Die Initiative von Thomas Minder führt zu einem Wandel. Die Vergütungen für die CEO sind über die letzten zehn Jahre gesunken. Zu diesem Befund kommt die Swipra-Studie zur GV-Saison 2024. Die Manager der SMI-Unternehmen verdienen allerdings deutlich mehr.

Vor gut zehn Jahren hat der Bundesrat die Minder- respektive «Abzocker»-Initiative, die sich gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Unternehmen richtete, auf dem Verordnungsweg umgesetzt (in der Zwischenzeit sind die Bestimmungen ins Aktienrecht überführt worden). Die Initiative war vom seinerzeitigen Schaffhauser Ständerat Thomas Minder lanciert worden, der ob Manager-Boni-Exzessen erboste Souverän hatte sie 2013 wuchtig angenommen.

Vor diesem Hintergrund verdient die Auswertung der Ergebnisse des Abstimmungsverhaltens der Aktionäre an den Generalversammlungen (GV), welche der Corporate-Governance-Think-Tank und -Dienstleister Swipra Services am Freitag vorlegte, besondere Beachtung. Swipra hat nämlich über 2000 Geschäfte an den GV der 100 grössten Schweizer Unternehmen (SPI 100, ein Index in dem sich auch zahlreiche Banken, Versicherungen und Finanzdienstleister befinden) unter die Lupe genommen. Die GV fanden zwischen dem 1. Juli 2023 und dem 10. Juni 2024 statt.

«Keine wirklichen Lohnexzesse mehr»

Der Blick auf die Zahlen zeigt, dass die mit der Minder-Initiative eingeführte Mitsprache der Aktionäre bei den Vergütungen durchaus gewirkt hat. Der Mittelwert (Median) der Vergütung für einen CEO der grössten 100 Unternehmen in der Schweiz, die 2013 noch 2,4 Millionen Franken betragen hatte, belief sich vergangenes Jahr auf 2,2 Millionen, ein Rückgang von 8 Prozent (ohne Berücksichtigung der Teuerung).  

«Nach 10 Jahren Minder lassen sich im Allgemeinen keine wirklichen Lohnexzesse mehr feststellen, somit wurde das eigentliche Ziel der Initiative erreicht. Auch zeigt sich eine Verschiebung in Richtung variabler, leistungsabhängiger Vergütungselemente. Der Zusammenhang zwischen Zielerreichung und Vergütung wird aber oftmals nach wie vor nicht gut genug dargelegt», konstatiert Studienleiter und Swipra-Partner Christoph Wenk Bernasconi.

Mehr bei grossen Unternehmen dank internationalem Wettbewerb

Bei den Unternehmen, die im Börsenbarometer der Standardwerte SMI vertreten sind, zeigt sich allerdings, dass der internationale Wettbewerb um talentierte CEO spielt. In diesem Segment nahm der Mittelwert des CEO-Gehalts nämlich über die Jahre auf 8,2 Millionen Franken zu, ein Wachstum von 22 Prozent, für das vor allem höhere Bonuszahlungen verantwortlich sind; was umgekehrt bedeutet, dass der Rückgang bei Nicht-SMI-Gesellschaften mit 16 Prozent recht ausgeprägt ausfällt.

Mit dieser Steigerung bewegen sich die CEO von grossen Schweizer Unternehmen zwischen ihren Pendants in den USA, die bei Unternehmen im S&P 500 44 Prozent mehr einstrichen als 2013, und Deutschland, wo bei Dax-Werten ein Plus von 13 Prozent rausschaute. Die GV-Saison 2024 zeige jedoch, dass die Aktionäre bei der Vergütung durchaus wieder mehr Gegensteuer gäben, beobachtet Swipra. Gut 15 Prozent der Aktionäre hätten gegen den Vergütungsbericht gestimmt, 50 Prozent mehr als 2014 und fast doppelt so viele wie im europäischen Durchschnitt.

Nachhaltigkeit überfordert Aktionäre

Ein Bereich, in dem jüngst neue Aktionärrechte geschaffen worden sind, betrifft die Nachhaltigkeit. Das erste Jahr mit einer GV-Abstimmung zum Nachhaltigkeitsbericht habe vor allem den Unternehmen einen immensen Kraftakt zur Bereitstellung vieler neue Daten abverlangt, hält Swipra fest. «Die Aktionäre schienen mit dieser Datenflut mehrheitlich überfordert gewesen zu sein und nickten die Berichte im Durchschnitt mit 97,1 Prozent Zustimmung ab.» Doch immerhin sei nun eine Grundlage geschaffen worden, und künftig würden die Aktionäre das Augenmerk darauf legen, ob die gesetzten Ziele bei der Nachhaltigkeit wirklich erreicht würden.

Apropos Nachhaltigkeit: Zwei von drei Unternehmen setzen ESG-Indikatoren, also ökologische, soziale und unternehmensorganisatorische Messzahlen, auch in der variablen Vergütung des Managements ein. Doch bei über der Hälfte davon handle es sich um unklare, qualitativ definierte Zielsetzungen, moniert Swipra. Von aussen lässt sich damit kaum nachvollziehen, ob sie erfüllt werden oder nicht.

Mehr Aktionäre pochen auf mehr Diversität

Auch beim Dauerbrenner Diversität gibt es bemerkenswerte Entwicklungen. Der durchschnittliche Frauenanteil im Verwaltungsrat von SPI-100-Unternehmen stieg auf 33 Prozent. Die Aktionäre goutieren einen tiefen Frauenanteil aber offenbar immer weniger. Von den 100 VR-Wahlen mit den meisten Gegenstimmen wurden bei 28 Prozent die fehlende Diversität als Grund für die Opposition angegeben (das wichtigste Motiv für ein Nein sind Bedenken wegen der Unabhängigkeit, etwa im Zusammenhang mit Doppelmandaten).

Die Vermutung liegt nahe, dass dabei die Empfehlungen der  internationalen Stimmrechtsberater und die eigenen Anlagerichtlinien institutioneller Investoren eine wesentliche Rolle spielen – Privataktionäre haben für zeitgeistige Diversitätsanliegen erfahrungsgemäss weniger Gehör.