Falsche Nachrichten, sogenannte Fake News, erschweren das Investieren. Nicolas Roth, Fondsmanager bei der Genfer Privatbank Reyl, beschreibt auf finews.first ein Rezept dagegen.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


Was haben der US-Präsident Donald Trump und Ray Dalio, der Lenker des weltgrössten Hedgefonds Bridgewater Associates, gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht eben viel, mit einer Ausnahme: Kürzlich schimpften beide über die Medien, sie würden Fake News verbreiten.

Trump beschuldigte den US-Sender «CNN» und die «New York Times», eine verlogene Kampagne gegen ihn zu führen. Und Dalio echauffierte sich über das «Wall Street Journal», es würde falsch und verzerrt über Bridgewater berichten.

Seither ist der Ausdruck Fake News in aller Munde. Was aber ist genau unter diesem Begriff zu verstehen, und was müssen Investoren diesbezüglich beherzigen?

«Schlampig arbeitende Journalisten erweisen sich einen Bärendienst»

Falschmeldungen lassen sich in drei Kategorien einteilen: Erstens, die vorsätzliche Verbreitung von unwahren Informationen. In der Vergangenheit haben vor allem Politiker davon Gebrauch gemacht. Heutzutage haben Medien keinen Anlass mehr, solcherlei zu verbreiten, da Blogger und Faktenprüfer die Lügen der Politiker sehr schnell aufdecken.

Zweitens: Informationen von Journalisten, ohne dass sie die Quellen nochmals genau überprüft zu haben. Auch solche Irrmeldungen decken andere Medien schnell auf. Schlampig arbeitende Journalisten erweisen sich somit einen Bärendienst.

Die dritte und zugleich vielschichtigste Art von Falschmeldungen, ist jene, bei der eine Person in ein schlechtes Licht gerückt wird. Der kürzlich ausgebrochene Zwist zwischen Trump und der «New York Times» ist das beste Beispiel dafür. So erstaunt es nicht, dass kürzlich Steve Bannon, der Chefstratege im Weissen Haus, erklärte, die Medien stellten inzwischen die wahre Opposition in den USA dar.

«Komplexe Sachverhalte lassen sich nicht in ein paar Bullet Points erklären»

Der Streit zwischen Dalio und dem «Wall Street Journal» ist ein anderer, komplexer Fall von Fake News. Zum Hintergrund: Bridgewater ist mit verwalteten Kundengeldern von rund 150 Milliarden Dollar der grösste Hedgefonds der Welt. Die Anlageentscheide beruhen primär auf quantitativen Analysen und kaum auf Entscheidungen eigenen Ermessens.

In Finanzkreisen ist Bridgewater vor allem wegen den Prinzipien ein Begriff – eine Sammlung von 210 Lektionen und Regeln, die sich mit dem Leben im Allgemeinen und Dalios Management-Ideen befassen. Alle Angestellte müssen diese kennen.

Dalios Mitarbeiter messen sich gegenseitig mittels eines Bewertungssystems. Dieses wird auch benutzt, um die Stärken eines jeden Mitarbeiters zu erfassen. Dalio zufolge zählt es zu den grössten Tragödien der Menschheit überhaupt, keine systematische Handhabe zu haben, um die Ideen und Gedanken der Menschen zu heben. Es liegt auf der Hand, dass eine solche komplexe Organisation wie sie Bridgewater lebt, nicht adäquat in ein paar Bullet Points zu erklären ist.

«Maschinen übernehmen verstärkt die Steuerung der Finanzmärkte»

Wie man sich leicht vorstellen kann, umgibt Bridgewater eine geheimnisvolle Aura, die in der Finanzwelt einzigartig ist. Dalio willigte in ein Interview mit dem «Wall Street Journal» ein, mit der Vorstellung, en Detail auf die Arbeitskultur bei Bridgewater einzugehen und aufzuzeigen, dass er ein effizientes System hinsichtlich Interaktion zwischen Menschen und Ressourcenallokation schuf. Das Blatt machte daraus einen Artikel, das Bridgewater als repressives und sonderbares Unternehmen darstellt.

