Die Bedeutung von Nichtbanken als Kreditgeber für Unternehmen wird zunehmen, innovative Instrumente wie Private Credit und alternative Finanzierungsquellen sind gefragt. Die Banken sind in der Defensive. Sie sollten die Chancen besser nutzen, die ihnen der traditionelle Kapitalmarkt bietet.
Wie wird sich das Geschäft mit Schweizer Firmenkunden nach dem Wegfall der Credit Suisse (CS) entwickeln? Die untergegangene Grossbank spielte für die Finanzierung von Unternehmen bekanntlich eine wichtige Rolle – wer erbt nun ihren Marktanteil?
Das sind interessante Fragen, auf die auch finews.ch wiederholt Antworten zu geben suchte. Sie wurden auch im jüngsten Bankenbarometer des Wirtschaftsprüfers und Unternehmensberater EY angesprochen – sollten aber nicht den Blick auf grössere, strukturelle Verschiebungen verdecken.
Grenzen des Wachstums der Bankbilanzen
EY stellte darin nämlich auch die These auf, dass Banken ihre Kreditvergabe nicht mehr in dem Tempo steigern können wie in der Vergangenheit. Das gesamte Kreditvolumen der Schweizer Banken hat sich seit dem Jahr 2000 um 122 Prozent bzw. rund 850 Milliarden auf 1'550 Milliarden Franken erhöht. Besonders ausgeprägt war die Zunahme in der Negativzinsperiode (2014 bis 2021).
«Die Bilanzen der Banken lassen sich jedoch nach dem starken Bilanzwachstum nicht beliebig ausweiten», registriert EY und erklärte an der Präsentation von vergangener Woche auch weshalb. Den ersten «limitierenden Faktor» bilden die schärferen Eigenmittelvorschriften, die insbesondere Banken treffen, die im Risikomanagement auf modellbasierte Ansätze abstellen.
Limitierende Faktoren: Regulierung und Refinanzierung
Den zweiten begrenzenden Faktor stellt die Refinanzierung dar. Im Zinsgeschäft rechnen drei von vier Banken über die kommenden ein bis zwei Jahre mit einer schrumpfenden Zinsmarge. Als wichtigster Treiber dieser Entwicklung wird von Banken am häufigsten (über 40 Prozent) das Passivgeschäft genannt. Die Spreads für Refinanzierungsgeschäfte seien in den vergangenen Monaten gestiegen, beobachtet EY.
Zudem habe das massive Wachstum des Kreditvolumens v.a. bei den inlandorientierten Banken zu einem höheren Bedarf an stabiler Refinanzierung in Form von Kundengeldern mit zeitlicher Anbindung geführt, wofür Banken einen Zinsaufschlag bieten müssen.
Kreditbedarf übersteigt das Angebot
EY spricht denn auch davon, dass künftig der wachsende Kreditbedarf der Wirtschaft auf eine limitierte Kreditvergabekapazität der Banken trifft, also die Nachfrage das Angebot übersteigen wird.
Eigentlich kennt der Markt für einen solchen Fall einen einfachen Mechanismus, um wieder zu einem neuen Gleichgewicht zu finden, nämlich den Preis. Die Banken könnten in einem solchen Szenario einfach teuerere Kreditkonditionen durchsetzen und selektiver werden.
Zauberwort Privat Credit?
Aber es könnte auch sein, dass vermehrt Akteure ausserhalb des Bankensektors als Kreditgeber auftreten – eine Entwicklung, die bereits im Gang ist. Ein trendiges Stichwort dazu lautet Private Credit, d.h. Darlehen, die z.B. von Versicherungen, Family Offices, Vorsorgeeinrichtungen usw. direkt an Unternehmen vergeben werden.
Kredite könnten als Private Credit verbrieft und plaziert werden, hält EY fest. «Dies könnte durch eine horizontale oder vertikale Tranchierung und Bereitstellung der Kredite am Finanzmarkt geschehen.» Dabei stelle sich jedoch die Frage, ob dies für alle Beteiligten finanziell attraktiv sei.
