BX Digital setzt Meilenstein mit DLT-Abwicklungssystem

Die Tochter der Gruppe Börse Stuttgart hat die erste Finma-Lizenz für ein Handels- und Abwicklungssystem erhalten, das auf der Blockchain-Technologie basiert. BX Digital betrachtet die neue Plattform als ersten Schritt, um die bisherige Finanzmarktinfrastruktur in Europa aufzubrechen und abzulösen. Mit der Bewilligung kann auch die Finma ihr Image in puncto Innovationsfreundlichkeit verbessern.

Die in Zürich domizilierte BX Digital, die zur BX Swiss und damit zur Gruppe Börse Stuttgart gehört, hat am Dienstag mitgeteilt, dass sie als erste Schweizer Finanzmarktinfrastruktur von der Finanzmarktaufsicht Finma die Bewilligung für ein Handels- und Abwicklungssystem für digitale Vermögenswerte erhalten hat, das auf der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) und damit einer (öffentlichen) Blockchain basiert. Das sei ein wegweisender Meilenstein für den Finanzmarkt in der Schweiz, heisst es im Communiqué.

An der Medienkonferenz sprach Lidia Kurt, CEO von BX Digital, von einem «intensiven Prozess» in den letzten drei Jahren und von den beiden «Partnern» Finma und Schweizerischer Nationalbank (SNB). Die geldseitige Abwicklung erfolgt über das Zahlungssystem Swiss Interbank Clearing (SIC) und damit direkt mit Zentralbankgeld, was die Integration in bestehende Bankensysteme erleichtert.

Eine Disruption wie das Internet?

Kurt bezeichnete die Blockchain-Technologie als eine mit der Einführung des Internets vergleichbare Disruption. «Das Internet ermöglichte es, per Mail Informationen digital zu versenden. Dank Blockchain können wir nun digitale Assets übertragen.» Und sie gab sich überzeugt, dass in fünf bis zehn Jahren ein grosser Teil des Finanzsystems auf dieser Technologie basieren und damit digital sein wird.

Für den Handel können allerdings die bestehenden Systeme weiterverwendet werden, die Innovation betrifft primär den Abwicklungsbereich, also den Austausch der Wertschriften gegen Geld. Die heutigen Abwicklungsprozesse benötigen meist zwei Tage, bis sie abgeschlossen sind, dank DLT dauert es nur noch Minuten.

Konkretes Potenzial beim Liquiditätsmanagement von Unternehmen

Ein Anwendungsfall, wo die Geschwindigkeit der Abwicklung zentral ist, sieht Kurt im Liquiditätsmanagement von grossen Unternehmen, wo «enormes Potenzial» schlummere. «Unternehmen, die ihre Mittel in Geldmarktfonds investieren, können diese heute nicht einfach verkaufen, wenn sie kurzfristigen Liquiditätsbedarf haben, weil das Geld zu spät auf ihrem Konto ankommt. Mit digitalen Geldmarktfonds können sie nun ihr Mittelbewirtschaftung optimieren.»

Auch bei strukturierten Produkten, die von den Banken zu Tausenden emittiert werden, identifizierte sie Kostensenkungspotenzial.

Türöffner für weitere Innovationen

«Mit unserer neuen Plattform für digitale Vermögenswerte ebnen wir aber vor allem auch den Weg für Innovationen.» Beispiele könnten der einfachere Zugang zu Private-Equity-Produkten, digitale Prozesse wie Abstimmungen bei Generalversammlungen oder neue Funktionalitäten wie tägliche Zinszahlungen bei Obligationen sein.

Kurt räumte aber auch ein, dass «wir noch nicht wissen, welche Geschäftsmodelle sinnvoll sein werden». Die Nachfrage der Kundschaft sei aber gross, die neue Plattform soll in den nächsten sechs Monaten den Betrieb aufnehmen.

Weg von der zentralen Gegenpartei – hin zu einer modernen «Heimverwahrung»

Andreas Ruflin, Chief Digital Officer der BX Digital, hob hervor, dass die digitalen Vermögenswerte (in Form Smart Contracts) auf einer öffentlichen Blockchain (Ethereum) und nicht wie bei anderen Plattformen auf einer privaten Blockchain gespeichert sind. «Es gibt keine Vorauszahlungen mehr, wir brauchen keine zentrale Gegenpartei mehr, der Kunde verwahrt seine Assets selber» – eine moderne Form der Heimverwahrung quasi, die es im Zeitalter der physischen Wertpapiere noch gab. «Unsere Smart Contracts stellen das Delivery versus Payment sicher». Dieser Austausch von Geld gegen Asset ist jedoch nur quasi simultan, er nimmt gemäss Ruflin 30 Minuten in Anspruch, bis er auf der Blockchain final ist.

