Die Banken in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) haben von der russischen Kapitalflucht bislang profitiert. Welche Auswirkungen hätte für sie ein Frieden in der Ukraine? Eine Studie von Standard and Poor’s kommt zu überraschenden Ergebnissen.
Von Gérard Al-Fil, Dubai
Die jüngste amerikanisch-ukrainische Gesprächsrunde in Dschidda, Saudi-Arabien, über einen möglichen Waffenstillstand zwischen Kiew und Moskau hat die Banken im Nachbarstaat Vereinigte Arabische Emirate (VAE) aufhorchen lassen.
Die Golf-Emirate wurden in den vergangenen Jahren zu einem beliebten Ziel von Fluchtgeldern in Milliardenhöhe und von gut ausgebildeten Arbeitskräften aus beiden Frontstaaten, die ihre Heimat aufgrund des Krieges verliessen. Der Grund: Die VAE nehmen offiziell eine neutrale Haltung ein und unterhalten sowohl zu Moskau als auch zu Kiew Beziehungen. Jetzt wird am Golf diskutiert, ob der politisch stabile und wirtschaftlich boomende Ölstaat seine Rolle als sicherer Hafen einbüssen könnte, falls US-Präsident Donald Trump sich als Friedensstifter durchsetzen würde.
Russische Gelder fliessen nicht so schnell ab
In einer in diesen Tagen veröffentlichten Studie gingen die Analysten von S&P genau dieser Frage nach. «Wir erwarten nicht, dass ein Waffenstillstand zu einem Stopp oder gar einem Bumerangeffekt führen wird, im Hinblick auf Kapital und auf Arbeitskräfte aus Russland», sagt Mohamed Damak, der geschäftsführende Direktor bei S&P in Dubai. Und selbst wenn es zu einer Rückkehr im grossen Stil käme, «so würden viele Russen wohl ein Standbein in den VAE in Form von Bankkonten und Kapital behalten», erwartet Damak.
Investoren aus Russland sind insbesondere gefragte Kunden auf dem Dubaier Immobilienmarkt.
Offene Banken, offener Himmel
Es gibt kaum Zahlen über die Höhe der Gelder, die aufgrund von westlichen Sanktionen auf Konten in Dubai und Abu Dhabi umgeleitet wurden. Doch S&P führt die verbesserte Liquidität bei den Emirate-Banken in den Jahren 2023 und 2024 insbesondere auf russisches Fluchtkapital zurück, das aus westlichen Banken und aus Immobilien abgezogen wurde.
Die Rating-Agentur glaubt, dass russisches Geld, Unternehmertum und Humankapital eher in den VAE bleiben werden, falls die Sanktionen gegen Moskau im Falle eines Waffenstillstands aufgehoben würden. Zu vorteilhaft sei der Golfstaat mit seinen vielfältigen Investitionsmöglichkeiten für die gut betuchten Gastarbeiter aus Osteuropa.
Auch ist der russische Luftraum für arabische Airliner nicht gesperrt. Sowohl die emiratischen Fluglinien Emirates und Etihad als auch Moskaus teilstaatliche Aeroflot verbinden den Golfstaat und die Russische Föderation weiterhin direkt. Laut «The National» aus Abu Dhabi, stiegen die Investitionen der VAE in den Nicht-Öl-Sektor Russlands von 2022 bis 2023 um 103 Prozent und der Gesamthandel nahm in diesem Zeitraum um 67,7 Prozent zu.
Auch bei den Banken sprudelt der Geldfluss. Zum 30. November 2024 entsprachen die liquiden Mittel der Banken in den VAE dem Dreifachen der gesamten Einlagenzuflüsse zwischen 2022 und November 2024.