Die in Zürich ansässige Rothschild & Co Bank erhält aktuell ausgesprochen viele Bewerbungsdossiers von Kundenberaterinnen und -berater mit sehr guten Portfolios, wie CEO Laurent Gagnebin im Interview mit finews.ch erklärt. Was macht sie damit?


Herr Gagnebin, die Rothschild & Co Bank hat im vergangenen Jahr einen massiven Gewinneinbruch erlitten. Das Ergebnis verringerte sich um mehr als 60 Prozent auf 33,3 Millionen Franken. Was ist geschehen?

Wir hatten im vergangenen Jahr aufgrund der Übernahme der Banque Pâris Bertrand erhebliche strukturelle Effekte zu verzeichnen. Diese lagen bei 74,3 Millionen Franken. Vergleicht man das operative Ergebnis der beiden Jahre stieg der Gewinn um fast 70 Prozent. Damit sind wir natürlich sehr zufrieden, zumal wir auch wieder viel in zusätzliche Kundenberater in der Schweiz investiert haben.

Was hat Ihnen im vergangenen Jahr die 2021 übernommene Genfer Privatbank Pâris Bertrand bisher gebracht?

Mit der Übernahme konnten wir unsere Präsenz in der Westschweiz deutlich ausbauen. Zürich und Genf sind nun etwa gleich gross. Zudem haben wir mit der Banque Pâris Bertrand auch einen Standort in Luxemburg übernommen, der uns den Zugang zu diesem wichtigen Markt deutlich erleichtert und wir haben einen wichtigen Grundstein für das Geschäft mit institutionellen Kunden gelegt.

«Es ist müssig, darüber zu spekulieren»

Dieses wollen wir nun weiter ausbauen. Schliesslich konnten wir unser Angebot im Bereich der Private Markets dank Hermance Capital, die ebenfalls zu uns gestossen sind, deutlich ausbauen.

Haben Sie die Bank nicht im falschen Moment gekauft? Hätten Sie ein paar Monate länger gewartet, wäre sie aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen an den Finanzmärkten (Zinswende) sicherlich günstiger zu haben gewesen.

Es ist müssig, darüber zu spekulieren. Wir haben die Bank aus Überzeugung und mit einem langfristigen Ziel gekauft, weil sie hervorragend zu uns und unserer Wachstumsstrategie in der Schweiz passt. Die Integration verlief reibungslos und konnte sehr schnell abgeschlossen werden.

Wir spüren in der Westschweiz auch, dass diese Übernahme uns zusätzlichen Schub gegeben hat, sowohl hinsichtlich Gewinnung von Neukunden als auch bei Gesprächen mit potenziellen neuen Kundenberatern.

Sie haben im vergangenen Jahr mit rund einer Milliarde Franken unter dem Strich wenig Neugeld akquiriert. Im Jahr 2021 waren es rund 2 Milliarden Franken gewesen. Haben bedeutende Kunden Geld abgezogen, oder haben Ihre Kundenberater zu wenig akquiriert?

Wie alle Banken haben auch wir unter den Einbrüchen an den Finanzmärkten gelitten. Einerseits, weil diese die verwalteten Vermögen geschmälert haben. Andererseits, weil die Kunden vorsichtiger und zurückhaltender geworden sind.

«In der Schweiz verwalten wir rund 30 Milliarden Franken an Kundengeldern»

Die neu akquirierten Vermögen im Umfang von rund einer Milliarde konnten dies zu einem guten Teil ausgleichen und sind daher sehr positiv. Mit dem Ausbau in Genf und den diversen Neurekrutierungen in Zürich sind wir nun sehr gut aufgestellt für weiteres Wachstum in der Schweiz.

Per Ende 2022 verwaltete die Rothschild & Co Bank insgesamt knapp 30 Milliarden Franken an Kundengeldern. Etwas weniger als im Vorjahr. Liegen Sie damit nicht unterhalb der erforderlichen kritischen Grösse?

In der Schweiz verwalten wir rund 30 Milliarden Franken an Kundengeldern. Dazu werden rund 20 Milliarden Franken von ausländischen Gesellschaften der Rothschild & Co Gruppe über die Schweiz verbucht. Damit verfügen wir in der Schweiz über eine gute Grösse. Man muss zudem das ganze Bild betrachten: Innerhalt der Gruppe verwalten wir knapp über 100 Milliarden Franken an Kundenvermögen.

Wie und wo gedenken Sie im laufenden Jahr zu wachsen?

Wir haben letztes Jahr viel in zusätzliche Kundenberater in Zürich investiert. Die meisten davon haben Ende 2022 oder Anfang dieses Jahres bei uns begonnen. Zudem sind wir mit PensExpert eine Partnerschaft im Bereich der Vorsorgelösungen eingegangen und haben einen zusätzlichen Vorsorgespezialisten eingestellt.

«Wir erhalten aktuell viele Dossiers von Kundenberatern mit guten Portfolios»

All dies wird uns helfen in der Deutschschweiz weiterzuwachsen. In der Westschweiz profitieren wir von der Übernahme der Banque Pâris Bertrand. Schliesslich wachsen wir in Deutschland, Spanien, Luxemburg und Israel, die organisatorisch alle auch zur Schweizer Bank gehören.

Die Bonus-Periode in der Bankbranche geht bald zu Ende. Suchen Sie gezielt Personal? Falls ja, welche Profile, oder werden Sie tendenziell eher abbauen?

