Noch immer warten Kunden der behördlich zwangsgeschlossenen Genfer Flowbank auf ihr Geld und ihre Wertschriften. Gemäss dem Liquidator Walder Wyss hat das auch mit der hauseigenen IT-Infrastruktur zu tun. Das überrascht, hatte sich das Institut doch als Online-, Digital- und Neobank positioniert.
Auf dem Papier sieht alles ganz einfach und klar aus: Im Fall der Liquidation einer in der Schweiz domizilierten Bank zählen Kundeneinlagen bis zu 100'000 Franken zu den privilegierten Forderungen. Die umgehende Rückzahlung ist dank der Einlagensicherung Esisuisse gewährleistet.
Und die Wertschriften, die ein Kunde in einem Depot bei dieser Bank hält, sind nicht Bestandteil der Bankbilanz. Sie sollten daher relativ zügig und effizient auf ein Depot bei einer anderen Bank übertragen werden können, unabhängig davon, wie lange das Verfahren für die Abwicklung und Verwertung der ersten Bank dauert.
Eigentumsschutz nicht voll gewährleistet
Der Fall Flowbank hat gezeigt, dass die Praxis leider ziemlich anders aussieht als die schöne Theorie, in der das Eigentum, die Verfügungsgewalt darüber und die Rechtssicherheit jederzeit geschützt sind. Das Genfer Institut war im Juni von der Finanzmarktaufsicht Finma zwangsgeschlossen worden, noch im Oktober warteten zahlreiche Kunden auf die Zurückzahlung von Einlagen und v.a. auf die Übertragung von Wertschriften, wie finews.ch berichtete.
Die Übertragung hatte sich als so komplex herausgestellt, dass der Liquidator Walder Wyss als Alternative eine Plattform einrichtete, auf der Kunden ihre bei Flowbank gehaltenen Wertschriften verkaufen konnten, wobei die Frist dafür angesichts der grossen Nachfrage um eine Woche bis zum 22. November verlängert wurde.
Wollen 2'609 Kunden ihr Geld gar nicht?
Immerhin gibt Walder Wyss in dem am Samiklaustag publizierten Rundschreiben an die Gläubiger Nr. 2 einen Einblick in die Fortschritte, die in den letzten Monaten bei den Aufräumarbeiten erzielt worden sind. Bei den privilegierten Einlagen konnten demnach bis Ende November 49,7 Millionen Franken zurückbezahlt werden, was einem Anteil von 91,3 Prozent des Gesamtbetrags respektive 6'228 Konten entspricht.
«Der Prozess der Rückzahlung der privilegierten Einlagen ist weiterhin in vollem Gange», konstatiert Walder Wyss, notabene fast ein halbes Jahr, nachdem die Bank auf Geheiss aus Bern ihre Geschäftstätigkeit einstellen musste. Pikantes Detail: 2'609 Kunden haben gemäss dem Liquidator ihre privilegierten Einlagen noch gar nicht eingefordert – Gründe dafür werden nicht angegeben. In Anbetracht der kurzen Historie des seit 2020 aktiven Genfer Instituts dürften sich darunter zumindest keine nachrichtenlosen Konten befinden.
Unzulängliche IT-Infrastruktur
Auch die Übertragung der Wertschriften werde fortgesetzt. «Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass dieser Prozess viel Koordinationsaufwand zwischen den Beteiligten erfordert und zeitaufwendig ist», betont Walder Wyss nicht zum ersten Mal.
Man arbeite mit einer bestehenden Bankinfrastruktur, die weder ein Core-Banking-System noch einen automatisierten Prozess enthalte, der die Übertragung von Wertschriften erleichtere, führt der Liquidator aus – zumindest von aussen betrachtet hätte man von der ambitionierten Digital- bzw. Online-Bank IT-mässig anderes erwartet.
Über 10'000 Depotpositionen weder übertragen noch verkauft
Bis zum 30. November seien 12'519 «Wertpapierlinien» übertragen worden. Als «Wertpapierlinie» (ein Begriff, der auf Deutsch eigentlich in der Kapitalmarkttheorie gebräuchlich ist und an dieser Stelle wohl Depotposition heissen müsste) bezeichnet Walder Wyss dabei jede Art von Finanzinstrument, die ein Kunde hält: Befinden sich in einem Depot beispielsweise 1 Nestlé-Aktie und 10 UBS-Aktien, entspricht dies zwei Wertpapierlinien.
Über die Verkaufsplattform sind bis Ende November 15'462 Depotpositionen verkauft worden. Somit sind durch Übertragungen und Verkäufe zusammen 27'981 von insgesamt 39'640 Depotpositionen herausgelöst worden. 4'376 von 6'281 Kunden hätten einen Teil oder alle Wertpapiere veräussert oder transferiert, d.h., es wartet mit anderen Worten doch nochmals ein gerüttelt Mass Arbeit auf die Verwerter.
360 Millionen Franken Aktiven
Nach Auszahlung der privilegierten Einlagen und nach Übernahme der verschiedenen Kosten der Konkursmasse belaufen sich die Aktiven der Flowbank in Liquidation per Ende Oktober gemäss Walder Wyss auf 360 Millionen Franken.
Aber auch für Leser, deren Interesse mehr dem Innenleben der ausgeweideten Bank als dem Schicksal ihrer mehr oder weniger geduldigen Kunden gilt, liefert das Rundschreiben Stoff.
IT-Abteilung bietet weiter Beschäftigung
Der von Flowbank-Gründer Charles-Henri Sabet erhobene Anspruch auf drei Pop-Art-Gemälde in den Bankräumlichkeiten (sehr wahrscheinlich im Chefbüro) wurde von drei Gläubigern angefochten – zwei Anträge sind fallengelassen worden, der dritte wird derzeit geprüft.
Am 1. November waren noch immer 56 Angestellte plus 3 externe Berater für die Flowbank tätig, 14 davon samt den Beratern in der IT-Abteilung, was nochmals ein spezielles Schlaglicht auf die von Walder Wyss angeführten Systemprobleme bei der Wertschriftenübertragung wirft.
Nachfolger für Gebäude in Zürich gesucht
Die Räumlichkeiten der Niederlassung in Zürich wurden schon per Ende August gekündigt und dem Vermieter übergeben. Da sich der übernehmende Vermieter in der Zwischenzeit zurückgezogen hat, sucht Walder Wyss einen neuen Mieter. Immerhin ist man daran, die Büroausstattung zu verkaufen.
Mit der Vermietung des Genfer Hauptsitzes in Pont-Rouge ist ein spezialisierter Makler beauftragt worden. Hier sind Besichtigungen mit Interessenten im Gange.
Elektronisches Archiv als Flowbank-Grabstein
Und die Technologie, mit der Flowbank seit ihrer Gründung glänzen wollte, spielt auch über ihr Ableben hinaus, wenn auch in anderer Form, eine wichtige Rolle. Denn die gesetzliche Aufbewahrungsfrist für Bankdaten beträgt zehn Jahre.
Deshalb hat Walder Wyss am 15. November eine Ausschreibung im ausgewählten Kreis durchgeführt, um einen Anbieter für den Aufbau eines elektronischen Archivs zu finden, in dem die Daten über diesen Zeitraum verwaltet und gepflegt werden können. Dass ein solches Archiv funktionsfähig ist, bildet die Voraussetzung dafür, dass die IT-Infrastruktur der Bank Mitte 2025 ausser Betrieb und zurückgebaut werden kann.