Avaloqs Grossaktionär Warburg Pincus will seine Anteile verkaufen. Das Banken-IT-Unternehmen konnte seine Versprechen nicht einhalten. Die Probleme liegen tief.
Genau vor drei Jahren war Francisco Fernandez in Partylaune: Das Private-Equity-Schwergewicht Warburg Pincus war mit einer Beteiligung von 35 Prozent bei «seiner» Avaloq eingestiegen, dem gemäss eigenen Worten führenden Banken-Software-Hersteller der Schweiz.
Fernandez, damals noch CEO, frohlockte: Warburg Pincus soll Avaloq schon länger umworben haben. Fernandez' Avaloq erhielt zunächst rund 350 Millionen Franken, eine Kapitalspritze, die das Technologie-Unternehmen auf 1 Milliarde Franken bewertete.
Die Pläne waren klar: Avaloq sollte innert drei Jahren die Umsatzmilliarde erreichen, dann würde der Börsengang erfolgen. Das frische Geld war wichtig für den Wechsel des Geschäftsmodells von Avaloq auf einen Software-as-a-Service-Anbieter; die dafür nötige Cloud-Technologie kostet einen zwei- bis dreistellige Millionenbetrag.
Meilenweit von den Zielen entfernt
Diese drei Jahre sind vorüber und Warburg Pincus, inzwischen mit 45 Prozent der Aktien investiert, hat seine Pläne mit Avaloq begraben. Die Amerikaner, ihr Investitionsportfolio beläuft sich auf über 54 Milliarden Dollar, hatten bereits im Herbst vergangenen Jahres nach einer anderen Exit-Möglichkeit zu suchen begonnen.
Erste Gespräche seien geführt worden, doch habe die Corona-Pandemie weitere Fortschritte verhindert, sagten zwei von einander unabhängige Quellen zu finews.ch. Eine Sprecherin von Warburg Pincus sagte zu finews.ch, ein formeller Verkaufsprozess sei nicht eingeleitet worden und man sei nicht in Eile, den Anteil zu verkaufen.
Mit Dan Zilberman hat Warburg Pincus einen ihrer Topshots im Avaloq-Verwaltungsrat – und was er in den vergangenen drei Jahren überblicken konnte, war nicht zufriedenstellend. Wachstums- und Margenentwicklung von Avaloq sind verhalten – mit derzeit gut 600 Millionen Franken Umsatz ist das 1985 gegründete IT-Unternehmen meilenweit von den stolz formulierten Zielen entfernt.
Zu langsam, zu wenig profitabel
Was ist geschehen? Die Antwort ist nicht einfach: Den hoch gesteckten Zielen stehen Mängel gegenüber, die sowohl organisatorischer als auch technologischer Natur sind. Die Ausgangslage war einst vielversprechend gewesen: Avaloq war mit seiner Banking-Suite der Marktführer in der Schweiz und das Unternehmen preist sich selber als führendes Software-Unternehmen für Privatbanken und Wealth Manager.
Doch der Sprung des Zürcher Unternehmens mit seinen rund 500 Mitarbeitern zum globalen Konzern mit effizienten Strukturen gelang nicht, genauso wenig wie die Verbesserung der Profitabilität. Fernandez übergab zwar den CEO-Posten im Jahr 2018 an Juerg Hunziker, blieb aber im Tagesgeschäft.
Hunziker und Fernandez
Hunziker brauchte über ein Jahr, um seine Rolle zu finden und die Kompetenzen mit Fernandez zu regeln. Avaloq kämpfte zu diesem Zeitpunkt noch mit dem Riesen-Projekt Arizon, einer komplett neuen Banken-Plattform für die Raiffeisen Gruppe. Derweil verlief Umstellung des Geschäftsmodells von Einnahmen durch Software-Lizenzen zu einem «Software as a Service»-Anbieter (SaaS) schleppend – und sie ist es noch heute.
Avaloq gelang im Jahr 2019 gerademal eine Umsatzsteigerung von 6 Prozent auf 609 Millionen Franken. Die operative Marge beläuft sich derzeit auf 16 Prozent – was für ein Technologieunternehmen viel zu wenig ist.
Vor allem Bestandesgeschäft und Outsourcing
Warburg Pincus hatte auf die Margenentwicklung von Avaloq gesetzt. In der Theorie sind SaaS-Plattformen beliebig skalierbar, steigt der Umsatz, dann klettert die Marge exponentiell. Doch Avaloqs Umsatz scheint immer noch stark am Bestandesgeschäft sowie an den Outsourcing-Dienstleistungen zu hängen. Vom SaaS-Effekt ist nichts zu sehen.
Avaloq droht somit eine wichtige Entwicklung zu verpassen: Wealth Management aus der Steckdose. Die Cloud-Technologie ermöglicht es Saas-Anbietern, Privatbanken und Vermögensverwaltern modulare Systeme zur Verfügung zu stellen. Viele mittlere und kleine Finanzinstitute haben schlicht nicht die Mittel, eine massgeschneiderte Plattform entwickeln zu lassen und setzen darum auf standardisierte Lösungen.
Temenos liegt vorne
Doch Avaloq hängt immer noch zu sehr an den Einnahmen mit der Banking-Suite, seiner Plattform, die das Volumen einer mittelgrossen Bank benötigt, um bewirtschaftet werden zu können.
Avaloqs Genfer Konkurrent Temenos liegt dabei deutlich vorne: Der Umsatz liegt nun knapp unter einer Milliarde Franken – bei einer Gewinnmarge von 38 Prozent. Zum jetzigen Aktienkurs ist Temenos ganze 10,8 Milliarden Franken wert. Einen grossen Sprung machte Temenos vergangenes Jahr mit der Akquisition von Kony, dem führenden Saas-Anbieter in den USA.
Demgegenüber kommt Avaloq seit über drei Jahren nur schleppend vom Fleck. Die Coronapandemie kam da ungelegen: CEO Hunziker mahnte seine Belegschaft zur Vorsicht, aber die mittelfristigen Ziele seien intakt.
Rating herabgestuft
Diesen Optimismus teilt die Rating-Agentur Standard & Poors nicht. Vor drei Wochen senkte sie ihren Ausblick von «stabil» auf «negativ». Sie erwartet einen Umsatzrückgang von bis zu 4 Prozent sowie 30 Millionen Franken ausserordentliche Kosten. Immerhin sitze Avaloq auf hohen Barmitteln, genug um eine Krise zu überstehen.
Dem Avaloq-Ruf wenig zuträglich war die kürzlich erfolgte Migration der deutschen Apobank auf eine neue Avaloq-Plattform. Das Projekt hatte nach mehreren Verzögerungen über eine halbe Milliarde Euro gekostet – und die Umstellung verlief alles andere als reibungslos. Das Ergebnis: Avaloq hat in Düsseldorf nun eine Filiale mit 75 Mitarbeitern, die für die Apobank die Wertpapierabwicklung übernehmen.
So passt Avaloq nicht mehr ins Investmentschema von Warburg Pincus. Das renommierte Private-Equity-Haus – Mitarbeiter sind unter anderen Ex-Swiss-Re-CEO Jacques Aigrain, Ex-Finanzchef der Deutschen Bank Stefan Krause und Ex-Santander-Chef Javier Marin – wird mit dem angestrebten Ausstieg bei Avaloq kaum die Soll-Rendite erreichen.
Der Misserfolg stellt die Frage: Wenn Warburg Pincus aus Avaloq keine Renditeperle mehr machen kann, wer dann?