Ausländische Medien belasten die Credit Suisse mit massiven Anschuldigungen. Einiges deutet darauf hin, dass es sich dabei um einen konzertierten Versuch handelt, um nicht nur die Bank, sondern den Schweizer Finanzplatz als Ganzes zu diskreditieren.
Der Credit Suisse (CS) geht es derzeit nicht gut. Die Finanzskandale rund um Archegos und Greensill sowie weitere, drohende Rechtsfälle belasten das Geschäft erheblich; die Reputation ist angeschlagen, und der Bank ist es bis zum heutigen Tag kaum gelungen, Perspektiven aufzuzeigen, an denen Investorinnen und Investoren Gefallen finden könnten.
Just in dieser Situation prasseln neue Anschuldigungen auf die zweitgrösste Schweizer Bank nieder. Sie sind von enormer Tragweite, weil sie das Schweizer Finanzsystem respektive einen der wichtigsten Pfeiler davon in Frage stellen: das Bankgeheimnis. Worum geht es?
Sicherer Hafen
Jahrzehnte lang soll die CS Kriminelle, korrupte Staatschefs und Beamte als Kunden betreut haben. Basis für diese schweren Anschuldigungen sind veruntreute Daten, die einem internationalen Journalisten-Netzwerk zugespielt worden sind, dem insgesamt 46 Medien angehören sollen, darunter die eher politisch links ausgerichteten Zeitungen «Le Monde», «The Guardian», die «Süddeutsche Zeitung» oder der «Miami Herald».
Dem Vernehmen nach soll die CS von den 1940er-Jahren bis in die Gegenwart als «sicherer Hafen» für zweifelhafte Geschäfte und Gelder gedient haben.
Äusserst heikel – äusserst fragwürdig
Die Anschuldigungen, in denen beispielsweise Kasachstans Ex-Präsident Nursultan Nasarbajew sowie dessen Familie, Abdullah II., König von Jordanien, oder Nervis Villalobos, ehemaliger Vize-Energieminister Venezuelas, und diverse Menschen- und Kokainhändler sowie Geldwäscher als Kunden erwähnt werden, sind äusserst heikel – um nicht zu sagen fragwürdig –, zumal die Bank ihre Vergangenheit verschiedentlich aufgearbeitet hat und sich über diese Zeit gleichzeitig die schweizerischen Gesetze in Bezug auf Korruption und Geldwäscherei massiv verändert und insbesondere verschärft haben. Das muss indessen nicht bedeuten, dass sich die CS stets korrekt verhalten hat.
Doch der orchestrierte Angriff auf die CS mutet doch merkwürdig an, weil er erstens veraltete Klischees neu bedient, zweitens zu einem Zeitpunkt erfolgt, da sich die Bank in einer äusserst schwierigen Situation befindet, und drittens, einmal mehr aus dem Ausland, das Schweizer Bankgeheimnis als institutionalisiertes Mittel oder Werkzeug interpretiert wird, um mit eindeutig kriminellen Geldern zweifelhafte Geschäfte zu machen.
Unvollständig, ungenau und aus dem Zusammenhang herausgerissen
Als Reaktion auf die Anschuldigungen weist die CS die Vorwürfe und Unterstellungen entschieden zurück, wie sie in einem Communiqué am Sonntagabend mitteilte. Die dargestellten Sachverhalte seien überwiegend historisch bedingt. Die Darstellungen dieser Sachverhalte beruhten auf unvollständigen, ungenauen oder selektiven Informationen, die aus dem Zusammenhang gerissen worden seien und zu tendenziösen Interpretationen des Geschäftsgebarens der Bank führten.
Nach zahlreichen Anfragen des Medienkonsortiums in den vergangenen drei Wochen hat die Credit Suisse offenbar eine grosse Anzahl an Konten überprüft, die möglicherweise mit den angesprochenen Angelegenheiten in Zusammenhang stehen. Rund 90 Prozent der kontrollierten Konten seien heute geschlossen oder befanden sich vor dem Eingang der Presseanfragen im Schliessungsprozess, wovon über 60 Prozent vor 2015 geschlossen worden seien.
Erfolgreich in der Pandemie
«Bei den verbleibenden aktiven Konten sind wir sicher, dass angemessene Due-Diligence-Prüfungen, Überprüfungen und andere Kontrollmassnahmen im Einklang mit unserem derzeitigen Rahmenwerk durchgeführt wurden. Wir werden die Angelegenheit weiter analysieren und bei Bedarf zusätzliche Schritte einleiten», liess die CS weiter verlauten.
So, wie diese neuen Anschuldigungen daher kommen, scheinen sie ein konzertierter Versuch zu sein, nicht nur die geschwächte CS, sondern über sie hinaus den Schweizer Finanzmarkt als Ganzes zu diskreditieren. Dies zu einem Zeitpunkt, da die Schweiz mit ihrer insgesamt liberalen Covid-Politik im Gegensatz zu vielen europäischen Staaten die schwierige Zeit überaus erfolgreich gemeistert hat – und der hiesige Finanzplatz während der vergangenen zwei Jahre regelrecht prosperiert hat – mit Ausnahme der CS.
Verbesserungen kategorisch ausgeblendet
Die ausländischen Attacken zeichnen sich regelmässig dadurch aus, dass sie die Verbesserungen der Schweiz in Sachen Geldwäscherei-Prävention und Bekämpfung der Finanzkriminalität kategorisch ausblenden und stattdessen einem überholten und dramatisch vereinfachten Bild nachhängen.
Seit der Einführung des Automatischen Informationsaustauschs (AIA) im Jahr 2017, den die Schweiz inzwischen mit mehr als 100 Ländern praktiziert, existiert das Schweizer Bankgeheimnis wie es die Kritikerinnen und Kritiker immer noch definieren, schon lange nicht mehr. Es entbehrt dabei auch nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet die USA beim AIA nicht mitmachen, sondern mit Fatca ein eigenes Regelwerk haben. US-Kreise sind es übrigens auch, die in der Regel solche Enthüllungen (Leaks) initiieren respektive finanzieren.
Globale Marketing-Offensive dringend nötig
Vor diesem Hintergrund muss die jüngste Breitseite insofern Ernst genommen werden, als sie mit der CS einerseits das derzeit schwächste Glied in der Wertschöpfungskette des Schweizer Bankwesens trifft, und andererseits ein dreister Schlag gegen das recht eigentlich bewährte Schweizer Finanzsystem ist. Es wäre in diesem Zusammenhang durchaus interessant zu vergleichen, wie die Aufarbeitung der Vergangenheit auf anderen internationalen Finanzplätzen bislang vollzogen worden ist.
Angesichts der jüngsten Anschuldigungen wäre es höchste Zeit, dass die Schweiz mit ihren Banken, was schon früher verschiedentlich – aber erfolglos – gefordert wurde, endlich eine globale Marketing-Offensive starten würde, um die Verhältnisse wieder ins Lot zu bringen.