Seit der Notübernahme der Credit Suisse durch die UBS heute vor einem Jahr zerbricht sich der Schweizer Finanzplatz den Kopf, welche Änderungen der Regulierung notwendig sind. Fest steht: Der Untergang einer Schweizer Grossbank darf sich niemals wieder ereignen. Doch zwischen heute und niemals kann viel passieren, wie der Schweizer Finanzprofessor Teodoro Cocca in seinem exklusiven Beitrag für finews.ch schreibt.
Sollte die UBS tatsächlich eines Tages in eine ähnliche Schieflage wie die Credit Suisse (CS) vor einem Jahr geraten, ist zunächst nicht davon auszugehen, dass ein Weisser Ritter überhaupt vor den Toren steht.
Denn es war ein Glücksfall im März vor einem Jahr, dass sich die UBS monatelang auf diesen Moment vorbereitet hatte und genau wusste, welche Zusagen sie von den Behörden verlangen wollte, um den Deal «of a lifetime» abzuschliessen.
Weniger gut vorbereitete Banken
Sollten das nächste Mal nur Verhandlungen mit weniger gut vorbereiteten Banken möglich sein, wird man gegebenenfalls noch mehr Risikogarantien seitens der Schweizer Behörden gewähren müssen, um potenzielle Retter in einen Deal zu locken.
Man könnte dann sogar vor die Situation gestellt werden, eine vollständige staatliche Risikoübernahme innerhalb von 48 Stunden beschliessen zu müssen. Nebst dem Umfang der Haftung stellt sich hierbei die Frage, wer aufgrund welcher Informationen (schlummernde Rechtsrisiken, Derivatebewertung, etc.) einen solchen schwerwiegenden Entscheid in sehr kurzer Zeit tatsächlich fällen sollte respektive könnte.
Weisser Ritter nächstes Mal keine Schweizer Bank
Der Weisse Ritter für eine strauchelnde UBS wird das nächste Mal sicherlich keine Schweizer Bank mehr sein. Keine der verbliebenen Schweizer Banken wäre auch nur annähernd in der Lage, eine Bank der Grösse der UBS zu übernehmen. Das ändert sehr viel.
Gemäss Rangliste der grössten Banken der Welt könnte diese Rolle eher einer Bank aus den USA, China oder Grossbritannien zukommen. Die Schweizer Behörden müssten also in einem zukünftigen Rettungsszenario sogar mit einer geopolitischen Supermacht verhandeln – David gegen Goliat auf politischer Ebene bedeutet, das wichtige Entscheide für die Schweiz faktisch im Ausland gefällt würden.
Der allfällige Retter einer schwer in Schieflage geratenen UBS wäre aufgrund des immer bedeutungsvolleren US-Geschäftes allerdings mit höherer Wahrscheinlichkeit eine US-(Investment)-Bank. Die Verhandlungen wären dann mit der U.S. Securities and Exchange Commission (SEC), dem Federal Reserve System (FED) und dem U.S. Department of the Treasury zu führen.
Internationale Sanierung
Für ein solches Szenario sollten die Schweizer Behörden (und nicht nur die UBS) einen realistischen (Notfall)-Plan haben. Zudem wären auf internationaler Ebene die Sanierungsregeln für eine solche Eventualität nochmals vertieft zu diskutieren.
Das zukünftige Aufsichtsregime muss mindestens die Kontrolle über die faktische Entscheidung, was mit dem Schweizer Geschäft geschieht, bei den Schweizer Behörden belassen. Und dies eben auch, wenn gleichzeitig zeitintensive Verhandlungen mit Grossmächten noch am Laufen sind.
Kein gutes Omen
Die vergangenen Erfahrungen der Schweiz im Umgang mit den US-Finanzbehörden (zum Beispiel bei den Nachrichtenlosen Vermögen, der UBS-Steueraffäre oder dem Ende der Privatbank Wegelin) sind kein besonders gutes Omen dafür.
Nachdem die Schweizer Behörden bereits bei der CS die bestehende Too-Big-to-Fail-Gesetzgebung nicht zur Anwendung gebracht haben, wird sich in einer nächsten Krise dieselbe Thematik wieder stellen.
Wie ein Kindergeburtstag
Die Frage der Glaubwürdigkeit der Anwendung der Schweizer Regeln wird im Krisenfall eine hohe Bedeutung zukommen. Die Wiederherstellung dieser Rechtssicherheit ist für einen der bedeutendsten Finanzplätze der Welt ein entscheidender Punkt. Das Signal, dass eigene Gesetze zur Disposition stehen, wäre ein verheerendes Signal für jede Verhandlung.
Wenn schon bei der CS, eigentlich eine der kleinsten systemrelevanten Banken auf der Welt, Stress und Panik der Märkte so gross war, wie wird das bei einer deutlich grösseren UBS sein? Dagegen könnte sich die CS-Krise wie ein Kindergeburtstag anfühlen.
Psychologischen Faktor beachten
Die Psychologie der Märkte und Kunden in einer Bankenkrise ist überhaupt das Element, dass in vielerlei Hinsicht sowohl bei der CS selbst wie auch bei den technokratischen Regulatoren völlig aussen vor geblieben ist. Hunderte Seiten Bankregulierung voller intellektueller «Brain power» wurden so innerhalb von Stunden zur Makulatur, weil sie schlichtweg in der realen Notsituation nicht anwendbar waren.
Zukünftige Regeln müssen den psychologischen Faktoren viel mehr Aufmerksamkeit schenken – sonst werden sie auch bei der nächsten Krise als nutzlose Papiertiger enden.
Der Untergang einer Schweizer Grossbank darf sich niemals wieder ereignen. Doch zwischen heute und niemals kann viel passieren. Die Güte der neuen Bankregulierung der Schweiz bemisst sich nicht allein daran, wie diese rückblickend den Fall der CS verhindert hätte, sondern muss sich vorwärtsschauend an einer Grossbank-Rettung orientieren, die das nächste Mal teurer, komplexer, riskanter und eher in Washington als in Bern entschieden würde.
Teodoro D. Cocca ist seit 2006 Professor für Asset und Wealth Management an der Johannes Kepler Universität Linz. Davor war er einige Jahre bei der Citibank sowohl im Investment- als auch im Private Banking tätig, forschte an der Stern School of Business in New York und lehrte am Swiss Banking Institute in Zürich. Zudem ist der Schweizer mit italienischen Wurzeln assoziierter Professor für Private Banking am Swiss Finance Institute (SFI) in Zürich und beratend für Finanzunternehmen und Behörden im In- und Ausland tätig.