Sie rissen den Schweizer Bankenplatz in den Strudel des Steuerstreits. Doch 2014 sind nicht wenige Datendiebe selber ganz unten angelangt. Ein Augenschein.
Seit der Finanzkrise gelten sie als Geissel des Swiss Banking: Die Datendiebe, die ausländische Steuerfahnder scheinbar mit immer neuen Daten CD versorgen und damit jede wirksame Verteidigungsstrategie im Steuerstreit von vornherein vereiteln.
Noch mehr: Oftmals flüchtig im Ausland und von den düpierten Schweizer Banken totgeschwiegen, schien die Schweiz und ihr Bankenplatz bisher wenig Handhabe gegen die Verräter des Bankgeheimnisses zu haben.
Das änderte sich zuletzt. Ausgerechnet das Jahr 2014, in dessen Lauf sich der Bankenplatz mit bislang so undenkbaren Themen wie dem automatischen Austausch von Bankkunden-Daten auseinandersetzte, wurde auch zum Schicksalsjahr für die gefürchteten Datendiebe.
Ausgejubelt
Ob Rudolf Elmer, Bradley Birkenfeld, Hervé Falciani oder Pierre Condamin-Gerbier: Ihre Namen hört man nicht im selben Atemzug mit stets neuen Untersuchungen gegen Schweizer Banken – sondern in Zusammenhang mit Anklagen und persönlichen Tragödien. Es zeigt sich: Die einst (im Ausland) bejubelten Datendiebe sind 2014 ganz unten angelangt.
Im ganz besonderen Masse gilt das für Rudolf Elmer (Bild links). Für den Datendieb der ersten Stunde – oder Whistleblower, wie er sich selber nennt – endete das Jahr ganz wortwörtlich mit einem Kollaps. Der ex-Manager der Bank Julius Bär auf den Cayman-Inseln hatte 2008 Kundendaten seiner Bank auf die Enthüllungs-Plattform Wikileaks hochgeladen und damit das gesamte Swiss Banking in Atem gehalten. 2009 soll er dann dem damaligen deutschen Finanzminister Peer Steinbrück Datensätze angeboten haben; 2011 übergab erweitere CDs an Wikileaks.
Zusammenbruch im Prozess
Im selben Jahr wurde Elmer jedoch vom Zürcher Bezirksgericht unter anderem wegen Verletzung des Bankgeheimnisses in erster Instanz verurteilt. Ein erster schwerer Schlag für den gesundheitlich fragilen Elmer – der nun dieser Tage eine Fortsetzung finden sollte.
Nachdem die Zürcher Staatsanwaltschaft letzten Sommer erneut Anklage gegen Elmer erhoben hatte, musste sich der 59-Jährige Anfangs Dezember vor dem Zürcher Bezirksgericht wegen Verletzung des Bankgeheimnisses verantworten – und brach während der Verhandlung zusammen. Der Prozess ist nun vertagt. Doch parallel verlaufende Fälle verheissen für die Sache Elmer nichts Gutes.
Als Hochstapler entlarvt
So fällte das Bundesstrafgericht in Bellinzona TI vor wenigen Tagen sein Urteil über Pierre Condamin-Gerbier (Bild links). Wie das Blatt «Tagesanzeiger» berichtete, kassierte der ex-Angestellte der Bank Reyl in Genf zwei Jahre Haft auf Bewährung und muss seiner früheren Arbeitgeberin 241'000 Franken Schadenersatz zahlen. Dies, nachdem ihn die Richter in Bellinzona des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes für schuldig befunden hatten.
Ganz nebenbei entlarvte das Urteil den selbst ernannten Whistleblower auch noch als Hochstapler. Laut den Untersuchungen der Schweizer Bundesanwaltschaft war offenbar vieles von dem Material, das Condamin-Gerbier an französische Behörden, Politiker und Medien weitergegeben hatte, schlicht falsch.
