Schweizer Kapitalmarkt: Von der üppigen Tafel direkt in die Fastenzeit
Der März brachte am Frankenkapitalmarkt einen Allzeitrekord. Insbesondere einheimische Unternehmen nutzten die Refinanzierungsquelle intensiv. Nach dem «Zollhammer» stecken Investoren, Schuldner und Emissionsbanken allerdings auch hierzulande in einer «Findungsphase».
Auch wenn die Auswirkungen des «Zollhammers» von Donald Trump auf die Aktienbörsen derzeit in der Berichterstattung über die Finanzmärkte dominieren, gibt es Nischen, auf die es sich lohnt, einen Blick zu werfen. Eine solche ist der Schweizer Kapitalmarkt, also der Ort, wo sich inländische und ausländische Schuldner Mittel beschaffen, indem sie Frankenobligationen begeben, die von (meist institutionellen) Investoren gekauft werden.
Im März – dem Monat, in dem sich die am «Liberation Day» verkündete Zollpolitik bereits schemenhaft abzeichnete und darüber hinaus in Deutschland respektive in der EU der Weg für markant höhere Verteidigungs- bzw. Infrastrukturausgaben freigemacht wurde – holten sich Schweizer Schuldner gemäss der Statistik der (selber im Emissionsgeschäft tätigen) Zürcher Kantonalbank (ZKB) 7,2 Milliarden Franken (ohne die Eidgenossenschaft). Das ist so viel Geld wie noch nie in diesem Frühlingsmonat in der doch ziemlich langen Historie des Marktes (die Daten der ZKB reichen zurück bis 1997).
Auch viele ausländische Schuldner zapfen den Markt an
Aber auch bei den ausländischen Schuldner lief es rund. Mit 3,1 Milliarden Franken gab es im März zwar keinen Allzeitrekord, aber immerhin ein Plus zum Vorjahresmonat von 78,5 Prozent. Insgesamt belief sich das Emissionsvolumen damit auf 10,3 Milliarden Franken (+55,8 Prozent).
Ein besonderes Augenmerk gilt jeweils den Schweizer Unternehmen (Corporates), die Anleihen lancieren, bietet doch der Kapitalmarkt bis zu einem gewissen Masse eine Alternative zu Bankkrediten – und dieses sogenannte Firmenkreditgeschäft ist aufgrund verschiedener Faktoren (Ausscheiden der Credit Suisse und damit Neuverteilung der Marktanteile, teurere Refinanzierung für Banken, Regulierung) im Wandel begriffen.
Ein reichhaltiges Menü an Corporates
Tatsächlich fand im März eine ganze Reihe von Corporates den Weg an den heimischen Markt, oft gleich mit mehreren Anleihenstranchen –was den Vorteil hat, dass der Schuldner die Nachfrage in verschiedenen Laufzeiten ausschöpfen und zugleich eine eigene Renditekurve aufbauen bzw. pflegen kann. Davon, dass auch der Branchenmix reichhaltig war, zeugen die Namen Sika (Spezialbaustoffe), Clariant (Spezialchemie), Galderma (Hautgesundheit), Sandoz (Generika), Temenos (Bankensoftware) und Implenia (Bau).
Natürlich waren die Banken ebenfalls gut vertreten; der Anleihenmarkt bildet für sie neben den Spareinlagen traditionell eine wichtige Refinanzierungsquelle für das Aktivgeschäft. Im März beschafften sich Kantonalbanken über 14 Transaktionen (wozu Neuemissionen, aber auch Aufstockungen bereits ausstehender Anleihen zählen) insgesamt 1'857 Millionen Franken.
