Seit Jahren ranken sich Übernahmegerüchte um den krisengeschüttelten Asset Manager GAM. Seine Leidensgeschichte könnte nun bald ein Ende haben.
Seit Wochen beherrscht der Niedergang der Credit Suisse (CS) und ihre Notrettung durch die Konkurrentin UBS die Schlagzeilen. Ein weiteres Schweizer Traditionshaus, dessen Schicksal Parallelen zur CS aufweist, steht offenbar ebenfalls kurz davor, seine Eigenständigkeit zu verlieren und übernommen zu werden. Eine Übernahme würde auch hier eine lange Leidensgeschichte beenden.
Briten favorisiert
In diesen Tagen verdichteten sich die Anzeichen, dass der Zürcher Fonds- und Vermögensverwalter GAM bald verkauft werden könnte. Vor nicht allzu langer Zeit war das Fondshaus noch einer der grössten Vermögensverwalter Europas und galt mit seinen innovativen Produkten als Pionier im Anlagegeschäft.
Anfang dieser Woche bestätigte GAM erneut, dass es Gespräche mit potenziellen Käufern führe. In der Pole Position für eine Übernahme von GAM scheint derzeit der britische Vermögensverwalter Liontrust Asset Management zu sein. Medienberichten zufolge soll aber auch die Zürcher Kantonalbank (ZKB) Gespräche über eine Übernahme geführt haben; der New Yorker Investmentgesellschaft Z Capital wird ebenfalls Kaufinteresse nachgesagt.
Nächste Woche mehr Informationen
Auf Anfrage von finews.ch wollte GAM die Gerüchte um ZKB und Z Capital nicht kommentieren und verwies auf die Medienmitteilungen der letzten Tage. Darin werden unter anderem Übernahmegespräche mit den Briten bestätigt. «Die Gespräche über strategische Optionen zielen darauf ab, das Unternehmen im besten Interesse aller Stakeholder strategisch zu positionieren», teilte GAM weiter mit.
«Eine weitere Ankündigung wird nach erfolgreichem Abschluss erfolgen, was wir spätestens am 4. Mai erwarten», so die Mediensprecherin. An diesem Tag veröffentlicht das Unternehmen auch seinen Geschäftsbericht, dessen Präsentation ursprünglich für diesen Dienstag vorgesehen war. Unklar ist derzeit noch, welche Optionen GAM verfolgen würde, sollten die laufenden Gespräche und Verhandlungen nicht zum Erfolg führen. Eine weitergehende Stellungnahme von GAM liegt nicht vor.
Am Donnerstagabend bestätigte das Unternehmen in einer Mitteilung, dass Newgame Stimmrechte für insgesamt ca. 12 Millionen GAM-Aktien hält oder ausüben kann, was rund 7,5 Prozent des ausgegebenen Aktienkapitals entspricht.
Vom Erfolgsmodell zur Dauermalaise
Übernahmegerüchte ranken sich seit Jahren um den krisengeschüttelten Vermögensverwalter. Wie die CS war auch GAM in Turbulenzen rund um den anglo-australischen Lieferketten-Finanzierer Greensill Capital verwickelt. Nach der Suspendierung eines prominenten Fondsmanagers wegen schwerer Verfehlungen blieb das Unternehmen angeschlagen. So schockierte GAM Ende Juli 2018 Investoren und Kunden mit der Suspendierung ihres Starfondsmanagers Tim Haywood und der Schliessung ihrer Absolute Return Bond Funds (ARBF).
Im Jahr 2017 wurde die Abhängigkeit von Greensill vom Metallimperium von Sanjeev Gupta zunehmend zum Problem für die GAM-Führung. Insider hatten Bedenken über Haywoods Beziehung zum australischen Finanzier Greensill geäussert. Später stellte sich heraus, dass Haywood Anleihen gekauft hatte, die mit Lex Greensills inzwischen zusammengebrochenem Supply-Chain-Finanzierungsunternehmen Greensill Capital in Verbindung standen. Die GAM-Fonds hatten mehr als 1 Milliarde Dollar bei Gupta investiert, der weltweit Stahlwerke aufkaufte.
Nie wieder erholt
Die Kunden befürchteten das Schlimmste und zogen Gelder in Milliardenhöhe ab. Der Aktienkurs von GAM brach ein. Als Folge des Skandals trat später auch der damalige CEO Alex Friedman zurück, ein rigoroses Sparprogramm wurde eingeleitet und Haywood entlassen.
Nach zahlreichen Negativschlagzeilen beschloss der Vermögensverwalter 2021, den gemeinsam mit Greensill aufgelegten Supply Chain Finance Fund aufzulösen. Mit der Schliessung endete die Geschäftsbeziehung zwischen GAM und Greensill, die bis ins Jahr 2016 zurückreicht. Der ehemalige GAM-Chef und heutige Financier David Solo hatte die beiden Unternehmen einst zusammengebracht.
Von diesen Rückschlägen hat sich GAM nie wieder erholt. Der Aktienkurs ist seit Anfang 2018 um mehr als 95 Prozent gefallen, Kunden haben kontinuierlich Gelder abgezogen und Grossaktionäre wie Bantleon ihr Engagement reduziert, während die Unternehmensergebnisse ein ums andere Mal enttäuschten. Letztes Jahr beauftragte die Gruppe die UBS, ihr beim Verkauf zu helfen.
Vom CS-Debakel betroffen
Auch im laufenden Jahr blieb GAM nicht von Rückschlägen verschont. Nach kräftigen Vermögensabflüssen rechnet das Unternehmen für 2022 mit einem deutlich höheren Verlust. Sie erwartet für das Gesamtjahr einen bereinigten Verlust vor Steuern von rund 42,8 Millionen Franken und einen IFRS-Nettoverlust nach Steuern von rund 309,9 Millionen Franken, wie sie im Januar bekannt gab.
Nicht zuletzt waren die GAM-Fonds auch von der umstrittenen Abschreibung der AT1-Anleihen der CS durch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) betroffen.
Meldung um GAM-Medienmitteilung ergänzt.