In Frankreich indes galt der ehemalige Kader der Bank Reyl lange als mutiger Whistleblower, seit er den dortigen Behörden Dokumente über ein Schwarzgeld-Konto von Frankreichs Budgetministers Jérôme Cahuzac bei der Bank Reyl zugespielt hatte. Im April 2013 musste der Top-Politiker inmitten eines gewaltigen Skandals zurücktreten. Als Condamin-Gerbier im Sommer darauf in der Schweiz festgenommen wurde, standen Frankreich und die Schweiz kurz vor einem diplomatischen Krise.
Mit einem Fuss im Gefängnis
Als Whistle-Blower gar noch mit einer Prämie von 104 Millionen Dollar bedacht wurde der Ex-UBS-Banker Bradley Birkenfeld (Bild links) in den USA. Die Belohnung der Superlative spiegelt dabei die enorme Wirkung, die sein Verrat am Schweizer Bankgeheimnisses entfalten sollte: Als Birkenfeld 2008 die amerikanischen Behörden über die Schwarzgeld-Praktiken bei der UBS unterrichtete, brachte er damit den Steuerstreit mit den USA ins Rollen.
Trotzdem würde wohl niemand mit Birkenfeld tauschen wollen. 2008 wegen Steuerdelikten in den USA verurteilt, sass er jahrelang in Haft und wurde 2012 auf Bewährung entlassen. Diesen Sommer stand er bereits wieder mit einem Fuss im Gefängnis, weil er im angetrunkenen Zustand gefahren war und damit gegen die Bewährungsauflagen verstossen hatte.
Wie dieser Tage nun bekannt wurde, will sich der Amerikaner Birkenfeld nun nach Europa absetzen, um hier ein neues Leben zu beginnen.
Im Visier der Bundesanwälte
Gar bis nach Indien reiste Hervé Falciani (Bild oben) dieses Jahr, um als Whistleblower im Geschäft zu bleiben. Die nach ihm benannte «Falciani-Liste» mit Tausenden von Kundendaten, die der IT-Spezialist zwischen 2006 und 2008 bei der der HSBC Privatbank in Genf entwendet hatte, hatte er bereits zahlreichen europäischen Staaten zugespielt.
Doch die Schweizer Bundesanwaltschaft will nun offenbar auch im Fall Falciani durchgreifen. Wie die Behörde ebenfalls diesen Dezember bekannt machte, will sie den 42-Jährigen Datendieb vors Schweizer Bundesstrafgericht bringen. Die Anwälte des Bundes werfen ihm wirtschaftlichen Nachrichtendienst vor sowie Verletzung des Bankgeheimnisses. Allerdings ist Falciani flüchtig – er hatte sich 2008 über Nacht ins Ausland abgesetzt.
Elmer, Condamin-Gerbier, Birkenfeld und Falciani: Die Schicksale der Datendiebe laden kaum zur Nachahmung ein.
Verrat in einer neuen Dimension
Doch die Strafen, die bereits verhängt wurden und ihnen noch drohen, kommen Jahre zu spät. Das Bankgeheimnis ist längst demontiert, und die offizielle Schweiz ist auf die Weissgeld-Strategie eingeschwenkt. Dass diese epochale Veränderung in weniger Jahren über die Bühne ging, ist nicht zuletzt den Datenlecks der Banken geschuldet.
Derweil droht dem Schweizer Banking in den kommenden Monaten ein Geheimnisverrat in einer ganz neuen Dimension. So müssen die rund 100 Schweizer Banken, die sich in die Kategorie 2 des Programms zur Beilegung des Steuerstreits mit den USA einreihen, den amerikanischen Behörden umfangreiche Zugeständnisse machen – so umfangreich, dass sie nach heutigem Wissensstand das Schweizer Bankgeheimnis verletzen würden.
Vor dem Kadi in Amerika
Und da sind auch die rund 25 Schweizer Banker, die derzeit erwägen, ähnlich wie der ehemalige UBS-Top-Banker Raoul Weil ihre Sache vor einem amerikanischen Gericht zu verteidigen – was ebenfalls in Konflikt mit dem Bankgeheimnis bringen könnte.
So oder so: Auch 2015 wird für das Swiss Banking wohl nicht ohne Verrat über die Bühne gehen.