Die Ereignisse rund um die Credit Suisse scheinen die These zu untermauern, dass im Private Banking die Bankreputation bei der Frage eines Bankwechsels wichtiger ist als die Bindung an den Kundenberater – auch wenn Kundenberater das naturgemäss gerne anders sehen, wie der Schweizer Finanzprofessor Teodoro Cocca feststellt.
Die Zahlen zum dritten Quartal 2023 der UBS haben die Aktionärinnen und Aktionäre der Schweizer Grossbank beruhigt; der Geldabfluss aus den übernommenen Credit-Suisse-Geschäftseinheiten konnte gestoppt werden. Die kommunizierten Zahlen geben auch Aufschluss über eine gerade im Private-Banking-Geschäft stets kontrovers diskutierte Frage: Was ist für die Kundenbindung wichtiger, der Kundenberater oder die Bank?
Damit ist die Frage gemeint, ob ein Kunde im Private Banking mehr an seinen Kundenberater gebunden ist oder doch die Bindung eher gegenüber der Bank und ihrer Reputation gilt. Beides ist natürlich wichtig, aber was ist wichtiger?
Suche nach einer stabilen Bank
Die turbulente Übernahme der Credit Suisse (CS) durch die UBS stellt nun einen besonderen Fall dar, da die Reputation der einen Bank, also in diesem Fall der CS, massiv gelitten hat. Ein Idealfall zur Beobachtung obiger Frage, da die Bindung an die Bank als Ganzes implodiert ist und somit die Kundenbindung an den eigenen Kundenberater besonders im Vordergrund stand.
In den Monaten bis zur Übernahme der CS durch die UBS im März 2023 haben Private-Banking-Kunden der CS massiv Gelder von der eigenen Bank abgezogen, allerdings ohne, dass es zu einem Massenexodus von CS-Kundenberatern gekommen ist. Der Bankwechsel war in dieser Phase weniger einer Frage der Bindung an den Kundenberater als vielmehr die Suche nach einer finanziell stabilen Bank.
Alles andere als viel
Besonders spannend ist nun aber, was seit Übernahme durch die UBS geschehen ist: Die UBS kommunizierte diese Woche, dass seit Übernahme der CS im März rund 500 CS-Kundenberater die Bank verlassen hätten, welche in Summe bisher 20 Milliarden Franken an Kundengeldern «mitnehmen» konnten. Das wären dann im Schnitt rund 40 Millionen Franken pro Kundenberater.
Bei einem typischen Kundenbuch von 200 Millionen Franken sind das rund 20 Prozent der verwalteten Gelder eines Kundenberaters. Das ist alles andere als viel und liegt auf Höhe des Branchendurchschnitts, den man auch in gewöhnlichen Situationen erwarten kann.
Hohe Reputation
Offensichtlich war die Kundenbindung bei vielen Kundenberatern, die in den vergangenen Monaten die CS verlassen haben, doch nicht so stark wie vermutet, selbst in einer solch besonderen Situation. Auch scheint das Argument bei Kunden, die bisher bei beiden Banken Kunden waren und deshalb alleine schon aus Diversifikationsgründen eine neue Bank suchen könnten, nicht besonders relevant gewesen zu sein.
Das Einspringen der UBS als neue Eigentümerin mit hoher Reputation genügte vielen CS-Kunden, um doch den Aufwand eines Bankwechsels zu meiden, selbst wenn der eigene CS-Kundenberater die neue UBS verlassen hat.
Schon viel früher weg
Eine abschliessende Beurteilung ist noch verfrüht, da es auch einige Zeit dauern kann, bis Kundenberater beim neuen Arbeitgeber ihre alten Kunden von einen Bankwechsel überzeugen können. Die bisherigen Zahlen deuten aber darauf hin, dass die Kundenbindung zum Kundenberater selbst in einer so extremen Phase doch nicht so hoch ist, wie Kundenberater gerne den Eindruck vermitteln.
Selbstverständlich gibt es auch die besonders talentierten Kundenberater, die eine überdurchschnittlich gute Kundenbindung aufbauen können. Diese haben aber sehr wahrscheinlich die CS schon früher verlassen. Was die Frage aufwirft, ob diejenigen Kundenberater, die zuletzt die CS respektive neue UBS verlassen haben, sowieso nicht diejenigen mit der grössten Strahlkraft waren. Dies würde die eher bescheidenen Erfolge der letzten abtrünnigen Kundenberater erklären.
Neuerdings Team-Approach
Gut sichtbar in diesen Fragestellungen ist die teilweise nicht konforme Zielsetzung der Bank und der Kundenberater im Private-Banking-Geschäft. Beide wollen in Wahrheit die Kunden enger an sich binden, um schliesslich mehr Gewinn für sich selber zu extrahieren. Kundenberater mit engerer Kundenbindung wird man einen höheren variablen Anteil auszahlen müssen. Ist hingegen die Bank am längeren Hebel, behält sie selber netto mehr von den Bruttoerträgen.
In den vergangenen 20 Jahren haben gerade die Grossbanken im Private Banking versucht, die Macht der Kundenberater zu begrenzen, indem das alte Modell der sogenannten «one-to-one»-Beratung einem Team-Approach gewichen ist. Einer der Vorteile ist die geringere Bedeutung des Einzelnen in einer Team-Beratung und der damit verbundenen geringeren Kundenbindung an einen einzelnen Kundenberater.
Die Ereignisse rund um die Credit Suisse scheinen somit einen weiteren Beleg für die These zu liefern, dass im Private Banking die Bankreputation bei der Frage des Bankwechsels im Durchschnitt wichtiger ist als die Bindung an den Kundenberater. Auch wenn Kundenberater das naturgemäss gerne anders sehen.
Teodoro D. Cocca ist seit 2006 Professor für Asset und Wealth Management an der Johannes Kepler Universität Linz. Davor war er einige Jahre bei der Citibank sowohl im Investment- als auch im Private Banking tätig, forschte an der Stern School of Business in New York und lehrte am Swiss Banking Institute in Zürich. Zudem ist der Schweizer mit italienischen Wurzeln assoziierter Professor für Private Banking am Swiss Finance Institute (SFI) in Zürich und beratend für Finanzunternehmen und Behörden im In- und Ausland tätig.