Die Arbeit im Homeoffice ist zu einem festen Bestandteil der Arbeitswelt geworden. Die Arbeitnehmenden verlangen heute diese Möglichkeit ganz klar. Bemerkenswert sei allerdings die grössere Akzeptanz einer tieferen Entschädigung, wenn im Homeoffice gearbeitet werden könne, erklärt Alain Krapl vom Swiss Finance Institute im Interview mit finews.ch.


Herr Krapl, in der neusten Umfrage zu den Berufsaussichten in der Schweizer Finanzbranche fordern viele Berufsleute stärkere staatliche Massnahmen und Regulationen. Wie erklären Sie sich diesen Trend, zumal Bankerinnen und Banker schärferen Vorschriften im Allgemeinen sonst doch eher skeptisch gegenüberstehen? 

Das Votum von den 65 Prozent der Umfrage-Teilnehmenden, die sich für eine kompetentere Finanzmarktaufsicht aussprechen, würde ich nicht voreilig als ein Ruf nach mehr Regulation interpretieren. Man muss hier zwischen den Spielregeln an sich und deren professionellen Um- und Durchsetzung unterscheiden.

Dass der Eindruck entstanden ist, dass im Falle der Credit Suisse (CS) auf Seiten des Regulators zu spät gehandelt worden ist und die eigentlich zur Verfügung stehenden Instrumente nicht umfassend genutzt worden sind, überrascht mich persönlich nicht.

Das Ende der CS ist bis heute mit vielen Emotionen verbunden. Gleichwohl bewerten die Beschäftigten in der Schweizer Finanzbranche die allgemeinen Berufsaussichten viel besser als im Vorjahr. Warum?

Die CS war eine «Schweizer Institution» mit einer grossen Geschichte und letztlich wohl jeder Schweizerin und jedem Schweizer bekannt. Wenn ein solches Unternehmen aufhört zu existieren, löst dies unweigerlich grosse Emotionen in der Bevölkerung aus.

«Die ‹Schockstarre›, die nach dem Untergang der Credit Suisse eingesetzt hat, hat sich über die Zeit aufgelöst»

Eine identische Reaktion war auch im Fall des Swissair Groundings zu beobachten. Lässt man diese Emotionen aber aussen vor und betrachtet die Situation ganz nüchtern, zeigen die Resultate, dass es der Schweizer Bankenbranche aktuell sehr gut geht, und sie die Ereignisse rund um die CS souverän zu bewältigen vermochte.

Wie beurteilen Sie die Wettbewerbsfähigkeit und Erfolgswahrscheinlichkeit der neuen UBS?

Ein grosser Teil der Umfrageteilnehmenden beurteilt die Situation für die UBS sehr positiv. Diese Einschätzung wird auch von den Finanzmärkten geteilt – und ich persönlich sehe das genauso.

Welche Faktoren tragen aus Ihrer Sicht zu den verbesserten Berufsaussichten und der positiven Beurteilung des Berufseinstiegs bei Banken im Vergleich zum Vorjahr bei?

Das dürfte wohl auch damit zusammenhängen, dass sich die «Schockstarre», die unmittelbar nach dem Untergang der Credit Suisse eingesetzt hat, über die Zeit aufgelöst hat. Heute, rund ein Jahr nach der Notübernahme durch die UBS, zeigt sich ein deutlich differenziertes Bild der Situation, das sich offensichtlich auch in den Umfrageergebnissen manifestiert.

Networking- und Sprachfähigkeiten werden in der Branche als zunehmend wichtig erachtet. Wie spiegeln sich diese Anforderungen in den SFI-Weiterbildungsangeboten wider?

Der Faktor Mensch ist und bleibt im Banking von zentraler Bedeutung. Dazu gehört auch die Kommunikation und Interaktion mit Kunden und mit «Peers» innerhalb der Finanzbranche.

«Wichtig ist auch, dass eine zeitgemässe Weiterbildung zielgerichtet erfolgt»

Letzteres fördern wir aktiv mit den «SFI Master Classes», die nicht nur einen inhaltlichen Mehrwert bieten, sondern darüber hinaus auch die Vernetzung mit Branchenkolleginnen und -kollegen begünstigen.

Wie beeinflusst die erwartete Reduktion der Unterstützung durch Arbeitgeber (finanziell und zeitlich) die Wahl der Weiterbildungsangebote durch die Teilnehmenden?

Zuerst einmal gilt es an dieser Stelle festzuhalten, dass die Schweizer Banken über das SFI sehr wohl direkt, über die industrie-orientierten SFI-Weiterbildungsaktivitäten, und indirekt, über die Forschung, in die Qualifikation ihrer Mitarbeitenden investieren.

Wichtig und richtig ist auch, dass eine zeitgemässe Weiterbildung zielgerichtet erfolgt, und dass die entsprechenden Weiterbildungsangebote auf Effektivität ausgerichtet sind. Die SFI Master Classes werden diesem Anspruch in jeder Hinsicht gerecht, worauf wir grossen Wert legen.

Was sind die Gründe für das überraschende Comeback des Investment Banking in der Umfrage?

