Die EZB hat die Zinsen im Euroraum um 25 Basispunkte gesenkt. Die Meinungen, wo das neutrale Niveau liegt, dürften auseinandergehen. Für die SNB könnte der Druck für weitere Senkungen abnehmen.

Die Mitglieder des EZB-Rates haben heute eine Senkung der Leitzinsen auf neu 2,5 von zuvor 2,75 Prozent beschlossen. Das ist die fünfte Zinssenkung in Folge und die sechste seit Juni 2024.

Als Gründe werden die Inflationsentwicklung und die weiter schwache Konjunktur genannt. Der Disinflationsprozess schreitet gut voran, heisst es. Die Fachleute erwarten nun eine Gesamtinflation von durchschnittlich 2,3 Prozent für 2025, 1,9 Prozent für 2026 und 2,0 Prozent für 2027. «In der Aufwärtsrevision der Gesamtinflation für 2025 spiegelt sich eine stärkere Dynamik bei den Energiepreisen wider.» Ohne Energie und Nahrungsmittel wird ein Wert von durchschnittlich 2,2 Prozent für 2025 erwartet.

Die Wachstumsprojektionen wurden erneut gesenkt – auf 0,9 Prozent für 2025, 1,2 Prozent für 2026 und 1,3 Prozent für 2027.

Neben dem massgeblichen der Einlagensatz wurde auch der Refinanzierungssatz auf 2,65 Prozent und der Spitzenrefinanzierungssatz auf 2,9 Prozent gesenkt.

Wo liegt der neutrale Bereich?

Zuletzt hatte es von einzelnen Direktoriumsmitgliedern, etwa von der österreichischen Notenbankchefin Isabel Schnabel, Äusserungen gegeben, dass die EZB-Geldpolitik nicht mehr als «eindeutig restriktiv» zu werten sei. Dabei geht es um die Frage, ob der neutrale Bereich in der Spanne 2 bis 2,5 Prozent oder doch tiefer zwischen 1,75 und 2,25 Prozent zu verorten ist.

Finanzpakete wecken Konjunkturhoffnung

Bei der Konjunktur hatte es zuletzt Anzeichen für eine Aufhellung gegeben. Beim Einkaufmanagerindex scheint die Talsohle durchschritten zu sein. Auch die angekündigten höheren Verteidigungsausgaben dürften mittelfristig stützen. So wurde die Einigung in den Koalitionsverhandlungen in Deutschland zur Umgehung der Schuldenbremse und der Schaffung von Sondervermögen für Verteidigung und Investitionen in Infrastruktur an den Märkten wie ein riesiges Konjunkturprogramm gewertet. Die angekündigten Finanzpakete wecken die Hoffnung auf mehr Wirtschaftswachstum in Deutschland.

Die Aktien an der Frankfurter Börse zogen kräftig an und auch der Euro legte gegenüber Dollar und Franken zu. So stieg der Euro innerhalb von zwei Tagen von 0,9350 auf 0,9635 Franken. Das war ein Plus von rund 3 Prozent. Gleichzeitig wird der Dollarkurs von den von Präsident Trump verhängten Zöllen belastet.

Das dürfte auch von der SNB aufmerksam registriert worden sein. Ein steigender Euro-Kurs dürfte die Importpreise in der Schweiz steigen lassen und die Inflation stützen. Diese lag in der Schweiz zuletzt bei 0,3 Prozent im Februar, nach 0,4 Prozent im Januar.

Zinsabstand und Eurokurs

Für die SNB bildet der Zinsabstand zur Eurozone und der Frankenkurs eine wichtige Grösse. Ein stärkerer Euro nimmt den Druck, bei jeder EZB-Senkung nachziehen zu müssen.

Doch die Unsicherheiten sind weiterhin hoch. Der drohende Handelskrieg, die Folgen für die Konjunktur oder auch die Geopolitik könnten für erhöhte Volatilität sorgen. Nach Ansicht von Ökonomen dürfte selbst ein inzwischen denkbarer, wenn auch nur fragiler Waffenstillstand in der Ukraine an den Märkten für kräftige Ausschläge sorgen.

Den Notenbankern, gleich ob bei EZB oder SNB, bleibt also nichts anderes übrig als «auf Sicht» zu fahren. Entsprechend hat auch EZB-Chefin Christine Lagarde am Donnerstag angekündigt, dass man bei den künftigen Zinssitzungen weiter «datenbasiert» entscheiden wird. «Der EZB-Rat legt sich nicht im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad fest», heisst das bei der Notenbank

Die SNB gibt am 20. März ihre Geldpolitische Lagebeurteilung ab und entscheidet über die Zinsen.

Am Abend zuvor entscheidet auch der Offenmarktausschuss des Federal Reserve über die US-Zinsen. Hier wird keine Änderung erwartet.