In zehn Jahren oder weniger werden vermögende Privatkunden auf Künstliche Intelligenz setzen, um ihre Rendite an den Finanzmärkten zu optimieren, schreibt die IMD-Professorin Denise Kenyon-Rouvinez.
Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.
Die vierte Industrierevolution umfasst künstliche Intelligenz, Big Data und das Internet der Dinge, und bringt viele Herausforderungen für Privatbanken, insbesondere in der Vermögensverwaltung. Die finanzinstitute werden sich anpassen müssen, um ihre Führungsposition bei den Dienstleistungen für Vermögende und sehr vermögende Kunden (High-Net-Worth-Individuals, HNWIs, respektive Ultra-High-Net-Worth-Individuals, UHNWIs) behalten zu können.
Der technologische Wandel wird die Banken zwingen, ihre Personalstruktur auf allen Ebenen zu verändern, von Mitarbeitenden in den Geschäftsstellen bi shin zu Händlern, und sie werden mehr in Sicherheit investieren müssen. Doch gleichzeitig mit der Technologie wächst auch der Markt. Das Verhalten, Hintergrundwissen und die Präferenzen der Kunden verändern sich rapide. Finanzinstitute müssen deshalb einen neuen Ansatz entwickeln und ihre Interaktionen mit Anlegern und Beziehungen zu Kunden neu gestalten.
«Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Banken die Sorgen ihrer Kunden verstehen»
HNWIs der nächsten Generation, insbesondere der Generation Y, sind besser über Anlagemöglichkeiten informiert. Sie wollen aktiver mitentscheiden und genauer wissen, wie Renditen generiert werden. Angesichts der tiefen Zinssätze und der hohen Volatilität der vergangenen Jahre ziehen Anleger direkte Investitionen in Unternehmen gegenüber Portfolio-Investititionen vor.
Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Banken die Sorgen und Beweggründe ihrer Kunden durch engere Beziehungen besser verstehen und auch den Kundenentstehungsprozess, also die Verfahren zur Überprüfung potenzieller Anleger, überarbeiten. Spätestens in zehn Jahren werden HNWIs auf künstliche Intelligenz (KI) setzen, um ihre Rendite an den Finanzmärkten zu optimieren. Doch um Unternehmen für Direktinvestitionen auszuwählen, werden sie sich weiterhin ausschliesslich auf die Stimme des Beraters ihres Vertrauens verlassen.
Privatbanken werden dank ihrer soliden Beziehungen zu HNWI-Kunden auch auf neue Konkurrenten reagieren können. Potenzielle künftige Marktteilnehmer wie Amazon, Google and Facebook waren bislang nicht in der Finanzbranche tätig, doch sie verfügen über E-Geld-Lizenzen.
«Was ihnen eindeutig fehlt, ist die Stärke einer langfristigen Kundenbeziehung»
Wir wissen, dass diese Mischkonzerne eine gewaltige Menge an Daten über die Gewohnheiten und Vorlieben ihrer Nutzer besitzen und durch Big Data im Finanzsektor Fuss fassen könnten, wie sie es bereits in anderen Branchen getan haben. Kleinere Technologiefirmen haben sich auf vielen Märkten erfolgreich im austrebenden Fintech-Sektor etabliert. Einige konkurrieren mit herkömmlichen Finanzinstituten und verkaufen Finanzdienste direkt an Kunden. Andere haben Partnerschaften mit Banken aufgebaut, um eine neue Palette an Dienstleistungen anbieten zu können.
Diese kleinen und grossen Unternehmen haben die Fähigkeit, massgeschneiderte Technologien und Sicherheitssysteme für den Finanzsektor zu entwickeln. Was ihnen allerdings fehlt, ist die Stärke einer langfristigen Kundenbeziehung, wie sie Privatbanken über Jahre zu HNWI-Kunden aufgebaut haben.
«Diese Beziehungen haben eine Qualität und Exklusivität, die Tech-Riesen nie bieten können»
Jeder sucht Informationen über Google, verwendet Facebook oder kauft auf Amazon ein, auch HNWIs. Doch HNWIs pflegen engere und persönlichere Vertrauensbeziehungen zu ihren Privatbanken. Diese Beziehungen haben eine Qualität und Exklusivität, die Tech-Riesen mit ihrem Mainstream-Charakter nie werden bieten können.
Ähnlich sieht es in der Modebranche aus: HNWIs kaufen vielleicht ab und zu ein T-Shirt bei Zara oder Mango, doch für auserlesene und langlebige Artikel, wie Lederwaren, Uhren oder Schmuck, bleiben sie den traditionellen Luxusmarken wie Hermes, Prada oder Cartier treu.
Fintech kann entscheidend dazu betragen, die Vorreiterrolle von Privatbanken im Finanzsektor zu bewahren. Die schnellen Fortschritte bei der Finanzdienstleistungs-Technologie und der potentielle Störeffekt neuer Markteinsteiger sollten Banken dazu anregen, ihre eigene Technologie zu entwickeln. Hier bietet sich auch Raum für kreative neue Ansätze, durch die Fintech die Beziehungen zwischen Privatbanken und ihren Kunden stärken kann.
«Partnerschaften sind die beste Lösung, um sich in der vierten Industrierevolution zu etablieren»
Im Zentrum des Wettbewerbsvorteils einer Bank und entscheidend für ihr langfristiges Bestehen an der Spitze der Finanzbranche ist die Qualität und Tiefe ihrer Kundenbeziehungen.
Partnerschaften mit Fintech-Unternehmen, um Zusammenarbeit und Kundenbeziehungen zu verbessern und die jeweiligen Stärken beider Partner optimal zu nutzen, könnten die beste Lösung sein, um sich auch in der vierten Industrierevolution als Spitzenreiter zu etablieren.
Denise Kenyon-Rouvinez ist die Wild Group Professorin für Familienunternehmen und Familienvermögen und Direktorin des Global Familiy Business Center am IMD. Der vorliegende Beitrag entstand unter der Mitwirkung von Enrica Sighinolfi. Sie ist Gründungsmitglied des Opportunity Network, einer Plattform, welche die Kunden der renommiertesten Banken mit sich bietenden Geschäftsmöglichkeiten in Verbindung bringt. Die Plattform umfasst rund 14'000 CEOs und HNWIs aus 128 Ländern und das Gesamtvertragsvolumen beläuft sich auf über 35 Milliarden Dollar.
Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Peter Kurer, Oliver Berger, Rolf Banz, Samuel Gerber, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Samuel Gerber, Nuno Fernandes, Beat Wittmann, Richard Egger, Didier Saint-Georges, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Katharina Bart, Oliver Bussmann, Michael Benz, Albert Steck, Andreas Britt, Martin Dahinden, Thomas Fedier, Alfred Mettler, Frédéric Papp, Brigitte Strebel, Peter Hody, Mirjam Staub-Bisang, Guido Schilling, Claude Baumann, Adriano B. Lucatelli, Nicolas Roth, Thorsten Polleit, Kim Iskyan, Dan Steinbock und Stephen Dover.