«Man trifft sich immer zweimal» sei ein Leitsatz, der sich auf alle zwischenmenschlichen und geschäftlichen Beziehungen anwenden lasse, sagt Mirjam Staub-Bisang. «Insofern sollten wir auch bei Differenzen so miteinander umgehen, dass wir keine «verbrannte Erde» hinterlassen und auch zu einem späteren Zeitpunkt respektvolle Begegnungen möglich sind», findet sie im Interview.
Mirjam Staub, auf welchen Werten beruhen Ihre täglichen Handlungen, Entscheidungen, Pläne?
Nachhaltiges Wirtschaften ist für mich ganz wichtig. Das fängt im eigenen Haushalt an und erstreckt sich auf die gesamte globale Wirtschaft. Die Gesellschaft erwartet zunehmend, dass private und öffentliche Unternehmen drängende soziale und wirtschaftliche Fragen angehen. Insofern werden Unternehmen, die ihrem Zweck und ihrer Verantwortung gegenüber den beteiligten Interessengruppen gerecht werden, langfristig davon profitieren.
Das hat auch BlackRock-CEO Larry Fink Anfang 2019 in seinem jährlichen Brief an die Vorstände der Unternehmen, in die BlackRocks Anleger investiert sind, deutlich gemacht. Der Zweck eines Unternehmens ist nicht das alleinige Streben nach Gewinnen, sondern die treibende Kraft, um diese zu erreichen.
Was treibt Sie an?
Der Gedanke der langfristigen Geldanlage. Wir sind Treuhänder und stehen langfristig an der Seite unserer Kunden, für die wir diese Verantwortung wahrnehmen. Kontinuität ist hier zentral. Zum einen verwalten wir treuhänderisch das Vorsorgekapital unserer Kunden, das bei Pensionskassen liegt. Zum andern unterstützen wir sie mit unseren Anlagelösungen, ihr Erspartes zu investieren und so langfristig zu mehren. Es ist wichtig, Menschen – und insbesondere auch junge Menschen – stärker für das Thema frühzeitige finanzielle Altersvorsorge zu sensibilisieren.
Die Schweizer nehmen dieses Thema zwar ernster als viele andere, wie der Blackrock Global Investor Pulse zeigt. Demnach sorgen hierzulande rund zwei Drittel, genauer: 69 Prozent, speziell für den Ruhestand vor. Ausserdem bin ich zutiefst überzeugt von den Vorzügen nachhaltigen Investierens. So kann Sustainable Investing – sprich: Anlegen nach ökologischen, sozialen und Governance-Gesichtspunkten – nicht nur einen positiven gesellschaftlichen Beitrag leisten, sondern auch das Risiko eines Portfolios deutlich reduzieren und so die Rendite langfristig steigern.
Zahlreiche Studien belegen, dass nachhaltiges Investieren keine Rendite kostet. Im Gegenteil: Langfristig lassen sich sogar bessere Anlageergebnisse erzielen. Denn nachhaltiges Wirtschaften steigert langfristig den Wert eines Unternehmens.
Welche Ziele verfolgen Sie – beruflich wie privat?
Ich halte es privat wie beruflich für wichtig, kalkulierbare Risiken einzugehen. Daher wäge ich vor wichtigen Entscheidungen grundsätzlich ab: Welche Szenarien sind denkbar? Welche Chancen und Risiken sind damit verbunden – speziell im Worst-Case-Szenario? Die entscheidende Frage, die ich mir dann stelle, lautet: Bin ich bereit, dieses Risiko zu akzeptieren?
Diese Herangehensweise ist auch einer meiner beruflichen Leitsätze. Denn im Asset Management geht es um die treuhänderische Verwaltung von Kundenvermögen. Ein Grossteil davon dient der finanziellen Altersvorsorge der Menschen, woraus eine grosse Verantwortung erwächst.
Haben Sie jemals eine berufliche Entscheidung bereut?
Nein. Vielmehr denke ich, dass jede meiner beruflichen Stationen auf der anderen aufbaute. Meine Tätigkeit als Juristin hat beispielsweise dazu geführt, dass ich sehr auf Details achte – was etwa bei der Analyse von Investorenprofilen oder bei der Due Diligence von Anlageopportunitäten hilfreich ist.
Aus meiner Zeit als Bankerin im Bereich M&A, Corporate Finance und Private Equity weiss ich, welche Chancen illiquide Investments an Privatmärkten bieten – etwa Infrastruktur und Immobilien – und worauf es dabei ankommt. Der Fokus auf nachhaltige Geldanlagen, den ich als selbständige Unternehmerin im Asset Management hatte, kommt angesichts der zunehmenden Bedeutung solcher Anlagestrategien vermehrt zum Tragen.
Was macht Ihnen an Ihrem Job am meisten Spass, was am wenigsten?
Gerade die Vielseitigkeit ist es, die für mich den Reiz meiner Tätigkeit ausmacht. Blackrocks Kunden haben unterschiedliche Bedürfnisse. Für Pensionskassen oder Versicherungen verwalten wir ihr gesamtes Anlage-Portfolio oder einzelne Bereiche, Privatbanken setzen unsere Anlageprodukte als Bausteine in der Vermögensverwaltung für Kunden ein.
