Der Spardruck bei der Credit Suisse und die Furcht vor einem Stellenabbau sorgen für Aufregung. Neue Berechnungen zeigen, warum die Grossbank um drastische Einschnitte bei der Investmentbank wohl nicht mehr herumkommt.
Ist jüngsten Medienberichten zu trauen, entspinnt sich um das umstrittene Investmentbanking der Credit Suisse (CS) schon der nächste Grabenkampf. So gehen im Verwaltungsrat der Grossbank die Meinungen offenbar auseinander, was mit der verlustbringenden Sparte zu tun sei. Verteidiger mit Investmentbank-Karriere wie Michael Klein und Blythe Masters stünden im Gremium Kräften gegenüber, die das Geschäft hart zurückstutzen möchten, heisst es.
Derzeit ist der CS-Verwaltungsrat in Singapur versammelt, dies anlässlich des wegen der Corona-Krise verschobenen 50-Jahre-Jubiläums des Instituts im südostasiatischen Stadtstaat.
Die Grossbank will sich erst Ende Oktober zu allfälligen Anpassungen an die Unternehmensstrategie äussern. Bereits vergangenen Juli skizzierte der neue CEO Ulrich Körner aber die Transformation der Investment Bank in ein kapitalschonendes, beratungsorientiertes Bankgeschäft sowie die Suche nach einer Lösung für das Business mit verbrieften Krediten (Securitized Products Group, SPG).
Kaum Emotionen mehr
Die Uhr für das CS-Investmentbanking tickt also, zumal sich die Konstellation an der Bankspitze verändert hat. So konnten die Dealmaker unter den ehemaligen Chefs Brady Dougan und Thomas Gottstein – beides von Haus aus Investmentbanker – auf Sympathien «ganz oben» zählen. Mit CEO Körner sowie seinen beiden neu ernannten Adlaten Dixit Joshi (Finanzchef) und Francesca McDonagh (operationelle Leitung) sitzen nun allesamt erprobte Restrukturierer im Top-Management. In den nächsten drei bis fünf Jahren will die CS ihre Kostenbasis um bis zu 1,5 Milliarden Franken senken, was auch am (gestrigen) Donnerstag wieder Spekulationen über einen grossflächigen Stellenabbau ausgelöst hat.
Emotionen gegenüber dem Investmentbank-Metier dürfte jenes Dreiergespann jedenfalls kaum hegen. Dafür wird es sich umso mehr über die Zahlen beugen.
Erst in zwei Jahren wieder ein Gewinn?
Diesbezüglich sind Berechnungen interessant, welche Analysten der Deutschen Bank jüngst in einer Studie angestrengt haben; der Report liegt finews.ch vor. Die Marktbeobachter der grössten Bank Deutschlands gehen dabei von der Prämisse aus, dass die CS-Investmentbank im jetzigen «Setup» erst im Jahr 2024 wieder Gewinne schreiben werde. Demgegenüber stellen sie den Fakt, dass die Einheit einen Drittel des Kapitals der Gruppe bildet, aber in den vergangenen dreieinhalb Jahren die schlechteste Rendite aller operativen Divisionen im Konzern eingespielt hat.
Die angenommene Durstrecke bis 2024 ohne grössere Einschnitte in diesem Geschäft durchzustehen, dürfte für Körner nun keine Option mehr sein. Nebem dem Verkauf der SPG-Einheit rechnet der Report mit einem Ausstieg aus dem Zinsen-Business und einem Umbau in den Bereichen Kredite und Ausleihungen an Finanzakteure.
Klaffende Milliardenlücke
Dies umso mehr, als sich bei der Grossbank scheinbar eine Finanzierungslücke öffnet. So rechnen die Deutschbanker vor, dass der CS für die anstehenden Restruktierungen, die Wachstumspläne in der Vermögensverwaltung sowie für die Sicherung der Kapitalbasis – hier bewegt sich die Bank mittlerweile unterhalb der eigenen Zielwerte – bis zu 4 Milliarden Franken fehlen.
Nachdem Gerüchte über eine neuerliche Kapitalerhöhung bereits im vergangenen Mai die CS-Aktionäre aufschreckten, scheint das der dornigste Weg für die Bankführung zu sein, an die fehlenden Milliarden zu gelangen. Mit einem Verkauf der Verbriefungs-Einheit SPG liesse sich hingegen ein grosser Teil des Lochs stopfen, folgert der Report. Ein harter Schnitt im Investmentbanking würde es Körner demnach ersparen, bei den Eignern der Bank die hohle Hand zu machen.
Schnitt ins eigene Fleisch
Allerdings ist ein solcher Verkauf mit beträchtlichen Risiken verknüpft, Knowhow und Kunden drohen Reissaus zu nehmen. Erinnert sei an das Debakel, als die CS im Jahr 2015 entschieden hatte, ihr amerikanisches Private Banking an die US-Grossbank Wells Fargo zu verkaufen. Das führt dazu, dass die Bankführung wohl zwischen dem Spatz in der Hand und der Taube auf dem Dach wählen muss: Sie muss relativ sichere Millionen aufgeben, um an Milliarden zu gelangen. Die zur Disposition stehende SPG-Einheit etwa hat dem Bankkonzern in den vergangenen zehn Jahren geschätzte 20 Milliarden Dollar eingebracht.
Das ist kein Pappenstiel und erinnert daran, dass 33 Prozent der Erträge bei der CS im vergangenen Semester von der Investmentbank kamen, und 34 Prozent aus dem neuen Kerngeschäft mit der Vermögensverwaltung. Das zeigt noch einmal deutlich, warum frühere CS-Manager und -Verwaltungsräte die Investmentbank nie richtig anfassen wollten – und weshalb ein Schnitt in der Sparte immer auch ins Fleisch der Gruppe gehen wird.