Aufsichtspräsidentin Marlene Amstad hat die Branche an einem Tag des geselligen Zusammenseins mit dem Plan zu neuen Vorschriften überrascht. Für die Asset Manager ist dies auch ein Zeichen ihres Erfolgs.
Der Saal im Berner Luxushotel Bellevue war am heutigen Asset Management Day bis auf den letzten Sitz belegt. Insofern hatte Marlene Amstad, die Präsidentin der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma), ihre Schäfchen beisammen, als sie auf dem Podium ein neues Regulationsvorhaben lancierte.
Die Behördenvertreterin, die einst selbst im Asset Management gearbeitet hatte, stellte nämlich ein neues Gesetz zu Liquiditätsvorschriften auf Fondsstufe in Aussicht.
Das Wasser getestet?
Wenn Amstad in Bern das Wasser testen wollte, dann ist ihr dies geglückt: In der Mittagspause diskutierten die in Scharen angereisten Branchenvertreter eifrig, was da genau auf sie zukommt. Wie sich schon jetzt herauskristallisiert, ist die Branche wohl Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden.
So hat das Asset Management hierzulande in den vergangenen Jahre ein fulminantes Wachstum hingelegt. Am Schweizer Finanzmarkt entfällt mittlerweile rund 50 Prozent des Volumens auf den Nichtbankensektor (Nonbank Financial Institution, NBFI), an dem wiederum die Investment-Industrie einen gewichtigen Anteil hat. Weltweit haben NBFI – weniger schmeichelhaft auch als Schattenbanken bezeichnet – ebenfalls an Bedeutung für das Finanzsystem gewonnen.
Wohl auch deshalb stehen sie spätestens seit 2022 unter verstärkter Beobachtung. So hat der mächtige globale Finanzstabilitätsrat (Financial Stabilität Board FSB), wo die Finma sinnigerweise im Steuerungsausschuss zu NBFI vertreten ist, sich im vergangenen Jahr intensiv mit den Liquditätsrisiken in jenem Sektor auseinandergesetzt. Dies nach einer ersten Reihe von Empfehlungen in den Jahren 2017 und 2018.
Böse Erinnerungen an den Corona-Crash
Der Finanzstabilitätsrat wurde dabei von zwei Ereignissen aufgeschreckt. Zum einen war dies der Corona-Crash vom März 2020, während dem es zu massiven Abflüssen in grossen Anleihen-Fonds kam. Diese Rückzüge drohten sich in eine allgemeine Geldklemme auszuweiten und veranlassten die Notenbanken weltweit dazu, die Märkte mit Liquidität zu fluten. Im September 2022 musste dann die Britische Zentralbank Bank of England nochmals notfallmässig Staatsanleihen des Königreichs kaufen, weil es bei den Papieren zu einem Preiscrash gekommen war. Dieser drohte wiederum britische Pensionskassen mit in den Strudel zu reissen.
Die Vorsorgewerke waren stark in britische «Gilts» investiert gewesen. Zeitweilig fürchtete man auch in der Schweiz deswegen eine neue Schuldenkrise.
Diese Gründe haben den Finanzstabilitätsrat veranlasst, das Problem an der Wurzel zu packen. Angestrebt wird dabei ein systemischer Ansatz, bei dem die verschiedenen Finanzplätze und -Akteure bei der Bekämpfung zusammenwirken. Denn dort liegt die Krux: Massnahmen, die aus der Sicht eines einzelnen Fonds Sinn ergeben, können kumuliert das Finanzsystem in schwere Bedrängnis bringen. Etwa, wenn Fondsmanager unter Druck geratene Anlagen rasch abstossen, um ihre Investoren schadlos zu halten – damit aber den Preis der Papiere noch mehr nach unten drücken.
Gating per Gesetz?
Entsprechend brauche es die Fähigkeit, aus den Bäumen herauszutreten und den Wald zu betrachten, sagte Ulf Lewrick in seinem Referat, das die Ausführungen von Finma-Präsidentin Amstad gut zu sekundieren schien. Lerwick ist Ökonom bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel und beobachtet die Wechselwirkung zwischen Finanzsystem und -regulation. Jetzt sei die Zeit, für die nächste Krise vorzusorgen, mahnte er an die Adresse der anwesenden Branchenvertreter.
Wie ein solches Liquiditäts-Gesetz aussehen könnte, war am Freitag Gegenstand von viel Spekulation. So hiess es etwa, die Finma wolle eine Möglichkeit schaffen, dass Fonds auf aufsichtsrechtlicher Grundlage zeitweilig für Rückzüge geschlossen werden. Dieses «Gating» würde helfen, panikartige Abflüsse und Notverkäufe von Anlagen einzudämmen.
Bisher keine Risiken indentifiziert
Wie die Finma in Ergänzung zur Rede ihrer Präsidentin festhält, hat sie gegenwärtig keine potenziell systemischen Risiken identifiziert, die vom Schweizer NBFI-Sektor ausgehen. Dennoch könnte die Finanzaufsicht schon bald weitere Schritte in der Sache unternehmen.
Denn die für die internationalen Standards zuständigen Stellen FSB sowie Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) werden die bereits bestehenden Vorgaben zum Liquiditätsrisiko-Management bei offenen Fonds in diesem Jahr und 2024 überarbeiten. Dies aufgrund der erwähnten Vorkommnisse.
Aufgrund dieser laufenden Arbeiten bei FSB und IOSCO wird sich die Frage stellen, ob die Änderungen der internationalen Standards anschliessend auch in der Schweizer Fondsregulierung nachvollzogen werden sollen. Mit dieser Fragestellung müsste sich dann allerdings der Gesetzgeber auseinandersetzen.