Klaus Breiner widerlegt in seinem exklusiven Essay für finews.first einige Vorurteile gegenüber Biotech-Risikokapital in der Schweiz.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


1. Biotech-Venture-Fonds gleichen einem Roulette-Rad der Börse.

Man muss zwischen biologischen und chemischen Medikamenten unterscheiden. Bei letzteren erreicht eines von 13 Präparaten den Markt, bei biologischen Präparaten schafft es dagegen jedes dritte. Die Forschung ist in den vergangenen 20 Jahren so weit fortgeschritten, dass man heute viel mehr zielgerichtete Medikamente entwickeln und besser präklinisch erproben kann – mit entsprechend deutlich höheren Erfolgsraten.

Hat ein Medikament schliesslich die Zulassung erhalten, gibt es meist auch einen sehr grossen Markt aufgrund des hohen medizinischen Bedarfs – im Gegensatz zu vielen Startups anderer Branchen, die teils gar keinen Markt haben.

2. Die Schweiz ist als Standort für Risikokapitalfirmen viel zu klein.

Dank ihrer exzellenten Hochschullandschaft und zwei der drei weltweit grössten Pharmakonzerne, Roche und Novartis in Basel, ist die Schweiz im Bereich Biotechnologie extrem stark.

Gemessen an der Bevölkerung gibt es überdurchschnittlich viele Firmen in diesem Sektor. Hinzu kommt: Etwa die Hälfte des Venture-Capitals in der Schweiz fliesst in Biotechfirmen.

3. In der Schweiz führen Biotechunternehmen ein Schattendasein.

Vielleicht abseits der breiteren Öffentlichkeit. Trotzdem wurden hier viele wichtige Technologien und Produkte entwickelt. Actelion zum Beispiel hat die erste Behandlung für den Lungenhochdruck entwickelt. Eine der ersten Biotechfirmen überhaupt, Biogen, wurde ursprünglich in der Schweiz gegründet und einige der Gründer waren Forscher von hier.

In der Zwischenzeit gibt noch viele weitere Erfolgsgeschichten aus der Schweiz, wie zum Beispiel Molecular Partners, Engmab, Neurimmune, Glycart oder Esbatech.

4. Die finanziellen Mittel für Engagements in Schweizer Biotech-Startups sind stark eingeschränkt.

Es gibt überdurchschnittlich viele so genannte Angel Investors, die in Biotech Startups investieren. Darüber hinaus haben Roche und Novartis eigene Venture-Fonds. Aber man hat erkannt, dass den Firmen hier immer noch zu wenig Venture-Capital zur Verfügung steht und versucht gegenzusteuern. So gibt es zahlreiche neue Initiativen für Venture-Capital, wie zum Beispiel den von Bundesrat Johann Schneider-Ammann mitinitiierten Swiss Entrepreneur Fund.

Grundsätzlich gäbe es sehr viel Kapital. Aber die Geldgeber zeigen sich allzu zögerlich, ihr Kapital jungen Firmen direkt oder über Venture-Capital Funds zur Verfügung zu stellen.

Bisweilen fehlt auch die Bereitschaft, Gelder langfristig zur Verfügung zu stellen. Genau das ist aber nötig beim Aufbau von Startups.

5. Die USA sind weltweit führend in Sachen Biotech, die Schweiz hinkt hinterher.

Die Schweiz und Europa sind bei der Entwicklung von innovativen Technologien und Produktideen mit führend. Gleichzeitig sind die Bewertungen in den USA derzeit deutlich höher.

Es gibt dort im Moment zu viel Kapital, das zu wenig guten Ideen hinterherläuft – ein typischer Verkäufermarkt also. Europa hingegen ist ein Käufermarkt, in dem sich noch das ein oder andere Schnäppchen finden lässt.

6. Der Kostendruck im Gesundheitssystem steigt immer weiter. Dann sollte man doch lieber gleich die Finger von der Branche lassen.

Medikamente kosten nicht nur, sondern helfen oft auch Kosten zu sparen. Wenn ein Alzheimer-Präparat etwa verhindern würde, dass es zum Ausbruch der Demenz und der damit verbunden Pflegekosten, lässt sich sehr viel Geld sparen.

Überhaupt machen Medikamentenkosten nur etwa zehn Prozent der Gesundheitskosten aus. Das Gros entfällt immer noch auf Pflege und Krankenhäuser.

7. Die Biotech-Branche ist wenig vielversprechend bei einem US-Präsidenten wie Donald Trump.

Donald Trump stellt sich nicht gegen Innovationen, wie beispielsweise eine bis zu 400'000 Dollar teure Car-T-Cell Therapie, die im vergangenen Jahr auf den Markt kam und hoch wirksam gegen seltene Krebsarten ist, von der auch Kinder betroffen sein können. Es geht ihm vielmehr darum, die Preise von bereits bestehenden Medikamente zu senken, die lange auf dem Markt sind und Jahr für Jahr teurer werden.

Nicht ohne Grund haben Biotech-Aktien einen Sprung gemacht, als Trump gewählt wurde. Im vergangenen Jahr hat er die US-Gesundheitsbehörde FDA mit dem neuen Comissioner Scott Gottlieb besetzt, unter dessen Leitung sich die Behörde geöffnet und sehr stark weiterentwickelt hat in Richtung schnellerer Zulassung von innovative Präparate.

Blickt man auf die reinen Fakten, ist der US-Präsident bis jetzt also eher Segen als Fluch für die Biotech-Industrie.


Klaus Breiner ist Managing Partner von BB Pureos Bioventures und seit 2004 Senior Investment Advisors Private Equity bei Bellevue Asset Management. Er ist Mitbegründer und Executive Chairman (2008 bis 20016) von Vaximm, einem deutsch-schweizerischen Immunonkologie-Unternehmen. Vor seinem Wechsel zu Bellevue war er Investmentmanager bei GLS Ventures in München. Er hat in zahlreiche Unternehmen wie Glycart, Intercell, Pevion, Vaximm und AM-Pharma investiert und ist Molekularbiologe sowie Chemiker.


Bisherige Texte von: Rudi BogniOliver BergerRolf BanzWerner VogtWalter WittmannAlfred Mettler, Robert HolzachCraig MurrayDavid ZollingerArthur BolligerBeat KappelerChris RoweStefan GerlachMarc Lussy, Nuno FernandesRichard EggerDieter RuloffMarco BargelSteve HankeUrs Schoettli, Maurice PedergnanaStefan Kreuzkamp, Oliver BussmannMichael BenzAlbert Steck, Andreas BrittMartin DahindenThomas FedierAlfred MettlerBrigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Thorsten PolleitKim IskyanStephen DoverDenise Kenyon-RouvinezChristian DreyerKinan Khadam-Al-JameRobert HemmiAnton AffentrangerYves Mirabaud, Hans-Martin KrausGérard GuerdatDidier Saint-GeorgesMario BassiStephen ThariyanDan SteinbockRino BoriniBert FlossbachMichael HasenstabGuido SchillingWerner E. RutschDorte Bech VizardAdriano B. LucatelliKatharina BartMaya BhandariJean TiroleHans Jakob RothMarco MartinelliBeat WittmannThomas SutterTom KingWerner PeyerThomas KupferPeter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Peter Hody, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Ralph Ebert, Marionna Wegenstein, Armin JansNicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio QuirighettiClaire Shaw, Michael A. WeltiPeter FanconiAlex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Claude Baumann, Sandro OcchilupoClaudia Kraaz, Will Ballard, Michael Bornhäusser, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Michel Longhini, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier und Shaul Lifshitz.