Finma will mehr Instrumente, aber nicht mehr Regeln
Die Finanzmarktaufsicht legt Rechenschaft über ihr Wirken im vergangenen Jahr ab. Und sie lässt die Gelegenheit nicht ungenutzt, um Position z.B. gegenüber der Kryptobranche zu markieren und Forderungen in Bezug auf ihr künftiges Instrumentarium zu bekräftigen.
Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) hat an ihrer Jahresmedienkonferenz vom Dienstag die aus ihrer Sicht wichtigsten Entwicklungen auf dem Schweizer Finanzplatz 2024 Revue passieren lassen. Wenig überraschend unterstrich sie dabei die Bedeutung einer «unabhängigen, vorbeugenden und schlagkräftigen Aufsicht» und führte aus, wie ihre «konsequente Aufsichtsarbeit» im vergangenen Jahr «in einem risikobehafteten Umfeld die Stabilität des Schweizer Finanzplatzes gestärkt» sowie die Kunden geschützt hat.
Zeitgleich hat die Finma ihren Geschäftsbericht 2024 publiziert. Zudem stellte sie auf ihrer Website weitere Angaben zu den Enforcementfällen sowie Statistiken zur Verfügung.
Strafend und korrigierend: Enforcementverfahren
Im Berichtsjahr hatte die Finma die Öffentlichkeit über 5 abgeschlossene Enforcement-Verfahren (darunter Audi Bank, HSBC Private Bank, Mirabaud, Leonteq) informiert, die wegen Verstössen gegen Risikomanagement- sowie Gewährspflichten, Tätigkeiten am Finanzmarkt ohne die notwendigen Bewilligungen sowie wegen schwerer Verstösse gegen die Pflichten zur Geldwäschereibekämpfung geführt worden waren.
«Weiter informierte sie über eine Konkurseröffnung aufgrund fehlender Mindesteigenmittel», heisst es in der Medienmitteilung, womit die Genfer Flowbank gemeint ist. Insgesamt nahm die Finma im Enforcement-Bereich 733 Abklärungen vor und schloss 38 Verfahren gegen Gesellschaften und natürliche Personen ab.
Präventiv: Vor-Ort-Kontrollen und Stresstests
Zwei wichtige, präventiv wirkende Instrumente der Aufsicht sind Vor-Ort-Kontrollen und Stresstests. 2024 nahm die Finma 111 Vor-Ort-Kontrollen bei Banken, 55 bei Versicherungen und 20 im Bereich Asset Management vor.
Bei den Banken hat die Finma regelmässig auch Stresstests (z.B. zum Hypothekarportfolio und Zinsrisiken) durchgeführt. Man habe dabei die finanzielle Resilienz der Institute überprüft und analysiert, wie die regulatorischen Anforderungen unter erschwerten Bedingungen eingehalten würden. Bei den systemrelevanten Banken – UBS, Raiffeisen, Zürcher Kantonalbank und Postfinance – untersuchte die Finma im Rahmen von Verlustpotenzialanalysen die Auswirkungen von Szenarios auf die Kapitalsituation.
UBS: Intensiver Austausch und vertiefte Überwachung
Ein besonderes Augenmerk galt natürlich der letzten Schweizer Grossbank, die sich die Credit Suisse (CS) einverleibt hat. Bei der vertieften Überwachung der UBS setzte die Behörde ihr ganzes Arsenal ein: Ihre Mitarbeiter führten rund 40 Vor-Ort-Kontrollen im In- und Ausland durch und pflegten mit der Bank «einen über den regulären Aufsichtsdialog hinausgehenden intensiven Austausch zu Integrationsthemen». Einen Meilenstein aus Sicht der Finma bildet denn auch die Genehmigung der juristischen Zusammenführung der wichtigsten Rechtseinheiten.
Versicherungsvermittler im Fokus
Im Versicherungsbereich beaufsichtigt die Finma seit Anfang 2024 neu das Vermittlergeschäft, auf Basis des revidierten Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG). Erwähnt werden in der Mitteilung zudem die im September 2024 vom Bundesrat in Kraft gesetzten Regelungen für die Vermittlung von Krankenversicherungen, welche die telefonische Kaltakquise verbieten und die Vermittlerentschädigungen begrenzen.
