Der Verkauf der Crypto Finance Gruppe ist eine der bedeutendsten Transaktionen auf dem Schweizer Finanzplatz der letzten Jahre und eine Bestätigung für die Pionierarbeit im Crypto Valley. Zu denken gibt nur, dass diese Bestätigung aus dem Ausland kommt.
Jan Brzezek, der mit der Gründung der Crypto Finance Gruppe angetreten war, um die Lücke zwischen der traditionellen Bankenwelt und der digitalen Welt der Kryptoanlagen zu schliessen, hat mit seinem Team ein Husarenstück aufgeführt.
Gestartet im Jahr 2017, hat Brzezek Crypto Finance in nur fünf Jahren zu einem Unternehmen aufgebaut, dessen Aktienmehrheit für den DAX-Konzern Deutsche Börse diese Woche «einen moderaten dreistelligen Millionenbetrag» wert war.
Eher 250 als 100 Millionen
Gemäss Informationen von finews.ch hat die Deutsche Börse für die Zweidrittels-Mehrheit eher 250 als 100 Millionen Franken bezahlt, womit die Crypto Finance Group eine Bewertung von gegen 400 Millionen Franken erhalten hätte.
Einen solchen Exit hat die Schweizer Startup-Szene und kaum je gesehen – auch wenn Crypto-Finance-Mitgründer und Verwaltungsratspräsident Tobias Reichmuth im Gespräch finews.ch versichert: «Wir haben den Exit nicht gesucht. Geplant war eine Finanzierungsrunde, um unser Wachstum in allen Bereichen zu beschleunigen. Mit der Deutschen Börse waren wir seit über zwei Jahren in Kontakt.»
Unternehmerische Leistung, aber auch Zukunftsmusik
Neben der unternehmerischen Leistung steckt in dieser Bewertung sicherlich auch ein bedeutender Anteil Zukunftsmusik: Die Deutsche Börse setzt voll auf den Aufbau eines «Digital-Asset-Ökosystems» – entgegen der vielen und nicht verstummenden Stimmen in der internationalen Finanzszene, welche den Boom mit Bitcoin, Ether und anderen digitalen Assets als wilde und vergängliche Spekulation oder gar als «Ponzi-Schema» abtun.
Der Deal ist aus Sicht des Schweizer Finanzplatzes – oder neudeutsch: des Schweizer Finanz-Ökosystems – in mehrerer Hinsicht bemerkenswert.
Echter Mehrwert aus dem Crypto Valley
Erstens zeigt er, dass die Aufbau-Pionierarbeit im Zuger Crypto Valley im Zusammenspiel von Unternehmern, Politikern und Regulatoren einen echten Mehrwert geschaffen hat. In Deutschland oder auch sonst wo in Europa ist die Deutsche Börse auf der Suche nach einem erprobten Digital-Asset-Player jedenfalls nicht fündig geworden.
Zweitens sind durch die Übernahme die Bewertungen von anderen Crypto-Anbietern wie den Banken Sygnum und Seba, die gegenwärtig eine Finanzierungsrunde durchführt, und auch von Bitcoin Suisse oder von Infrastruktur-Anbietern wie Taurus oder Metaco wohl nochmals angestiegen.
Schweizer Brückenschlag will nicht gelingen
Ein Exit werde nun aber nicht angestrebt, wie etwa Sygnum-CEO Mathias Imbach sagte: «Sygnum ist finanziell solide aufgestellt und wächst aktuell sehr stark. Wir werden unsere Strategie weiterhin im Sinne unserer Kunden, Aktionäre sowie Mitarbeiter umsetzen.»
Drittens muss angemerkt werden, dass der Brückenschlag zwischen der alten und neuen Welt zumindest in der Schweiz nicht so recht gelingen will. Brzezek hatte vor wenigen Wochen in einem Interview mit finews.ch noch mit dem Zaunpfahl gewunken und eine Partnerschaft mit der UBS als «sehr plausibel» bezeichnet.
Zögerliche Haltung schwer nachvollziehbar
Aber nicht die UBS, nicht die Credit Suisse und auch nicht die SIX wollten sich mit der Crypto Finance Group das Eintrittsticket in das «Digital-Asset-Ökosystem» kaufen – sondern die Deutsche Börse.
Mattia Rattaggi, Verwaltungsratspräsident und Mitgründer von Ficas, des ersten Verwalters eines aktiv gemanagten ETP für Kryptowährungen, findet diese zögerliche Haltung des Schweizer Bankenplatzes in Bezug auf eine Adoption von Kryptowährungen als Assetklasse zunehmend schwer nachvollziehbar, wie er gegenüber finews.ch sagt.
«Vor allem dann, wenn man dies mit den bereits sehr aktiven US-Grossbanken wie etwa Wells Fargo oder J.P. Morgan vergleicht oder auch mit der spanischen BBVA, die in der Schweiz nun den Handel mit Bitcoin anbietet.»
Weitere M&A-Transaktionen kommen
Tatsache ist, dass bei bedeutenden internationalen Finanzinstituten ein mit hohem Einsatz geführtes Aufrüsten stattfindet, um Infrastruktur und Dienstleistungen für Krypto-Kunden anbieten zu können. Der schnelle Weg dahin liegt in Kooperationen und Übernahmen – und dafür bieten sich dank der Pionierarbeit die Schweizer Krypto- und Blockchain-Unternehmen an.
So ist im vergangenen Mai die renommierte US-Investorin Cathie Wood beim Zuger Krypto-ETP-Anbieter 21Shares eingestiegen, um den Weg in den amerikanischen Markt zu ebnen.
Weitere Transaktionen dieser Art würden niemanden in der Schweizer Krypto-Szene überraschen. Wenn sich aber der «alte» Schweizer Finanzplatz nicht rascher bewegt, könnten die besten Teile des «neuen» Schweizer Finanzplatzes bald ausser Reichweite liegen.