Nichtbanken und weitere «alternative Finanzierungsquellen»
Ein anderes bereits seit längerem bekanntes Beispiel für Nichtbanken als Akteure (wenn auch ausserhalb des Firmenkundengeschäfts) sind Pensionskassen, die Hypotheken vergeben. Mit den generell tieferen Zinsen dürfte die Anlageklasse Hypotheken aus Sicht der Vorsorgeeinrichtungen noch attraktiver werden, schreibt das VZ Vermögenszentrum in einer jüngst publizierten Studie.
Eine mögliche Lösung besteht gemäss EY des Weiteren darin, «alternative Finanzierungsquellen» zu erschliessen. Dies könne die Zusammenarbeit mit institutionellen Investoren, Pensionskassen und anderen Finanzinstitutionen umfassen, um zusätzliche Mittel für die Kreditvergabe bereitzustellen. Banken könnten gemäss EY auch Partnerschaften mit Fintech-Unternehmen eingehen, «um innovative Finanzierungsmodelle zu entwickeln und den Zugang zu Kapital für Unternehmen zu erleichtern».
Politischer Druck auf die Kantonalbanken
EY empfiehlt den Banken zudem, ihre Risikomanagementstrategien zu überdenken und anzupassen, und zu prüfen, ob sie beispielsweise verstärkt auf besicherte Kredite setzen oder Kreditversicherungen nutzen wollten, um das Risiko zu reduzieren.
Interessante Bemerkung von EY am Rande: Der Untergang der CS habe zu Veränderungen im KMU-Finanzierungsgeschäft geführt, «weshalb es aus der Politik durchaus auch Druck gerade auf die Kantonalbanken gibt, Kredite zu attraktiven Konditionen anzubieten».
Chancen des traditionellen Kapitalmarkts nutzen
Einen relativ naheliegenden Weg, um den Konflikt zwischen dem weiter wachsenden Kapitalbedarf der Wirtschaft und den begrenzten Vergabekapazitäten der Banken zu entschärfen, erwähnt EY allerdings nicht.
Der traditionelle (öffentliche) Kapitalmarkt bietet nämlich Banken durchaus ebenfalls Möglichkeiten, sich günstig zu refinanzieren oder die Bilanz zu entlasten. Das Potenzial dieser Instrumente ist noch nicht ausgeschöpft.
Pfandbriefe, Auslagerung von Krediten oder Risiken
Im Hypothekargeschäft können sich Banken beispielsweise seit bald 100 Jahren günstig Mittel über die von den beiden Pfandbriefinstituten (Pfandbriefzentrale für die Kantonalbanken, Pfandbriefbank für die anderen Banken) emittierten Anleihen beschaffen – und so Engpässe auf der Refinanzierungsseite vermeiden.
Möchte eine Bank ihre Bilanz entlasten, könnte sie zudem z.B. KMU-Kredite an eine Spezialzweckgesellschaft auslagern, die sich wiederum über eine Verbriefung (Asset-backed-Securities) am öffentlichen Anleihenmarkt refinanziert.
Ausfallrisiko von Firmenkrediten verbriefen – so wie es UBS vor 25 Jahren vormachte
Und sollte eine Bank die Kredite zwar auf der eigenen Bilanz behalten, aber das damit verbundene Risiko reduzieren wollen, könnte sie auch nur die damit verbundenen Ausfallrisiken über eine (synthetische) Anleihe auslagern.
Das ist nicht so exotisch, wie es klingt – UBS lancierte bereits vor einem Vierteljahrhundert eine solche Anleihe in Franken für ihre Schweizer KMU-Kredite unter dem Label Helvetic Asset Trust (Hat).
Manchmal lohnt es sich, die alten Instrumente nochmals in die Hand zu nehmen und zu prüfen, bevor man einen ganz neuen Werkzeugkoffer ersteht.