Die Finma leistete auf diesem Gebiet Aufklärungsarbeit. Sie nahm aber auch 143 Abklärungen wegen unbewilligter Tätigkeiten, Verstössen gegen Informations- und Ausbildungspflichten oder des Verbots der Kaltakquise sowie missbräuchlichen Verhaltens vor. Und sie führte bei Vermittlern ebenfalls Vor-Ort-Kontrollen durch.
«Augenmerk auf den Risiken beim Handel von Kryptowährungen»
Mit besonderem Interesse dürfte die Kryptobranche die Ausführungen der Finma zum Thema Innovation zur Kenntnis nehmen. In den letzten Monaten war wiederholt die Klage laut geworden, die zuvor relativ offene Haltung der Behörde habe einer ausgeprägten Risikovermeidungsstrategie Platz gemacht.
Nun bekräftigt die Finma, dass sie neue Geschäftsmodelle «technologieneutral und risikorientiert» beurteilt und «offen für Innovation» ist. Allerdings müsse die Nutzung neuer Technologien innerhalb des regulatorischen Rahmens erfolgen, um Kunden vor Missbrauch zu schützen. Und mit Blick auf ihr Wirken 2024 an die Adresse der Kryptogemeinde: «Die Finma legte auch ein zentrales Augenmerk auf die Entwicklung der Risiken im Zusammenhang mit dem Handel von Kryptowährungen.»
Im Innovationsbereich setzte die Behörde einen Schwerpunkt auf den Einsatz künstlicher Intelligenz durch Finanzinstitute, wozu sie auch eine Aufsichtsmitteilung publizierte. Zudem erteilte die Finma jüngst erstmals einem Handelssystem, das auf Distributed Ledger Technology (DLT) basiert, eine Bewilligung (BX Digital).
Kräftiges Kosten- und Personalwachstum
Angaben geliefert hat die Finma auch zu ihren Betriebskosten (ein grosser Teil der Aufsichtskosten fällt allerdings bei den Banken selber an). Diese beliefen sich 2024 auf 154 Millionen Franken (2023: 142 Millionen). Auf der Einnahmenseite stehen Gebührenerträge und Aufsichtsabgaben. Kräftig zugenommen hat die Zahl der Vollzeitstellen, von 583 auf 634.
Die Behörde begründet das Wachstum mit zusätzlichen Aufgaben aus der Umsetzung von Finig und Fidleg, der VAG-Revision und etwas pauschal mit «neuen Aufsichtsthemen zu Nachhaltigkeit, Cybersicherheit und Fintech» sowie mit der digitalen Transformation und den «Auswirkungen der CS-Krise».
Lehre aus dem CS-Fall: Früher und konsequenter eingreifen
Finma-Direktor Stefan Walter: «Es geht um die bestmögliche Stabilität und Widerstandsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes in einem erhöhten Risikoumfeld. Dabei sind folgende Elemente essenziell für die Resilienz der Beaufsichtigten: eine starke Risikokultur und Governance, eine robuste Kapitalausstattung sowie eine solide Liquidität.»
Die Finma nimmt auch Bezug auf den Too-big-to-fail-Bericht des Bundesrats und den PUK-Bericht und begrüsst die darin vorgeschlagene Stärkung ihrer Kompetenzen. Und zweifelsohne mit Blick auf das CS-Debakel will sie «ihren Ermessensspielraum noch mehr ausnutzen» und «befürwortet eine klare gesetzliche Grundlage für Frühinterventionen, um bei Missständen noch früher eingreifen zu können. So etwa bei Mängeln in der Governance, wenn Verwaltungsrat und Geschäftsleitung eines Instituts mit ihrem Verhalten und ihren Entscheidungen nicht die Grundwerte und die Risikokultur konsequent widerspiegeln.»
Verwaltungsratspräsidentin Marlene Amstad: «Der Finma geht es nicht generell um mehr Regeln, sondern um grössere Konsequenzen bei Verletzung der bestehenden Regeln.»