Bank Reyl: Finma-Korrespondenz geleakt
Dass die Bank Reyl in puncto Compliance nicht gerade eine Musterschülerin ist, dürfte nach den Gerichtsverfahren und Medienberichten der vergangenen Jahre niemanden wirklich überraschen. Doch nun lassen geleakte Dokumente erneut tief blicken.
Dem internationalen Journalistennetzwerk «Organized Crime and Corruption Reporting Project» (OCCRP) liegen Dokumente vor, die einen Einblick in die Untersuchung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht Finma in die Geschäftspraktiken der Genfer Privatbank Reyl gewähren.
Interessenskonflikte, mangelnde Sorgfalt beim Umgang mit politisch exponierten Personen und Schwächen im Bereich der Geldwäsche, das sind die Themen, um die es in den nun aufgetauchten Schriftwechseln zwischen Aufsicht und Bank dreht.
«Sehr hohe Risikobereitschaft»
Aus der Korrespondenz geht hervor, dass die Schweizer Finanzaufsichtsbehörde ab 2022 gegen Reyl ermittelt hat. So seien bei einer Vor-Ort-Kontrolle der Finma im Sommer 2023 «eine sehr hohe Risikobereitschaft im Bereich der Geldwäscherei sowie eine gewisse Nachlässigkeit bei der Erfüllung Ihrer Sorgfaltspflichten» festgestellt worden.
Gemäss einem Schreiben an die Bank vom Januar 2024 leitete die Finma ihre Ermittlungen an ihren Enforcement-Bereich weiter, der Verstösse gegen das Aufsichtsrecht untersucht.
Die Finma kann zwar keine Anklage erheben, aber sie kann bei den Schweizer Strafbehörden Anzeige erstatten – und ist verpflichtet, diese zu benachrichtigen, wenn sie Unternehmens- oder Geschäftsbetrug feststellt. Sie kann auch eine Banklizenz entziehen, illegal erwirtschaftete Gewinne konfiszieren und ein Branchenverbot gegen einzelne Bankiers aussprechen.
«Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Finma gegen Reyl eine Beschwerde eingereicht oder andere Durchsetzungsmassnahmen ergriffen hat», heisst es bei OCCRP. Man könne sich nicht zu konkreten Fällen äussern, hiess es demnach von der Behörde.
Vor allem Russland-Connection im Visier
Laut den Dokumenten musste Reyl etwa innerhalb von drei Monaten einen Rückstand von 5’000 Warnmeldungen zu risikoreichen Transaktionen aufarbeiten. Gleichzeitig überprüfte sie alle Kundendateien, um deren Risikoniveau neu zu bewerten. Mehr als 1’400 von ihnen waren mindestens fünf Jahre lang nicht geprüft worden. Zudem wurde der Ausschuss reformiert, der über die Kundenannahme entscheidet. Dieser habe zu oft die Stellungnahmen der Compliance-Abteilung ignoriert.
Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine wurden zudem viele Kundenbeziehungen heikel. Im Januar 2024 habe sich die Bank auf Druck der Finma bereit erklärt, bis Ende des Jahres rund 300 bestehende Konten mit «Verbindungen» zu Russland zu schliessen, die insgesamt ein Volumen von knapp 1 Milliarde Euro ausmachten.
Als kritische Kundenbeziehungen werden beispielsweise die Verbindungen zum russischen Ex-Minister Leonid Reiman, der Familie des aserbaidschanischen Machthabers Ilham Alijew oder der usbekischen Präsidententochter Lola Karimova genannt. Auch die französische Zeitung «Le Monde» befasst sich in einem Bericht ausführlich mit den Reyl-Kundenbeziehungen.
Anzeige gegen Unbekannt
Reyl lehnte es ab, sich zu konkreten Fällen zu äussern, erklärte aber, dass sie «mit den Aufsichtsbehörden in vollem Umfang kooperiert, der Einhaltung aller geltenden Vorschriften höchste Priorität einräumt und sich kontinuierlich um die Verbesserung ihrer internen Prozesse und Kontrollen bemüht».
Die Bank habe zudem Anzeige gegen Unbekannt eingereicht und bei den Schweizer Behörden aufgrund der Fragen eine Beschwerde gegen OCCRP und deren Medienpartner eingereicht: «Die von Ihnen übermittelten Informationen sind vertraulich und unterliegen dem Bankgeheimnis nach Schweizer Recht.»
Über die Ermittlungen der Finma hatte im vergangenen Herbst bereits «Inside Paradeplatz» berichtet. Einen kritischen Blick auf die Rolle der Alt-Bundesrätin Ruth Metzler-Arnold im Verwaltungsrat der Bank Reyl wirft, zudem der «Tagesanzeiger», und stütz sich dabei ebenfalls auf den OCCRP-Bericht.