Die Aufregung rund um den UBS-Credit-Suisse-Deal ebbt ab. Doch an welcher Kennzahl wird sich der wahre Erfolg der Übernahme messen lassen? Eine Einschätzung des Schweizer Finanzprofessors Teodoro Cocca auf finews.ch.
In einem Monat wird die UBS das Resultat des dritten Quartals 2023 präsentieren. Aus Analystensicht wird der ganze Fokus darauf liegen, inwieweit die übernommenen Kundenbeziehungen der Credit Suisse (CS) vor allem im weltweiten Private Banking stabilisiert werden konnten. Ist das erreicht, wird das Augenmerk in den folgenden Quartalen ganz auf der Umsetzung des Integrationsplanes gerichtet sein.
Blickt man etwas weiter in die Zukunft, muss aber der Fokus aus einer strengen betriebswirtschaftlichen Sicht auf die eigentlich zentrale Frage gerichtet sein: Gelingt es der UBS aus 1 plus 1 mehr als 2 zu machen? Mit anderen Worten, die noch grössere Management-Herausforderung als die Integration der CS besteht im langfristigen Ausschöpfen des Wettbewerbsvorteils einer nun viel grösseren UBS.
Effizienter produzieren?
Damit verschiebt sich die betriebswirtschaftliche Betrachtung vom tiefen Kaufpreis für die CS auf die Frage, ob man aus operativer Sicht durch die nun viel grössere Einheit auch viel effizienter «produzieren» kann. Dies ist ein wichtiger Unterschied, denn den Vorteil eines tiefen Kaufpreises hat sich die UBS bereits gesichert.
Das ist aber noch keine Managementleistung der Geschäftsleitung, sondern eher dem Umstand geschuldet, wie der Deal zustande gekommen ist und wie geschickt der Verwaltungsrat der UBS verhandelt hat. Die eigentliche operative Managementleistung ist unabhängig vom ausgehandelten Kaufpreis zu bewerten.
Streben nach Grösse
Welche öffentlich zugänglichen Zahlen werden nun einen Hinweis darauf geben, ob die Potenziale der CS-Übernahme im Sinne der stets vom Management betonten Bedeutung der Grösse genutzt wurden. Im Wesentlichen geht es hierbei um die Verbesserung der Relation der operativen Erträge zu den operativen Kosten.
Die neue UBS müsste also nach erfolgter Integration in der Lage sein, Grössenvorteile in der Form tieferer Produktionskosten ihrer Bankdienstleistungen zu erzielen. Sonst wäre das ganz Streben nach Grösse im Banking ein Irrweg und die Frage nach den Vorteilen einer so grossen Bank für den Finanzplatz lauter zu stellen.
Mehr Kundenvolumen über die eigene Plattform abzuwickeln respektive zu verwalten, hat grundsätzlich enorme Vorteile. Fixkosten stehen einem höheren Ertragsvolumen gegenüber. Die Produktivität müsste sich deutlich erhöhen. Bei gleichem Input müsste sich unter sonst gleichen Bedingungen der Output erhöhen.
Oft höhere Integrationskosten
Die UBS spricht aktuell von mindestens 10 Milliarden Franken an Brutto-Kostenreduktion bis Ende 2026. Diese Zahl beinhaltet allerdings viele «Wenn» und «Aber». Erstens wird von Brutto- und nicht Netto-Kostenreduktionen gesprochen und vor allem stehen diese Kostenreduktionen im Zusammenhang mit einem Abbau von Einheiten der CS. Es werden damit auch Erträge wegfallen. Die Frage wird sich also in Wahrheit erst ab 2027 stellen: Was wird netto übrigbleiben?
Die Fachliteratur zu Bankübernahmen lehrt jedenfalls, dass netto nach einer solchen Übernahme nicht mehr viel übrig bleibt. Die Kostensynergien treffen dabei auf meist viel höhere als erwartete Integrationskosten. Zudem dämpft eine grosse Integrationsaufgabe die Agilität auf der Ertragsseite, da die ganze Organisation noch stärker als sonst mit sich selber beschäftigt ist.
Die Cost-Income-Ratio ab 2027 der verschiedenen Segmente wird Aufschluss darüber geben, ob sich operativ eine Verbesserung eingestellt haben wird. Das Problem dieser Kennzahl ist, dass sich zum Beispiel Investitionen in die Zukunft (Stichwort: Digitalisierung, KI, etc.) je nach Verbuchungsart sogar negativ auf die Kennzahl auswirken. Deshalb sind zukunftsgerichtete Kennzahlen mitzuberücksichtigen, womit der Aktienkurse der UBS ins Zentrum rückt.
Multiple wird Aufschluss geben
Dieser kann aber wiederum von vielen exogenen Faktoren beeinflusst sein und widerspiegelt zunächst den tiefen Kaufpreis für die CS. Besser als der Aktienkurs per se ist deshalb das Verhältnis zwischen Aktienkurs und Gewinn (Kurs-Gewinn-Verhältnis respektive das Multiple des Gewinns, den Investoren bereit sind, für eine Aktie zu zahlen). Vor allem die Veränderung dieses Multiples seit Ende 2022 wird Aufschluss darüber geben, inwieweit die UBS operativ besser dasteht als vor dem Deal und vor allem auch, ob das Management in der Lage war, den Investoren das Potential der nun viel grösseren Bank glaubwürdig zu vermitteln.
Das Multiple lag Ende 2022 bezogen auf den erwarteten Zukunftsgewinn der folgenden zwölf Monate bei acht. Das Multiple liegt zurzeit bei beachtlichen 13 und – ganz wichtig – entgegen des Branchentrends anderer europäischer Grossbanken.
Die Aktionäre werden nicht ruhen
Der Kapitalmarkt sieht also zurzeit den Beitrag des Deals zum Unternehmenswert sehr positiv. Inwieweit aber kurzfristig eher der tiefe Kaufpreis für die CS Suisse oder langfristig die höhere operationelle Effizienz das rechtfertigen, wird sich noch weisen müssen. In Anlehnung an einen alten Werbespruch der UBS werden die Aktionäre wohl nicht ruhen, bis der langfristige operative Produktivitätsgewinn überwiegt.
Teodoro D. Cocca ist seit 2006 Professor für Asset und Wealth Management an der Johannes Kepler Universität Linz. Davor war er einige Jahre bei der Citibank sowohl im Investment- als auch im Private Banking tätig, forschte an der Stern School of Business in New York und lehrte am Swiss Banking Institute in Zürich. Zudem ist der Schweizer mit italienischen Wurzeln assoziierter Professor für Private Banking am Swiss Finance Institute (SFI) in Zürich und beratend für Finanzunternehmen und Behörden im In- und Ausland tätig.