Pfandbriefe, Kantonalbanken und Vontobel
Unter den Financials figuriert zudem die Bank Vontobel mit ihrer ersten Emission einer vorrangigen Anleihe (Straight Bond, also dem Normalfall) überhaupt. Und selbstverständlich fehlte der Nachschub an Pfandbriefen nicht. Die Pfandbriefbank schweizerischer Hypothekarinstitute (über die sich alle Banken ausserhalb des Kantonalbankensektors Mittel für Hypothekardarlehen beschaffen können), ein Dauergast und noch vor der Eidgenossenschaft der grösste Schuldner am Markt insgesamt, trat gleich mit vier Transaktionen über mehr als 1 Milliarde Franken auf.
Abgerundet wurde das Angebot durch frische Obligationen des Kantons Tessin und der Stadt Winterthur.
Funkstille am Primärmarkt nach dem «Liberation Day»
Auch der April hat sich gut angelassen – zumindest bis zu Trumps ominösem «Liberation Day». Die Pfandbriefzentrale lancierte eine Vierertranche, und auch die Immobiliengesellschaft Allreal und das Spital Winterthur waren aktiv; Schuldner aus der letzteren Kategorie erfreuen sich seit dem Fall des GZO Spital Wetzikon besonderer Aufmerksamkeit. Im Auslandsegment feierte gar die London Stock Exchange ihr Schweizer Debüt.
Seither herrscht am Primärmarkt jedoch Funkstille – abgesehen vom Bund, der unbeirrt an seinem Emissionsfahrplan festhielt und am Dienstag zwei Aufstockungen auktionierte. Zum einen sind die Investoren verunsichert; für sie stehen derzeit verständlicherweise fundamentale Fragen der strategischen Asset Allocation im Vordergrund, und nicht, wie sie eine vergleichsweise kleine Fälligkeit wieder reinvestieren wollen.
Fundamental verunsicherte Investoren, volatile Zinsen und deutlich höhere Spreads
Potenzielle Schuldner wiederum könnten zwar theoretisch vom allgemein gesunkenen Zinsniveau profitieren, doch haben sich die Risikoaufschläge (Renditeaufschläge) auf bereits ausstehenden Anleihen markant ausgeweitet – und die Spreads am Sekundärmarkt sind ein wesentlicher Indikator für die Konditionen (Pricing) von Neuemissionen. Angesichts der hohen Unsicherheit und der Volatilität haben die im Emissionsgeschäft federführenden Banken nolens volens ebenfalls auf den Stand-by-Modus umgeschaltet.
Niemand weiss, wann sich die Risikostimmung der Investoren und das Niveau sowie die Volatilität der Spreads am Frankenkapitalmarkt wieder auf einem einigermassen tragfähigen Niveau eingependelt werden haben. Erfahrungsgemäss kann sich der Schweizer Anleihenmarkt zwar globalen Entwicklungen nicht komplett entziehen, weist aber durchaus mitunter auch ein gewisses Eigenleben auf. So betrachtet wird es spannend sein zu sehen, welcher Emittent das Eis brechen wird.
Von der üppigen Tafel zur strengen Diät?
Und die derzeit quasi zum Nichtstun verurteilten Emissionsbanken können sich immerhin damit trösten, dass das Geschäft in ersten zwei Monate 2025 hervorragend war, mit einem Plus von 40,5 Prozent bzw. einem Volumen von 29,2 Milliarden Franken.
Vor diesem Hintergrund ist nicht auszuschliessen, dass Trumps Zollhammer vielleicht ähnlich wie an der Aktienbörse auch hier teilweise als Katalysator gewirkt hat – d.h., eine Entwicklung beschleunigt und verstärkt, die ohnehin gekommen wäre. Dass nach einem Rekordschub von Neuemissionen eine Verdauungs- und Verschnaufpause einsetzt, ist nämlich am Primärmarkt nicht aussergewöhnlich – das Tempo und die Vehemenz des Umschwungs sind es allerdings schon.
Zu hoffen bleibt, dass die Fastenzeit am Schweizer Kapitalmarkt nicht zu lange dauert und sich die Diät nicht nur auf «Eidgenossen», Pfandbriefe und die eine oder andere Kantonalbankanleihe beschränken wird.