Wer kennt ihn nicht in der Schweizer Finanzbranche? Mehr als drei Jahrzehnte lang stand Jan Bielinski im Sold der Zürcher Traditionsbank Julius Bär und kommunizierte deren wechselvolle Entwicklung über mehrere Epochen hinweg. Seit 2018 frönt er seiner grössten Leidenschaft, die ihn um die halbe Welt reisen liess. Nun stellt der vom Banker zum Künstler mutierte Fotograf eine Auswahl an Bildern in Zug aus.  


Herr Bielinski, wie sind Sie zum Fotografieren gekommen?

Eine Kamera richtig genutzt habe ich ab Mitte der 1970er-Jahre. Ich finanzierte meine erste Spiegelreflexkamera durch den Verkauf meiner Briefmarkensammlung.

Wie und wann wurde aus dieser «Freizeitbeschäftigung» Kunst?

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Hongkong 2014 (Bild: Jan Bielinski)

Das war ein fliessender Übergang. Intensiver zu Fotografieren begann ich in den Nullerjahren. Nach meiner Pensionierung 2018 hatte ich dann endlich auch die nötige Zeit dazu.

Sie haben jahrzehntelang als Kadermann bei der Zürcher Traditionsbank Julius Bär gearbeitet. Haben Sie nie daran gedacht, die «Welt des Geldes» zu fotografieren?

Doch, ich hätte gerne einmal die Welt der Händler in der Bank fotografiert, habe aber aus Diskretionsgründen davon abgesehen.

Mit welchem Anspruch fotografieren Sie?

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Singapur 2017 (Bild: Jan Bielinski)

Für mich steht die Authentizität an erster Stelle. Meine Bilder sollen das wiedergeben, was ist und wie ich es sehe. Ich bearbeite Bilder nur ganz minimal, am liebsten gar nicht.

Wie würden Sie Ihren Stil beschreiben?

Was man «Street and Documentary Photography» kommt meinem Stil heute wohl am nächsten.

Warum nur Schwarz-Weiss-Aufnahmen?

Farben lenken oft ab. Das Faszinierende an der Schwarz-Weiss-Fotografie liegt in der Konzentration auf das Wesentliche. Kontraste, Licht, Schatten, etc. machen die Aussage eines Bildes intensiver und aus meiner Sicht spannender. Es ist letztlich eine andere Bildsprache.

Von welchen anderen Fotografen lassen Sie sich beeinflussen – und warum?

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St. Moritz 2011 (Bild: Jan Bielinski)

Fotografen wie etwa Henri-Cartier Bresson, Robert Capa oder André Kertész sind schon sehr schöne und inspirierende Beispiele.

Was sind für Sie Ihre aufregendsten, «unvergesslichsten» Aufnahmen?

Da gibt es natürlich einige. 1987 war ich zum ersten Mal in Südchina, wo ich fast frei fotografieren konnte. 2008 fotografierte ich in Peking die Hutongs, die traditionellen, engen Gassen in Peking, wo hunderttausende auf engstem Raum und unter einfachsten Bedingungen zusammenleben.

Im gleichen Jahr fuhr ich selbst gegen 4'000 Kilometer durch die Mongolei – ein einmaliges Erlebnis, auch fotografisch. Das kulturell Faszinierendste war wohl die Reise nach Usbekistan im Jahre 2015.

Gibt es ein verbindendes Element in Ihrer fotografischen Arbeit?

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Kirgisistan 2015 (Bild: Jan Bielinski)

Es das Streben nach Authentizität, die – gewollt und ungewollt – auch zu gesellschaftskritischen und politischen Aussagen verschiedenster Couleur führt.

Immer mehr lassen sich Bilder mit Künstlicher Intelligenz (KI) kreieren. Macht Ihnen das Sorgen?

Wir stehen diesbezüglich ja erst ganz am Anfang, und was in fünf und mehr Jahren möglich sein wird, können wir uns wohl noch kaum vorstellen. KI ist – positiv eingesetzt – etwas Faszinierendes. Über Zeit wird sich hier eine zusätzliche eigene Kunstgattung entwickeln.

Worin unterscheidet sich ein «echtes» Bild von einer «KI-Kreation»?

KI-Kreationen wirken eben (noch) «künstlich», aber eben weniger «künstlerisch» als ein echtes Bild.

Welcher Fotoauftrag würde Sie am meisten noch herausfordern, oder vereinfacht gesagt, welches Bild möchten Sie noch «schiessen»?

Jede Arbeit im urbanen Umfeld reizt mich. Und aktuell: Gerne würde ich noch ein Bild schiessen mit Wladimir Putin und Donald Trump zusammen in Zwangsjacken.


2787972 09.02.2016 Швейцарский фотограф Ян Белински на открытии своей экспозиции в рамках "Фотобиеннале-2016" в Мультимедиа Арт Музее. Владимир Песня/РИА Новости

(Bild: Natasha Polskaya)

Jan A. Bielinski lebt in Zug und ist ein Schweizer Fotograf, der mit seinen Schwarz-Weiss-Werken urbane Szenen und Alltagsmomente in ein neues Licht rückt. Bevor er sich vollständig auf die Kunstfotografie fokussierte, arbeitete er mehr als 34 Jahre für die Zürcher Traditionsbank Julius Bär, zuletzt als Mitglied der Geschäftsleitung. Seine Fotografien erzählen Geschichten von Schönheit, Kontrasten und der tiefen Verbindung zwischen Mensch und Stadt und wurden bereits in London, Moskau und Luzern ausgestellt. Unter dem Titel «Between Light And Shade – Eine visuelle Reise durch urbane Welten» ist vom 6.-29. März 2025 eine Auswahl an Bildern in der Galerie Gleis4 am Bahnhof Zug ausgestellt.