Ursula Finsterwald, LGT Head Group Sustainability, spricht im Interview über «Nachhaltigkeitsmüdigkeit» und wie aus Krisen Chancen entstehen können.


Ursula Finsterwald, Nachhaltigkeit ist zum Modewort geworden. Was unterscheidet den Ansatz der LGT von dem anderer Finanzdienstleister?

Ursula Finsterwald: Historie, Eigentümerstruktur und Glaubwürdigkeit. Im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen in der Finanzbranche ist das Thema für die LGT nicht neu. Wir haben den Nachhaltigkeitsgedanken bereits seit rund 20 Jahren in unser Denken und Handeln integriert – zu einer Zeit, als es bei vielen anderen noch keine Rolle spielte.

Diese frühe Erkenntnis verdanken wir unserer Eigentümerfamilie, die sich seit langem intensiv für Nachhaltigkeit einsetzt. Die Fürstenfamilie macht sich seit vielen Generationen Gedanken über die Auswirkungen ihres Handelns auf Mensch und Umwelt.

So ist dies ganz natürlich auch ins Denken und die Werte der LGT eingeflossen.

Wir haben in den letzten Jahren so viel über Nachhaltigkeit gehört, dass manch einer vielleicht meint, es sei zu viel des Guten...

Das ist durchaus verständlich. Wir werden von allen Seiten mit dem Thema konfrontiert, und da kann es einem manchmal etwas zu viel werden. Aber der Klimawandel hat einfach weitreichende und besorgniserregende Auswirkungen, die wir nicht ignorieren können.

«Die Umwelt geht jeden an»

Wir wollen doch auch den nächsten Generationen eine lebenswerte Welt hinterlassen. Wir sind uns bewusst, dass es (noch) keine perfekten Lösungen für die weitreichenden Herausforderungen gibt, es gibt aber viele Ansätze und auch Chancen, um den Klimawandel zu bekämpfen.

Und: Jede und Jeder sollte sich als Teil der Lösung verstehen, denn jeder Beitrag zählt und die Zeit drängt – daher kann es nicht zuviel des Guten sein.

Die LGT ist ein Finanzdienstleister und keine Umwelt-NGO.

Die Umwelt geht jeden an. Auch und gerade als Finanzdienstleister können und wollen wir eine positive Kraft sein. Als Wealth und Asset Manager haben wir die Möglichkeit Kapital gezielt zu allozieren. Der Klimawandel ist ein Megatrend unserer Zeit mit weitreichenden Auswirkungen auf die meisten denkbaren Dimensionen.

Und Aufgabe eines Finanzdienstleisters ist es, Megatrends zu erkennen, zu verstehen und entsprechend darauf zu reagieren. Auch im Sinne unserer Kundinnen und Kunden. Denn wenn sich die Welt grundlegend ändert, dann können Unternehmen sich auch so ausrichten, dass sie diese Veränderung in eine positive Richtung drehen und sie nutzen können.

Inwiefern arbeitet die LGT im Bereich Nachhaltigkeit mit anderen Finanzdienstleistern zusammen?

Im Kampf gegen den Klimawandel macht es Sinn, dass man die Kräfte bündelt, gemeinsam Lösungen diskutiert und gemeinsam investiert. Wir sind daher unter anderem aktives Mitglied von verbindlichen globalen Initiativen wie dem UN Global Compact, den UN Principles for Responsible Investment und den UN Principles for Responsible Banking.

Die LGT scheint im Bereich Nachhaltigkeit den Schwerpunkt auf Umweltthemen zu legen. Warum?

Klimawandel und Umweltthemen haben grossen Einfluss auf soziale Themen der nachhaltigen Entwicklungsziele der UN. Wir fokussieren uns daher auf einen Kern der Herausforderungen, um eine möglichst breite Wirkung zu erzielen. Biologische Ressourcen bilden beispielsweise die Grundlage für mindestens 40 Prozent der Weltwirtschaft.

«Wir wollen in unseren eigenen Investments bis 2030 netto null erreichen»

Die Vielfalt des Lebens auf der Erde in all ihren Formen zu erhalten, hat somit positive Auswirkungen auf den sozialen Zusammenhalt und die Wirtschaft.

Worauf konzentrieren Sie sich bei Investment-Themen?

Wir wollen in unseren eigenen Investments bis 2030 netto null erreichen und wollen unsere Kundinnen und Kunden so gut wie möglich dabei unterstützen, ihr Portfolio zu dekarbonisieren. Das geht auf der einen Seite, indem wir so viele Emission wie möglich bei den Portfoliounternehmen reduzieren – wir können sie zum Beispiel durch die Ausübung der Stimm- und Mitspracherechte der Aktionäre dazu ermutigen, Emissionen weiter zu verringern.

Oder wir können unsere Engagements in emissionsarme Unternehmen erhöhen und in emissionsreiche Unternehmen reduzieren. Eine weitere Möglichkeit ist, Investments in nettopositive Anlagelösungen zu tätigen, wie zum Beispiel Investitionen in erneuerbare Infrastruktur oder Rohstoffe wie Wald, was wir derzeit prüfen.

«All diese Massnahmen spielen eine wichtige Rolle in unserer Klimastrategie»

All diese Bemühungen tragen dazu bei, den CO2-Fussabdruck von Portfolios zu verringern. Trotzdem werden bis 2030 noch Restemissionen verleiben. Für diese Restemissionen bieten wir die Möglichkeit, durch die direkte Teilnahme am Carbon Markt Emissionszertifikate für Emissionsreduktionen oder Zertifikate für die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre (sogenannte Removals) zu erwerben.

All diese Massnahmen spielen eine wichtige Rolle in unserer Klimastrategie.

Und was erwartet die LGT von ihren Mitarbeitenden bezüglich ihres Umwelt- oder Sozial- Engagements?

Die LGT ermutigt ihre Mitarbeitenden, sich in ihrem lokalen Umfeld, aber auch darüber hinaus für Themen einzusetzen, die ihnen am Herzen liegen. Es ist schön zu sehen, wie viele sich jedes Jahr einbringen. Wir bieten zudem eine Plattform für das ehrenamtliche Engagement unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und unterstützen Initiativen wie B360 Education Partnerships, die afrikanische Studierende unterstützt.


Ursula Finsterwald ist seit 2011 Group Head of Sustainability Management bei LGT Private Banking. Sie ist Vizepräsidentin des Stiftungsrates der Klimastiftung Schweiz, Vorstandsmitglied des Global Compact Network Switzerland und Liechtenstein und Vorsitzende des Nachhaltigkeitsausschusses des Liechtensteinischen Bankenverbandes. Mit anderen Nachhaltigkeitsexpertinnen gründete sie 2023 ESG4Boards. Bevor sie 2011 zur LGT stiess, arbeitete Ursula Finsterwald als Projektleiterin und Beraterin bei BHP Brugger, einem Beratungsunternehmen für Corporate Social Responsibility im privaten und öffentlichen Sektor. Ihre Karriere begann sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundesamt für Umwelt (BAFU), nachdem sie an der Universität St. Gallen einen Master in Staatswissenschaften erworben hatte.