind.

Was gestern bestenfalls eine Nischeninvestition oder bloss eine Beruhigungspille fürs Gewissen war, hat heute zu Recht seinen Platz in den Portfolios und dürfte künftig noch an Bedeutung gewinnen. Der Beweis: Alle seriösen Universitäten bieten mittlerweile einen Master-Studiengang in nachhaltiger Finanzwirtschaft, Entwicklung oder Bewirtschaftung an. Und immer mehr Banken bauen ihre Palette an nachhaltigen oder verantwortungsbewussten Anlagelösungen aus.

«Der Trend ist nicht mehr aufzuhalten»

Je stärker die Nachfrage der Kunden – insbesondere der Generation der Millennials – nach diesen Produkten steigt, desto grösser muss der Anreiz sein für die Finanzakteure, ihr Angebot glaubwürdiger und effizienter zu gestalten. Laut einer Umfrage der UBS in der Schweiz möchten 88 Prozent der Anleger Investmententscheidungen treffen, die ihren Wertvorstellungen entsprechen. Das Bewusstsein der Branche lässt sich besonders gut schärfen, wenn mit der Konkurrenz, aber auch mit öffentlichen Einrichtungen und der akademischen Welt – zum Beispiel im Rahmen einer Partnerschaft mit dem Cambridge Institute for Sustainability Leadership – zusammengearbeitet wird.

Nun, da die ökologischen und sozialen Herausforderungen ins kollektive Bewusstsein rücken, ist der Trend nicht mehr aufzuhalten. Es ist also ein Zeichen der Zeit, dass immer mehr Unternehmen neben ihren Bilanzen auch Statistiken zum Klimarisiko veröffentlichen, wie es die vom Financial Stability Board (FSB) bei der BIZ in Basel ins Leben gerufene Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) empfiehlt.

«Nur ein Unternehmen, das sich langfristig engagiert, kann sein Potenzial ausschöpfen»

«Die Publikation von Klimadaten setzt sich als Standard durch. Mehr als 500 Unternehmen unterstützen die TCFD, unter anderem weltweit führende Banken, Vermögensverwaltungsinstitute und Pensionsfonds, die zusammen rund 100'000 Milliarden Dollar verwalten», sagte Mark Carney, Präsident des FSB und Gouverneur der Bank of England, im September.

Larry Fink, der CEO von BlackRock, mit einem verwalteten Vermögen von 6'000 Milliarden Dollar das weltweit grösste Vermögensverwaltungsinstitut, wiederum richtete zu Beginn des Jahres ein Schreiben an Hunderte Unternehmensmanager. Er forderte sie darin auf, neben ihrer finanziellen Performance auch aufzuzeigen, dass sie einen positiven Einfluss auf Gesellschaft und Umwelt haben.

Nur ein Unternehmen, das sich langfristig engagiere, könne sein Potenzial ausschöpfen, hielt er fest und drohte gleichzeitig zwischen den Zeilen, BlackRock werde seine Investitionen in Unternehmen abziehen, die nur den kurzfristigen Profit ihrer Aktionäre im Blick haben. Dieser weltweite Leader in der passiven Verwaltung prognostiziert zudem, dass die in nachhaltige börsengehandelte Exchange-Traded Funds (ETF) investierten Gelder von heute 25 Milliarden Dollar respektive 3 Prozent des Gesamtvolumens der ETF auf 400 Milliarden Dollar, also nahezu 25 Prozent, im Jahr 2028 ansteigen werden.

«Der norwegische Staatsfonds verzichtet bereits auf Investitionen in Kohle»

Da die Regierungen die Dringlichkeit nicht erkennen und tatenlos bleiben, wird letzten Endes wohl die Finanzbranche in die Bresche springen und die Spreu vom Weizen trennen. Von Unternehmen, deren Tätigkeit den Klimawandel und soziale Ungleichheiten fördert, werden sich die Anleger unweigerlich abwenden.

Die Pensionsfonds, Versicherungsgesellschaften und Städte (wie New York) bemühen sich zusehends, diese Unternehmen abzustossen. Der norwegische Staatsfonds verzichtet bereits auf Investitionen in Kohle und Irland hat diesen Sommer beschlossen, seine Anlagen in fossilen Energieträgern (Erdöl, Erdgas, Kohle, Torf) zu liquidieren.

«Es geht um die Zukunft unseres Planeten»

Zwar sind ethische Gründe die Auslöser für diese Entscheide, doch lassen sie sich auch wirtschaftlich durchaus nachvollziehen. Die Unternehmen, die umweltbewusst und sozial verantwortlich handeln, sind bestens positioniert, um Investitionen anzuziehen und ein solides langfristiges Wachstum zu erzielen und damit besser abzuschneiden als der Markt.

Darauf setzt «Impact Investing» (wertorientiertes Investieren), eines der vielversprechendsten Segmente der verantwortungsvollen Vermögensverwaltung. Das Konzept besteht darin, Unternehmen – häufig die innovativsten Firmen in ihrem jeweiligen Sektor – zu ermitteln, die Gutes für Umwelt und Gesellschaft tun und attraktive Renditen bieten.

«Impact Investing» misst der messbaren sozialen und ökologischen Wirkung eine ebenso hohe Bedeutung zu wie der finanziellen Performance und beweist damit, dass beide Aspekte vereinbar sind – ein Kernanliegen, denn es geht um die Zukunft unseres Planeten.


Michel Longhini leitet als CEO das Private Banking der Genfer Union Bancaire Privée und ist Mitglied der Geschäftsleitung. Zuvor stand er in Diensten von BNP Paribas Wealth Management, namentlich von 2004 bis Mitte 2008 als CEO der Privatbank in Asien. Insgesamt blickt er auf mehr als 20 Jahre Erfahrung im Bankwesen zurück. Der Franzose studierte in den 1980er-Jahren an der Lyon Business School, wo er auch sein MBA machte.


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