Dass der Bitcoin kein Freund des Grossbankers ist, darf nicht erstaunen. Bitcoin ist ein Resultat des tiefen Misstrauens gegenüber dem etablierten Finanz- und Bankensystem. Sein Erschaffer Satoshi Nakamoto wollte eine dezentrale Währung, mit der die zentral gesteuerte Geldpolitik und die Banken als Intermediäre umgangen werden können.

Während Finanzinstitute unter der Regulierungslast ächzen, hat sich eine (noch) weitgehend unregulierte Parallelwelt der Kryptowährungen entwickelt, in der sich Leute tummeln, die früher an den Börsen zockten und den Banken Erträge bescherten.

«Bitcoin ist das Gesicht der Digitalisierung des Finanzsystems und somit sein Schreckgespenst»

Fast ein Jahrzehnt lang haben die Banken versucht, diese Kunden für die anhaltende Aktienrally zu begeistern, und nun müssen sie untätig dem grössten Investmentboom der Dekade zuschauen, ohne daran mitzuverdienen. Bitcoin ist das Gesicht der Digitalisierung des Finanzsystems und somit das Schreckgespenst der alten Welt des Banking, die dem Krypto-Boom bislang ungläubig zuschaute. 

Die totale Verweigerung gegenüber Bitcoin, die von hochdekorierten Bankern wie J.P. Morgan-CEO Jamie Dimon oder UBS-Verwaltungsratspräsident Axel Weber vorgetragen wird, ist hingegen nicht haltbar. Kein Private Banker in Zürich mit dem finews.ch gesprochen hat, der nicht einräumt, dass eine steigende Anzahl ihrer Kunden an der Bitcoin-Rally teilnehmen wollen oder gar im Krypto-Geschäft ein Vermögen gemacht haben.

Noch ist Bitcoin für die Banken ein «Execution only»-Geschäft. Sie führen Transaktionen über Drittplattformen auf Kundenwunsch aus, mehr nicht. Anlagerichtlinien und Regulierung erlauben nicht mehr. Dennoch denken Investmentkomitees in den Banken derzeit intensiv darüber nach, mit Bitcoin oder Kryptowährungen eine weitere Anlageklasse zu schaffen.

«Der drohende Bitcoin-Kollaps ist vielmehr eine blosse Drohkulisse»

Die Bresche haben die Chicagoer Börsen CME und CBOE mit der Aufnahme des Handels von Bitcoin-Futures geschlagen. Ob damit die viel zitierten systemischen Risiken zunehmen, ist zweifelhaft. Ein möglicher Kollaps des Finanzsystems im Falle eines totalen Bitcoin-Crashes ist vielmehr eine Drohkulisse als ein erneuertes Lehman-Brothers-Szenario.

Auslöser der letzten Finanzkrise war der Crash des US-Immobilienmarktes, von dem jedes Bankinstitut glaubte, er sei bombensicher. Die Bitcoin-Futures-Verkäufer CME und CBOE sind sich des Risikos hingegen äusserst bewusst, dass die Kryptowährung jederzeit crashen kann.

Wenn es derzeit danach aussieht, dass Bitcoin ein reines Spekulationsobjekt bleiben wird und sich aufgrund der technischen Unzulänglichkeiten kaum aus seiner Nische als Transaktionswährung heraus bewegen wird, tun Banken dennoch gut daran, den boomenden Kryptowährungsmarkt aus der Nähe zu beobachten. Vielmehr täten sie auch gut daran, Krypto-Know-how in den eigenen Anlagekomitees aufzubauen.

«Von den Blockchain-Entwicklungen der Banken wird beim Kunden wenig ankommen»

Die mantrahafte Verehrung der Blockchain durch Banker unter Ausschluss von Bitcoin, dem bislang erfolgreichsten Produkt dieser ohne Zweifel bahnbrechenden Technologie, droht am Bankkunden völlig vorbeizugehen. Die Finanzindustrie stürzt sich in erster Linie auf die Blockchain-Technologie, um durch neue Anwendungen ihre horrenden Kosten senken zu können. Von diesem Effekt wird beim Kunden am wenigsten ankommen.

Bitcoin mag noch nicht das Gelbe vom Ei dieser technologischen Revolution sein. Doch ganz offensichtlich trifft die Kryptowährung Bedürfnisse potenzieller Bankkunden. Den Boom und Bitcoin als gefährlichen Hokuspokus abzutun, widerspricht dem Versprechen der Banken, den Kunden ins Zentrum ihrer Aktivitäten zu stellen.


Bisherige Texte von: Rudi BogniOliver BergerRolf BanzSamuel GerberWerner VogtWalter WittmannAlfred Mettler, Robert HolzachCraig MurrayDavid ZollingerArthur BolligerBeat KappelerChris RoweStefan GerlachMarc LussySamuel Gerber, Nuno FernandesRichard EggerDieter RuloffMarco BargelSteve HankeUrs Schoettli, Maurice PedergnanaStefan Kreuzkamp, Oliver BussmannMichael BenzAlbert Steck, Andreas BrittMartin DahindenThomas FedierAlfred MettlerBrigitte StrebelPeter HodyMirjam Staub-BisangNicolas RothThorsten PolleitKim IskyanStephen DoverDenise Kenyon-RouvinezChristian DreyerKinan Khadam-Al-JameWerner E. RutschRobert HemmiClaude BaumannAnton AffentrangerYves MirabaudHans-Martin KrausGérard GuerdatDidier Saint-GeorgesMario BassiStephen ThariyanDan SteinbockRino BoriniBert FlossbachMichael HasenstabGuido SchillingWerner E. RutschDorte Bech VizardAdriano B. LucatelliKatharina BartMaya BhandariJean TiroleHans Jakob RothMarco MartinelliBeat WittmannThomas SutterTom KingWerner PeyerThomas KupferPeter Kurer, Arturo Bris, Michel Longhini, Frédéric Papp, Claudia Kraaz und James Syme.