In diesem Punkt spiegeln die Umfrageresultate meines Erachtens die sich seit Beginn des Jahres verbesserten Markterwartungen für das Investment Banking wider. Diese hängen primär mit den makroökonomischen Entwicklungen zusammen, insbesondere natürlich mit einem Zinsumfeld, das sich in den letzten Wochen und Monaten deutlich entspannt hat – eine Entwicklung, die nicht nur die Schweiz betrifft, sondern die in einem globalen Kontext zu sehen ist.

Warum wird der Finanzplatz Zürich ähnlich attraktiv wie New York beurteilt, jedoch hinter Dubai und Singapur?

Grundsätzlich ist es natürlich äusserst erfreulich, dass Zürich nicht nur von den Teilnehmenden unserer Umfrage, sondern auch vom «Global Financial Centres Index» nach wie vor als «Global Leader» klassiert wird. Finanzplätze wie Zürich, New York und Singapur sind diesbezüglich «stabile Werte».

Das sind sie, weil die für einen erfolgreichen Finanzplatz essentiellen Determinanten vorhanden sind, namentlich die gute Vernetzung mit anderen Finanzzentren, politische und rechtliche Stabilität, liberale Marktbedingungen mit geringen Handelshemmnissen, attraktive steuerliche Bedingungen, gute Infrastruktur, oder gut ausgebildetes Fachpersonal.

«Die Umfrageresultate zeigen eine Bewegung zurück zur Arbeit im Büro»

Aktuell aufstrebende Finanzmärkte wie Dubai sind diesbezüglich oft sehr dynamisch unterwegs. Das bietet natürlich Chancen, aber meines Erachtens natürlich gleichzeitig auch Risiken. Ich persönlich sehe die Stabilität der genannten Faktoren in der Schweiz als unseren nachhaltigen Erfolgsfaktor.

Wie haben sich die Einstellungen der Teilnehmenden zu Homeoffice und Lohnreduktionen im Vergleich zum Vorjahr verändert?

Die Umfrageresultate zeigen eine weitere Bewegung zurück zur Arbeit im Büro respektive zu einem gesunden Gleichgewicht zwischen den jeweiligen Vorteilen, welche die Arbeit im Büro sowie jene im Homeoffice bieten. Eins ist aber klar: Die Arbeit im Homeoffice ist zum festen Bestandteil der modernen Arbeitswelt geworden. Die Arbeitnehmenden verlangen diese Möglichkeit heutzutage ganz klar.

Bemerkenswert ist die deutliche Veränderung der Akzeptanz einer tieferen Entschädigung, wenn im Homeoffice gearbeitet werden kann. In der diesjährigen Umfrage würde rund die Hälfte der Teilnehmenden dafür eine Lohneinbusse in Kauf nehmen. Vergangenes Jahr waren es nur 20 Prozent gewesen.

Wie schätzen Sie die Bedeutung der Forschung und Ausbildung sowie die Qualität der Mitarbeitenden für den Erfolg des Schweizer Bankensektors ein?

Ich denke, die Antwort auf diese Frage ist offensichtlich – Banking ist und bleibt ein People's Business – und zwar nicht nur im eigentlichen Sinne. Hervorragend ausgebildete Mitarbeitende sind natürlich an der Schnittstelle mit Kundinnen und Kunden essentiell.

«Neu bieten wir die «SFI Master Classes» auch ausserhalb der Finanzzentren, Genf, Lugano und Zürich an»

Aber auch im Middle- und Back-Office steigen mit zunehmender Digitalisierung die Anforderungen an das Personal. Eine lokale Forschungs- und Ausbildungslandschaft von höchstem Niveau ist zentral, um den aktuellen Herausforderungen erfolgreich begegnen zu können. Das SFI leistet in diesem Zusammenhang einen sehr wichtigen Beitrag.

Welche Initiativen plant das SFI in diesem Jahr?

Wir konzentrieren uns unverändert auf den weiteren Ausbau unserer industrie-orientierten Knowledge Exchange Initiative. Mit unseren «SFI Master Classes» treffen wir den Nerv der Zeit und bilden punktgenau die Weiterbildungsbedürfnisse unserer Zielgruppe, den Bankmitarbeitenden, ab.

In den vergangenen rund vier Jahren verzeichneten wir bereits mehr als 4‘000 Teilnehmende und das Angebot wird inhaltlich laufend erweitert. Neu bieten wir die «SFI Master Classes» nebst in englischer Sprache vermehrt auch in drei Landessprachen sowie ausserhalb der etablierten Finanzzentren, Genf, Lugano und Zürich an.


Alain Krapl ist seit Februar 2023 Head Knowledge Exchange and Education sowie Mitglied der Geschäftsleitung beim Swiss Finance Institute (SFI). Zuvor war er bereits eineinhalb Jahre als Director im Bereich Knowledge Exchange tätig. Der Finanzexperte verfügt über eine langjährige akademische Karriere in den USA. Seine Hochschulaktivitäten führten ihn unter anderem von der University of North Carolina at Charlotte über die University of Connecticut bis zur Northern Kentucky University, wo er zuletzt als Finanzprofessor in der Forschung und als Verantwortlicher für verschiedene Weiterbildungsangebote tätig war.