Wir offerieren aktiv verwaltete und indexbasierte Anlagelösungen, bieten Zugang zu Aktien-, Obligationen- und Multi-Asset-Strategien ebenso wie zu illiquiden Privatmärkten, etwa in den Bereichen Private Equity, Private Debt, Infrastruktur oder Immobilien. Hinzu kommen übergreifende strategische Themen wie Sustainable Investing und Technologielösungen im Asset Management und die tägliche Arbeit in einem globalen Netzwerk aus Anlageexperten rund um die Welt.
Jeder dieser Aspekte trägt zu einem anspruchsvollen, abwechslungsreichen und damit aus meiner Sicht interessanten Arbeitsumfeld bei.
Welche Leitsätze oder Führungsprinzipen verfolgen Sie?
«Man trifft sich immer zweimal» ist ein Leitsatz, der sich auf alle zwischenmenschlichen und geschäftlichen Beziehungen anwenden lässt. Insofern sollten wir auch bei Differenzen so miteinander umgehen, dass wir keine «verbrannte Erde» hinterlassen und auch zu einem späteren Zeitpunkt respektvolle Begegnungen möglich sind. Dabei sind Grossmut und Toleranz wichtig.
Wo finden Sie in Ihrer Freizeit den Ausgleich?
Bei meiner Familie. Wann immer möglich, bin ich zum Frühstück und Abendessen zuhause. Dafür stehe ich auch schon mal früher auf oder arbeite, wenn die Kinder im Bett sind. Sport und vor allem auch Joggen mit unserem Hund ist für mich ebenfalls sehr wichtig, um den Kopf frei zu bekommen.
Auf was könnten Sie in Ihrem Leben nicht verzichten?
Auch wenn es vielleicht seltsam klingt: auf Arbeit. Vermutlich ist das in meiner DNA verankert. Schliesslich hat meine Mutter gearbeitet, bis sie 85 Jahre alt war.
Was würden Sie heute einem Berufseinsteiger im Asset Management, also Ihrem jüngeren Selbst empfehlen?
Menschen fühlen sich mehr und mehr überfordert – durch Hyperkonnektivität, ständige Verfügbarkeit und eine steigende Informationsflut. Um dem entgegenzuwirken, empfehle ich im Arbeitsalltag den bewussten Verzicht auf Multitasking. Denn Multitasking macht uns ineffizient, zerstreut und vermindert unsere kognitive Leistungsfähigkeit.
Dagegen schafft serielles Monotasking Zeiträume, in denen man sich hochkonzentriert und effizient einer bestimmten Aufgabe widmen kann. Dies führt zu besseren Arbeitsergebnissen und macht das Arbeiten sehr befriedigend.
Wofür sind Sie dankbar?
Dafür, dass unsere Gesellschaft zunehmend Chancengleichheit schafft. Beispielsweise gab es zu Beginn meiner Karriere nur wenige Frauen in Führungspositionen, vor allem nicht in der Finanzbranche. Inzwischen hat sich die Situation deutlich verbessert. Frauen erhalten heute berufliche Chancen, die vor zehn oder zwanzig Jahren noch undenkbar schienen.
Was ist für Sie im Alter wichtiger, was weniger wichtig?
Resilienz gegenüber Stress wird in unserer Gesellschaft allgemein wichtiger, denke ich. Damit gemeint ist die psychische Widerstandsfähigkeit, um belastende Lebenssituationen gelassen zu bewältigen. Auch im mittleren Lebensabschnitt, wenn die Belastung mit Beruf, Kindern und Eltern am grössten ist, lässt sich Resilienz trainieren. Dabei stehen Achtsamkeitsübungen und Meditation ganz vorne. Im Arbeitsalltag eignen sich Massnahmen wie der bewusste Verzicht auf Multitasking.
Welches Buch lesen Sie gerade?
Da ich mich beruflich aktuell stark mit strategischen Themen auseinandersetze, lese ich «Blue Ocean Shift» die INSEAD-Professoren W. Chan Kim und Renée Mauborgne. Darin wird ein Ansatz zur Entwicklung von Unternehmensstrategien vorgestellt, bei dem die Annahmen einer Branche in Frage gestellt werden – dies mit dem Ziel, sich vom Wettbewerb in existierenden, umkämpften Märkten wegzubewegen und neue Märkte zu schaffen.
Mirjam Staub-Bisang ist die Schweizer Länderchefin des US-Asset-Managers Blackrock. Sie ist seit November 2018 im Amt und agiert auch als Senior Advisor für Sustainable Investing. Sie verfügt über rund 20 Jahre Erfahrung in der Finanzbranche mit Schwerpunkt im Asset Management. Die promovierte Juristin begann ihre Karriere als Anwältin. Es folgten berufliche Stationen als Analystin für Kapitalmarkttransaktionen und M&A sowie als Marktverantwortliche im Bereich Hedgefonds bei Grossbanken wie auch als Investorin für Private Equity-Anlagen bei einem Schweizer Versicherungskonzern. Im Jahr 2005 gründete sie gemeinsam mit ihrem Bruder das auf nachhaltige Anlagen spezialisierte Vermögensverwaltungs- und Beratungsunternehmen Independent Capital Group, dessen operative Führung sie bis 2018 innehatte. Mit ihrem Mann Martin Bisang, Mitgründer der Bellevue Group, hat sie drei Kinder. Die Familie lebt am Zürichsee.
Dieser Beitrag erscheint in Zusammenarbeit mit der Asset Management Platform.