Tezos: Der Kampf zwischen Technologie und Geld spitzt sich zu

Die Entwickler des Blockchain-Projektes Tezos zünden im erbitterten Streit mit der Zuger Stiftung von Johann Gevers die nächste Stufe. Sie wollen das Projekt ohne das Stiftungsgeld vorantreiben.

Tezos liefert reichlich Anschauungsmaterial, was alles in der schönen neuen Welt der Blockchain mit ihren Initial Coin Offerings (ICO) und Kryptowährungen schief gehen kann. Seit über acht Monaten liefern sich die Urheber von Tezos, Arthur und Kathleen Breitman, und die gleichnamige in Zug ansässige Stiftung unter ihrem Präsidenten Johann Gevers, einen erbitterten Kampf um die Vorherrschaft über das vielversprechende Blockchain-Projekt.

Der Streit verhinderte bislang die Lancierung des Tezzie, jenem Token, der den Investoren anlässlich des ICO im vergangenen Sommer versprochen worden war. Inzwischen haben die Geldgeber des Tezos-Projektes – sie schossen ursprünglich ganze 232 Millionen Dollar ein – sechs Sammelklagen eingereicht.

Tezzie-Token soll kommen

Weil Gevers mit der Kontrolle über die Stiftung und die Mittel der Investoren die Weiterentwicklung von Tezos blockiert hatte, bezahlten die Breitmans ein Team von Entwicklern aus eigener Tasche, um das Projekt voranzubringen.

Das Team steht nun kurz vor einem wichtigen Schritt: Kathleen Breitman sagte kürzlich vor Studenten der University of California in Los Angeles, der Tezzie-Token werde nun lanciert – ohne das Geld aus der Tezos-Stiftung dafür zu benötigen.

«Ich sollte gezielt verrückt gemacht werden»

«Wir können den Token gemäss unseren eigenen Bedingungen in den kommenden Wochen herausbringen», sagte Breitman gemäss der Nachrichtenseite «Blockchain Beach». «Eine Weile lang fühlte ich mich, als ob ich gezielt verrückt gemacht werden sollte», sagte die Tezos-Mitgründerin mit Blick auf die vergangenen Monate. «Aber das habe ich nun hinter mir. Es gilt nun, vorwärts zu machen. Es ist vielleicht unfair, aber wir müssen den Code live schalten.»

Gegenüber finews.ch machte Breitman keine weiteren Angaben. Auch ihr Ehemann Arthur Breitman, der ein rund zehnköpfiges Team von Tezos-Programmierern in Paris führt, erwähnte in seinem jüngsten Video-Blog nichts Näheres zu den Tezzie-Plänen.

Krypto-Token wie der Tezzie sind keine physischen Vermögenswerte, was im Prinzip jedem ermöglicht, den Tezzie zu lancieren, der die Technologie dafür beherrscht. Der Tezos-Konflikt spitzt sich demnach zu einem immer riskanteren Schachspiel zu, wie der Schweizer Blockchain-Experte Luzius Meisser gegenüber finews.ch sagte.

Technologie vs. Geld

«Die Entwickler weichen vom ursprünglichen Plan ab und setzen damit die Tezos-Stiftung unter Druck, ihrerseits einen Zug zu machen», sagte Meisser. «Es ist ein Kampf der Seite, welche die Technologie besitzt, gegen die andere Seite, welche das beim ICO eingenommene Geld kontrolliert.»

Um wieviel Geld es sich dabei wirklich handelt, ist nicht klar. Jedenfalls sind es deutlich mehr als jene 232 Millionen Dollar, welche die Tezos-Geldgeber in Bitcoin und Ether einbezahlt hatten. Denn der Wert der beiden Kryptowährungen liegt derzeit markant höher als im vergangenen Sommer.

Nur Gevers kennt den nächsten Schritt

Gevers gelang es Ende Januar, mit der Ernennung eines dritten Stiftungsrats-Mitglieds, des Zürcher Treuhänders Lars Haussmann, die Tezos-Stiftung wieder funktionsfähig zu machen. Was der Stiftungsrats-Präsident selber vorhat, weiss nur er. Zunächst schien es, er wolle das Projekt nun selber wie einst vorgesehen voranbringen. Dann schrieb Gevers in einem Blog-Eintrag, der kurz darauf gelöscht wurde, er würde unter gewissen Umständen als Tezos-Präsident zurücktreten und den Weg freimachen.


Fakt ist, dass das Ehepaar Breitman nach wie vor die Kontrolle über das geistige Eigentum von Tezos innehat und auch die technologische Entwicklung anführt. «Sie scheinen im Vorteil zu sein, auch wenn Gevers das Geld kontrolliert», sagte Meisser.

Eine zweite Tezos-Stiftung

In der Tezos-Community, grösstenteils Investoren und Entwickler, steigt die Frustration über Gevers Hinhalte-Taktik weiter. Kürzlich haben Mitglieder der Community eine zweite Tezos-Stiftung mit dem Namen T2 gegründet. Diese könne das Tezos-Netzwerk ebenfalls starten, sofern dies notwendig würde, hiess es.

Doch spielt das aus dem ICO eingenommene Geld weiterhin eine Schlüsselrolle. Denn Programmierer und Ingenieure in Paris wie im Silicon Valley sind teuer. Auch der zahlreiche Anwälte beschäftigende Streit zwischen den Breitmans und Gevers verschlingt viel Geld. Den Zugriff auf dieses hatten die zuständigen Banken als Folge des Streits eine Zeit lang blockiert.

Genug Geld für alle

Doch nun hat die Tezos-Stiftung auch die Kontrolle über die Mittel wiedererlangt. Der Stiftungsrat stehe in Verbindung mit allen Parteien, sagte ein Sprecher der Tezos-Stiftung zu finews.ch, ohne nähere Angaben zu machen.

Was geschieht, wenn der Tezzie-Token an der Tezos-Stiftung vorbei lanciert wird, ist unklar. Tauwetter zwischen den beiden Streitparteien wäre der beste Weg, das Dilemma zu lösen, sagte Meisser. «Der ICO hat genügend Geld für alle Beteiligten eingebracht.»

Eine gemeinsame Verteidigungslinie?

Ob die Sammelklagen mit dem Tezzie-Launch ebenfalls vom Tisch wären, ist hingegen unwahrscheinlich. Das könnte ein gemeinsamer Schachzug der Breitmans und Gevers sein, bevor im März weitere Verhandlungen geführt werden, sagte Stephen Palley, ein Tech-Anwalt in den USA.

«Es ergäbe Sinn, wenn die Breitmans und ihre Firma DLS sowie die Tezos-Stiftung sich darauf verständigen würden, dass die Tezzie-Token werthaltig sind», sagte Palley zu finews.ch. «Das würde die Welle von Sammelklagen zwar nicht abwenden. Doch immerhin wären die Token da und die beiden Parteien würden eine gemeinsame Verteidigungslinie bilden, was ihre Position als Beklagte deutlich verbessert.»