Dalio zufolge hat dieser Artikel Bridgewater geschadet. Vor diesem Hintergrund gab das britische Branchenportal «Business Insider» Dalio im vergangenen Januar die Möglichkeit, eine Reihe von Mythen zu entmystifizieren. Doch was lässt sich daraus folgern?

Tatsache ist: Finanzmärkte werden immer komplexer, ihre Steuerung erfolgt mehr und mehr durch Maschinen. Nicht nur reagieren sie auf Fakten, sondern auch auf News und diese stammen aus unterschiedlichsten Quellen – verlässliche und wenig vertrauensvolle.

So haben beispielsweise diverse Investmentfirmen Nachrichten-Analyse-Tools entwickelt, die börsenrelevante Tweets aufspüren, interpretieren und aufgrund dessen Kaufs- und Verkaufsentscheidungen fällen. Je nach Aktie, Tageszeit und Liquidität im Markt können solche Systeme den Kursverlauf von Aktienpreisen signifikant beeinflussen.

«Komplexe Finanzmärkte verlangen eine komplexe Analyse»

Die Berichterstattung von Nachrichtenagenturen wie Reuters oder Bloomberg gilt zwar als hochqualitativ und vertrauensvoll. Der Nachrichtendienst Twitter hingegen kennt keine Faktenchecks noch Qualitätskriterien für eine Publikation. Jeder kann irgendwelche Meldungen verbreiten.

Normalerweise ist der Einfluss solcher Meldungen limitiert und nur von kurzer Dauer. Da Anlageentscheide aber mehr und mehr an Maschinen delegiert werden, ist nicht auszuschliessen, dass es eines Tages zu einem grossen Börsenereignis kommt, das ausschliesslich auf Falschmeldungen beruht.

Zwischen dem Fall Bridgewater und der Situation an den Finanzmärkten gibt es starke Gemeinsamkeiten. Komplexe Finanzmärkte bedürfen einer komplexen Analyse bevor Investmententscheide gefällt werden.

Genauso wie Journalisten komplexe Situationen mit plakativen Aussagen und stark verknappen, laufen Anleger Gefahr, einer Investmentidee aufzusitzen, die auf einer rudimentären Analyse beruht.

«Lassen Sie sich nicht in Versuchung führen»

Eine breitabgestützte Investmententscheidung bedarf einer umfassenden Analyse und kann nicht auf News-Schlagzeilen beruhen. Vielmehr braucht es jemanden, der die Finanzkennzahlen unter die Lupe nimmt, fundamentale Analysen und eine ganzheitliche Sicht erstellt.

Egal ob bei Nachrichten oder Investments, letztlich sind eine gründliche Analyse und eine Due Diligence unerlässlich. Anleger sollten dies beherzigen, wenn ein Investment als zu verlockend erscheint.

Denn womöglich ist es unklug, der Idee zu folgen, ohne vorher die Hausaufgaben erledigt zu haben. Auch in einer Welt der High-Speed-Kommunikation mit 140 Zeichen bleiben Faktenprüfung und unabhängige Recherchen von höchster Wichtigkeit.


Nicolas Roth ist Co-Manager des Fonds Reyl Resurgence. Gemeinsam mit seinem Fondspartner ist er ferner für Research, Einzeltitelauswahl und Anlageberatung für alternative Fonds bei Reyl zuständig. Bevor Roth 2009 zur Reyl-Gruppe stiess war der Ökonom bei HBK Investments Advisory und der Standard Chartered Bank für Analysen im Bereich quantitative Strategien, Credit-Arbitrage und Fixed Income sowie für das Risikomanagement von Vermögenswerten von mehr als einer Milliarde Dollar zuständig.


Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Peter Kurer, Oliver Berger, Rolf Banz, Samuel Gerber, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Thorsten Polleit, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Samuel Gerber, Nuno Fernandes, Beat Wittmann, Richard Egger, Didier Saint-Georges, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Katharina Bart, Oliver Bussmann, Michael Benz, Albert Steck, Andreas Britt, Martin Dahinden, Thomas Fedier, Alfred Mettler, Frédéric Papp, Brigitte Strebel, Peter Hody, Mirjam Staub-Bisang, Guido Schilling, Claude Baumann und Adriano B. Lucatelli