Die neue Vorsteherin des Finanzdepartements muss die Arbeit ihres Vorgängers auch im Interesse des Schweizer Finanzplatzes weiterführen. Hat sie auch das Format dafür?
Nach dem Rücktritt von Ueli Maurer bleibt das wichtige Finanzdepartement in bürgerlicher Hand. Mit Karin Keller-Sutter wechselt eine bisherige Bundesrätin, die sich in der Vergangenheit nicht nur durch Sattelfestigkeit in den Dossiers, sondern auch durch ein feines Gespür für Stimmungen in der Bevölkerung und durch eine gute Portion an Machtinstinkt ausgezeichnet hat.
Ob es ein geschickter Schachzug der vier Vertreter von FDP und SVP war, oder ob nüchterne Beurteilung zu dieser Rochade geführt hat, dürfte im gesprächigen Bundesbern eher früher als später ans Licht kommen. Letztlich ist es aber unerheblich, wie diese Ernennung zustande kam. Für die Schweiz viel entscheidender ist, was die Magistratin im Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) bewirken will, und wo sie auf die Bremse tritt.
Gewichtiges Vermächtnis
Der Vorgänger von Keller-Sutter hat die Messlatte sehr hoch gelegt. Wie nur wenige Finanzminister zuvor pflegte Maurer die Beziehungen zur Finanzbranche intensiv, was auch Vertreter des Schweizer Finanzplatzes mehrfach bestätigen. Dass sich diese Kontakte gerade in einer Krise bewährten, zeigte sich etwa während der Corona-Pandemie, als Maurer in Zusammenarbeit mit den Banken rasch ein durchdachtes Paket an Überlebenshilfen umsetzte. Für dieses erhielt er auch aus dem Ausland viel Lob.
Maurers Amtszeit war aber auch geprägt von seinem offenen Ohr für zukunftsgerichtete Bereiche im Banking: In dem 2016 veröffentlichten Bericht «Finanzmarktpolitik für einen wettbewerbsfähigen Finanzplatz Schweiz» wurde etwa deutlich, dass der Bundesrat den Finanz-Innovationen ebensoviel Bedeutung zumass wie den traditionellen Banken und ihren Systemrisiken.
Alle Interessen einbinden
Der gut vernetzten neuen Finanzministerin ist durchaus zu zuzutrauen, dass sie sich mit derselben Verve für einen attraktiven Schweizer Finanzplatz einsetzt und einen guten Draht zu den wichtigen Akteuren der Branche findet.
Anzupacken gibt es jedenfalls einiges, wie finews.ch bereits analysierte. Denn für den gesamten Finanzsektor einschliesslich Versicherer sehen die Prognosen nicht besonders rosig aus. Gemäss einer Studie von BAK Economics wird die Branche in den kommenden Jahren sowohl beim Wachstum wie beim Personal keine Treiberin sein.
Bedrohungen aus dem Ausland
Zudem wird es für die Vermögensverwaltung als Königsdisziplin des Schweizer Banking nicht einfacher, ihre Dienstleistungen ins Ausland zu exportieren. Seit dem gescheiterten Rahmenabkommen mit der EU ist eine neue Eiszeit angebrochen – die Schweizer Finanzbranche hofft immer noch auf einen ungehinderten Marktzugang.
Zurzeit dürfte die grösste Gefahr dabei von einer Kapitalmarkt-Reform in der EU ausgehen. Falls sich die Hardliner durchsetzen, könnte der Betreuung von Kunden aus der EU durch Schweizer Bankinstitute ohne Niederlassung 2025 definitiv ein Riegel geschoben werden.
Gesetzesflut im Inland vermeiden
Freilich sind auch im Inland ein paar heisse Eisen im Feuer. Seitdem ökologische und soziale Kriterien sowie eine gute Unternehmensführung (ESG-Kriterien) in der Firmenwelt Einzug gehalten haben, steigt zum Beispiel der Druck auf die Finanzbranche, diesen Forderungen auch in der Anlageberatung gerecht zu werden.
Anders als die EU setzt der hiesige Finanzplatz bei der Förderung von nachhaltigen Anlagen indessen mehr auf Selbstregulierung. Die neue Departementschefin ist gut beraten, wenn sie in diesen Fragen ein Ohr für alle Akteure hat und die Selbstverantwortung der Branche einer obrigkeitlichen Regulierung vorzieht.