Insider können mit einem kniffligen Schattenhandel illegale Deals unbemerkt von den Behörden abwickeln. Sie nutzen dabei breit akzeptierte Anlageprodukte.

Insiderhandel und Marktmissbrauch sind schon lange keine «Kavaliersdelikte» mehr. Nachdem in der Schweiz im Jahr 2013 die Insiderregeln verschärft worden sind, finden sich mittlerweile zahlreiche aufsichts- und strafrechtliche Entscheide sowie Urteile.

Vor allem die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) hat ihre Anstrengungen intensiviert, indem sie etwa stärker mit internationalen Aufsichtsbehörden zusammenarbeitet. Ausserdem kommen von inländischen Banken und Effektenhändlern mehr Hinweise auf mögliche Insidergeschäfte.

Erfinderische Insider

Auch von aufmerksameren Behörden lassen sich aber nicht alle Insiderhändler abschrecken. Im Gegenteil: Kriminelle Energie kann sogar besonders erfinderisch machen.

Eine neue Form des Insiderhandels entdeckt haben jetzt Wissenschaftler von Institutionen in Schweden und Australien. In ihrer Untersuchung kommen sie zum Schluss, dass Insiderhandel weiter verbreitet ist als nur die «direkten» Formen, die bisher im Mittelpunkt der Forschung und der Strafverfolgung standen.

Spitze des Eisbergs

Demnach weichen Insiderhändler auf börsengehandelte Fonds aus, um Geschäfte im Wert von Milliarden von Dollar zu verbergen. Gemäss den Auswertungen sind zwischen 2009 und 2021 vor der Ankündigung von Fusionen und Übernahmen anomale Geschäfte im Wert von mindestens 2,75 Milliarden Dollar mit in den USA notierten Exchange Traded Funds (ETF) aufgefallen.

Wie die Autoren in der «Financial Times» (Artikel kostenpflichtig) vermuten, haben verschärfte behördliche Kontrollen Personen mit Insider-Informationen zu einer Art Umgehungsgeschäft verleitet.

Insider kaufen dabei keine Aktien oder Optionen von einem Unternehmen, zu dem sie über zum Beispiel geheime Informationen zu einer Fusion verfügen. Stattdessen handeln sie in einem börsengehandelten Fonds, in der Regel einem Branchenfonds, der mit dem betroffenen Unternehmen im Zusammenhang steht.

Verwischte Spuren

Für die Insider besteht ein Vorteil dieses «Schattenhandels» darin, über den ETF in einer Form zu partizipieren, die unauffälliger ist als der direkte Handel mit den Aktien des Unternehmens.

Zudem kann der ETF liquider sein als die zugrunde liegenden Aktien. Das hilft den Insider-Händler ebenfalls zu verbergen, was sie tun und verringert die Aufmerksamkeit der Strafverfolger.

Unsichtbarer Feind?

In den letzten beiden Jahren des Untersuchungszeitraums, 2020 und 2021, gab es jedoch kaum mehr Anzeichen für solche Insider-Transaktionen. Wie es heisst, könnte der Insider Trading Prohibition Act abschreckend gewirkt haben, der in diesem Zeitraum verabschiedet wurde.

Die Forscher schliessen aber nicht aus, dass wegen des seit 2020 stark gestiegenen ETF-Handels das Volumen des Schattenhandels zu wenig ausschlägt, damit es statistisch als aussagekräftig gilt. Die Behörden können sich also keineswegs sicher sein, ob sie im Dunkeln tappen und müssen sich darauf gefasst machen, ein neues Rätsel zu lösen.

Schweizer Börse mit «Prometheus»

Die Schweizer Börse scheint indessen schon einen Schritt weiter zu sein. Seit September 2020 spürt dort die Applikation «Prometheus» verdächtigte Transaktionen auf. Wie die Schweizer Börsenaufsicht SIX Exchange Regulation auf Anfrage von finews.ch mitteilt, überwacht die Handelsüberwachungsstelle damit sämtliche Börsentransaktionen, die an den Handelsplätzen der SIX Group durchgeführt werden – eingeschlossen solche mit ETF.