Für Lucas Bruggeman, CEO der BX Swiss Exchange und Verwaltungsratspräsident der BX Digital, stand die Skalierbarkeit im Vordergrund. «Es handelt sich um eine Blaupause für das Modell, das wir in Zukunft in Europa haben werden», hielt er selbstbewusst fest und verwies auf entsprechende Projekte mit der Europäischen Zentralbank, bei denen das deutsche Mutterhaus beteiligt ist. «Heute machen wir einen ersten Schritt, um die bisherige national dominierte Abwicklungsinfrastruktur aufzubrechen.»

Sind die Anreize für einen Systemwechsel stark genug?

Die grosse Frage bleibt, ob die Vorteile des neuen DLT-Systems für die Marktteilnehmer wirklich genug überzeugend sind, damit sie sich von den bewährten und durchaus auch effizienten Settlement-Strukturen allmählich verabschieden werden.

Die Erfahrung, dass das Momentum für digitale Assets und entsprechende Handelsplattformen nicht per se stark genug ist und die Trägheit oder positiv ausgedrückt die Anhänglichkeit der Marktteilnehmer in Bezug auf vertraute Systeme ziemlich ausgeprägt sein kann, hatte in den vergangenen Jahren schon die Swiss Digital Exchange (SDX) machen müssen.

Vorwärts zu digitalen Assets und zurück zu dezentralen Strukturen

Die Antwort von Kurt und Ruflin auf die Frage fiel so aus, wie es für die Protagonisten in einem solchen Projekt nicht anders zu erwarten war. Es gebe erstens einen massiven Aufschwung für tokenisierte (digitale) Vermögenswerte auf Blockchains weltweit, und BX Digital sei Teil einer grösseren Umwälzung Richtung Decentralized Finance (die, wenn sie tatsächlich an Schwung gewinnt, auf Jahrzehnte eines Trends hin zu einer möglichst starken Zentralisierung der Finanzmarktinfrastruktur folgen würde). Zweitens habe man im Projekt die Hürden für Banken bewusst tief gehalten.

Die nächsten Jahre werden zeigen, ob das Kundenbedürfnis und die Einsparungen wirklich so gross sind wie erhofft und ob die Banken mitmachen – und damit die Rechnung auch für die BX Digital aufgeht.

Imagegewinn auch für die Finma

Die Bewilligung ist nicht nur ein Erfolg für die künftige Betreiberin des ersten derartigen regulierten DLT-Handelssystems, sondern auch für die Finma. Die Behörde hatte sich in der Bitcoin- und insbesondere in der Stablecoin-Branche in letzter Zeit nämlich zunehmend den Ruf einer Behörde gemacht, die Innovationen eher behindert als fördert. 

In ihrer Mitteilung vom Dienstag präzisiert die Finma, dass die BX Digital den Betrieb eines sogenannten kleinen DLT-Handelssystems beantragt hat. Das heisst, dass bestimmte, in der Verordnung zum Finanzmarktinfrastrukturgesetz definierte Schwellenwerte nicht überschritten werden dürfen und im Gegenzug regulatorische Erleichterungen gewährt werden.

Eine Frucht der DLT-Vorlage von 2021

Als Teil des Bewilligungsprozesses hat die Finma auch eine Strategie zur Sicherstellung der Geschäftskontinuität (BCM) verlangt, auch bezüglich der auf einer öffentlichen Blockchain basierenden Abwicklungsinfrastruktur.

Rechtliche Basis für den Finma-Entscheid bildet die 2021 in Kraft getretene DLT-Vorlage, mit der im Finanzmarktinfrastrukturgesetz die entsprechende Bewilligungskategorie erst geschaffen wurde. Die Behörde stellt nun zufrieden fest, dass damit Innovationen auf dem Finanzplatz und konkret im Fintech-Bereich unterstützt würden, «ohne dabei die Stabilität und die Sicherheit für Marktteilnehmende ausser Acht zu lassen».