Die Millennials werden die Vermögen der Babyboomer erben, was weitreichende Konsequenzen für die Finanzbranche hat. Darum brauche es Kundenberater mit gänzlich neuen Qualitäten, schreibt Michael Welti exklusiv für finews.first.
Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.
Eine neue Generation gelangt an die Macht, die zwischen 22 bis 37 Jahre alt ist. Sie heisst Millennials und gilt, je nach Definition, als von Technik besessen und bindungsunfähig. Sie gehört aber auch zu den weltoffensten und tolerantesten Menschen. In den kommenden Jahren werden diese in vielen Fällen bedeutende Familienvermögen erben, welche ihre Eltern, die sogenannten Babyboomer, erarbeitet haben.
Weil die Millennials auch sogenannte Digital Natives sind, wird dies für die Vermögensplanung relevant sein. Doch was wird sich durch die Millennials tatsächlich ändern?
Für die Babyboomer hatte es Priorität, physische Güter wie Eigenheim, Ferienhaus oder Auto zu besitzen. Dagegen sind Millennials oder Digital Natives eher daran interessiert, neue Erfahrungen zu sammeln, neue Orte zu bereisen, im Ausland zu arbeiten oder ganz einfach, Grenzen auszutesten. Über ihre Erfahrungen und Erkenntnisse tauschen sie sich gerne online und über die Sozialen Medien aus.
«Bei den Grossbanken wird die Anzahl Kunden per Berater weiter steigen»
Ob dies gut oder schlecht sein mag, ist hier nicht die Frage, sondern eher, was dies für die Finanzindustrie bedeutet. Ganz speziell betrifft das Kunden wie Entrepreneurs oder Superreiche (Ultra-High-Net-Worth-Individuals, UHNWI). Diese vererben in den nächsten Jahren ihr Familienvermögen und müssen sich daher überlegen, wie sie die Nachfolgeplanung innerhalb der Firma und Familie organisieren wollen.
Wenn die Banken gegenüber den Millennials bestehen wollen, müssen sie radikal umdenken. Denn die Banken werden Kunden vor sich haben, die viele Informationen aus dem Internet nutzen. Sie sind dadurch oft gar besser informiert als Bankberater; und gleichzeitig werden diese immer weniger Zeit haben, um sich auf Kundengespräche vorzubereiten und sich den spezifischen Kundenbedürfnissen zu widmen.
Wie können die Banken darauf reagieren? Typischerweise wird bei den Grossbanken die Anzahl Kunden per Berater weiter steigen, da durch die zunehmende Technologisierung innerhalb der Bank vieles effizienter wird. Die dadurch verfügbare Zeit sollte eigentlich in eine intensivere Betreuung, Bedürfnisabklärung und Ausarbeitung von Lösungen investiert werden.
«Die Babyboomer sind dank dem Einfluss der Millennials besser informiert als vor zehn Jahren»
Allerdings ist dies immer weniger der Fall: Während grössere Banken versuchen, die Effizienz zu steigern und dem Berater mehr Kunden zuzuteilen, versuchen die als Boutique agierenden Privatbanken die Klientel ganzheitlich zu unterstützen.
Dementsprechend müssen die Banken für Veränderungen bereit sein: Der Generationenwechsel hat recht eigentlich schon begonnen, denn die Babyboomer verlangen mehr und sind dank dem Einfluss der Millennials besser informiert als noch vor zehn Jahren. Demnach wird der Anspruch an die Banken exponenziell steigen. Dabei muss sich jedes Finanzinstitut entscheiden, entweder Innovationen im Service-Modell oder im technologischen Bereich vorzunehmen. In beiden Fällen geht es um die sogenannte «User Experience» (Nutzererfahrung).
«Ihre Kundenbedürfnisse gehorchen extrem unterschiedlichen Trends»
Oder anders gesagt: Die Bank muss den Millennials etwas bieten. Heute geht es nicht mehr darum, Kunden «zu verwalten». Diese wählen die Inhalte und gestalten die Beziehungen selber. Für Millennials ist es kein «Erlebnis» und auch kein Service, nur ein Konto zu haben, um die geerbten Millionen zu parkieren. Ihre Kundenbedürfnisse sind vielfältig und gehorchen extrem unterschiedlichen Trends: Einerseits gibt es Kundengruppen, die gerne weniger Komplexität in der Depotstruktur haben wollen und aktiv oder passiv verwaltetet Fonds zur Vermögensabbildung schätzen.
Auf der anderen Seite sind die Investoren müde geworden, mit einer standardisierten Vermögensverwaltung monotone Vorschläge von den Banken zu erhalten, die wenig oder keine individuellen Wünsche berücksichtigen.
«Berater müssen zu ‹Banker plus› mutieren»
Die Millennials werden die Banken zum Umdenken zwingen: Die üblichen Bankkonti werden dabei schnell und ohne Probleme übertragen werden können – online, per Knopfdruck. Somit müssen Banken etwas bieten, das die Millennials in ihrer Interaktion mit der Bank befriedigt und einen Mehrwert darstellt. Sie interessieren sich weniger für Marken und Produkte, als vielmehr für die Lösung ihrer Bedürfnisse und Probleme. Millennials informieren sich online über solche Leistungen und suchen Empfehlungen von Freunden und Experten.
Damit Millennials sich um ihre echten Leidenschaften ausserhalb der Finanzwelt konzentrieren können, muss der Kundenberater zum «Banker plus» mutieren. Das bedeutet, näher an die Kunden zu rücken und die Tradition des Banking mit innovativen Angeboten zu ergänzen. Dazu zählen einerseits Dienstleistungen wie Verfügbarkeit, Schnelligkeit, Erfahrung und Finanz-Know-how.
Auf der anderen Seite sind konkrete Fertigkeiten im Bereichen Social Media gefragt, um interessante Angebote zu offerieren und einen Dialog mit den Kunden aufzubauen. Es ist eine ganzheitliche Betrachtung der Kundenkommunikation vonnöten. In der Praxis zeigt sich, dass ein beständiges Lernen notwendig ist, und eine Betreuung rund um die Uhr erforderlich sein wird. Kunden sind weltweit und in anderen Zeitzonen unterwegs und möchten ein Problem umso rascher löschen können.
Michael A. Welti ist Head Zürich und Managing Director im Wealth Management bei der Genfer Bankengruppe Reyl & Cie.
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