Wie erwähnt haben wir eben erst kräftig investiert. Nun konzentrieren wir uns auf diese neuen Kundenberater, den Vorsorgebereich und das institutionelle Geschäft.

Wir erhalten aber aktuell viele Dossiers von Kundenberatern mit guten Portfolios, die zu uns kommen möchten. Wenn jemand also sehr gut zu uns passt, werden wir weitere Einstellungen tätigen.

Ist die Rothschild & Co Bank weiterhin an Übernahmen interessiert? Und falls ja, welche Zielobjekte kommen in Frage?

Aktuell legen wir den Fokus auf organisches Wachstum. Wenn sich aber eine interessante Möglichkeit ergibt, würden wir dies sicher genau prüfen. Allerdings müsste ein möglicher Übernahmekandidat auch kulturell perfekt zu Rothschild & Co passen.

Wie hat sich im vergangenen Jahr das Geschäft in der Schweiz entwickelt (wie gross anteilsmässig?), nachdem sie im vergangenen Jahr den erfahrenen Private Banker Andreas Feller engagiert haben? Und was ist Ihre Value Proposition hierzulande – im Gegensatz zum Ausland?

Die Schweiz hat bei den Erträgen um 31 Prozent zugelegt und ist damit innerhalb des Wealth Managements erstmals gleichauf mit Grossbritannien. Diese Entwicklung zeigt, dass unsere Wachstumsstrategie in der Schweiz aufgeht.

«Unser Global Advisory, also das Investmentbanking, ist in Asien sehr stark vertreten»

Wir setzen auf unabhängige Beratung mit einer langfristigen Perspektive. Dazu gehört auch die Strukturierung von internationalen Vermögenswerten sowie ein starkes Angebot im Bereich der Family Governance.

Vermögende Familien und Unternehmerpersönlichkeiten mit komplexen Vermögenssituationen fühlen sich bei uns besonders gut aufgehoben. Weiter schätzen die Kunden die exklusiven Möglichkeiten, gemeinsam mit uns in den Privaten Märkten zu investieren.

Dieses Angebot deckt unsere Division Merchant Banking ab. Schliesslich verfügen wir in der Schweiz auch über ein starkes Global Advisory Office, womit wir Unternehmenskunden bei allen Finanzierungsfragen hervorragend beraten können.

Die Rothschild & Co Gruppe ist an zahlreichen Standorten in Asien vertreten. Wie sehen Ihre Pläne dort aus?

Unser Global Advisory, also das Investmentbanking, ist in Asien sehr stark vertreten. Daraus ergeben sich auch für das Wealth Management ausgezeichnete Geschäftsmöglichkeiten. Wir sind seit rund fünf Jahren nicht mehr mit eigenen Büros vor Ort präsent und konzentrieren uns auf international ausgerichtete Kunden aus Asien.

Unser Fokus liegt vorallem auf den europäischen Onshore-Märkten.

Im vergangenen Jahr wurde ein Paradigmenwechsel an den Finanzmärkten eingeläutet. Die Zinsen steigen und die Inflation hat in manchen Ländern ein unerwartet hohes Niveau erreicht. Was sind aus Ihrer Sicht die Veränderungen, auf die man nun Acht geben muss?

Wir gehen von generell erhöhter Volatilität und mehr Unsicherheit an den Märkten aus. Die höheren Zinsen sind grundsätzlich gut für die Banken, erfordern aber auch ein aktiveres Management des Balance Sheets mit Blick auf das Kreditgeschäft. Das könnte einige Banken herausfordern. Wir sind in diesem Bereich aber sehr konservativ unterwegs.

«Unser Land hat sich bisher wieder einmal als sehr resilient gezeigt»

Das Jahr 2023 wird aber sicherlich herausfordernd, zumal die Zinsen noch weiter steigen könnten und auch die Inflation keineswegs kurzfristiger Natur ist. Dennoch sind wir optimistisch und werden weiter investieren. Wir können uns auch glücklich schätzen in der Schweiz. Denn unser Land hat sich bisher wieder einmal als sehr resilient gezeigt.

Denken Sie, dass wir uns jetzt in einer radikal anderen (Finanz-)Welt befinden? Und falls ja, welche Auswirkungen hat sie auf die Bankbranche?

Nein. Wir sind wohl eher auf dem Weg hin zu einer Normalisierung in der Finanzwelt. Die vergangenen Jahre mit Negativzinsen und immerfort steigenden Märkten waren nicht normal. Die Bankenbranche muss aber lernen, sich wieder ständig zu beweisen.

Denn in Krisenzeiten oder in Zeiten mit grösseren Unsicherheiten und mehr Volatilität an den Märkten zeigt sich, wer nahe bei den Kunden ist und ihr Vertrauen geniesst. Hier helfen gute digitale Lösungen allein nicht. Es braucht bei der Beratung der Kunden Menschen mit Persönlichkeit.


Laurent Gagnebin stiess im Herbst 2011 zur Rothschild Wealth Management Equitas, dem Genfer Standbein der Zürcher Rothschild & Co Bank. Zuvor leitete er die Investec Bank in der Rhonestadt. Ins Banking gelangte er über die Goldman Sachs Bank in Genf, nachdem er zuvor die École hôtelière de Lausanne absolviert und mehrere Jahre in der Hotelbranche gearbeitet hatte. Seit Mitte 2016 führt er als CEO die Rothschild & Co Bank in der Schweiz.