Die Liste der Finanzinstitute, die Russland den Rücken kehren, wird immer länger. Nun haben auch zwei französischen Grossbanken nach einigem Zögern entsprechende Schritte angekündigt.
BNP Paribas und Crédit Agricole werden ihre Geschäftsaktivitäten in Russland beenden, wie unter anderem die Agentur «Reuters» berichtet. Die beiden französischen Grossbanken gehören damit zu den letzten internationalen Banken, die ihre Beziehungen zu Firmenkunden dort abbrechen.
Zuvor hatte die BNP bereits angekündigt, keine neuen Finanzierungs-Geschäfte mehr zu tätigen. Nun werden auch andere Arten von Transaktionen nicht mehr abgewickelt. Die französische Konkurrent Crédit Agricole, der ebenfalls nur im Investmentbanking in Russland tätig ist, erklärte wenig später, dass sie alle Geschäfts-Aktivitäten in Russland einstellt. Beide Häuser teilten mit, dass sie nun ihre russischen Kunden informieren.
Weitermachen – oder komplett aussteigen?
Die Schritte machen deutlich, wie unterschiedlich Banken mit dem Krieg in der Ukraine umgehen. Einige beschäftigen sich mit der Frage, wie sie ihr lokales Geschäft in Russland weiterführen können – während andere das Land komplett verlassen wollen. So haben etwa europäische und amerikanische Investmentbanken angekündigt, darunter Goldman Sachs, J.P. Morgan und die Deutsche Bank, dass sie sich zurückziehen werden. Wie das im Detail vonstatten gehen soll, ist unklar.
BNP, die grösste Bank der Eurozone, hat keine Angaben dazu gemacht, was mit ihren rund 500 Mitarbeitern in Russland geschehen wird. Crédit Agricole beschäftigt dort 170 Mitarbeiter.
Société Générale mit Tausenden Mitarbeitenden
In der Ukraine betreibt die BNP die Ukrsibbank, die sich an Privatkunden richtet. Das Engagement in der Ukraine und in Russland wurde auf 3 Milliarden Euro beziffert, was 0,16 Prozent des Gesamtvolumens entspricht. Laut Crédit Agricole machen die gesamten kommerziellen Verpflichtungen in beiden Ländern 0,45 Prozent aus.
Zu den ausländischen Banken mit dem grössten Engagement in Russland zählt die ebenfalls französische Société Générale mit ihrer Privatkundenbank Rosbank, die vor Ort 12’000 Mitarbeiter beschäftigt. Das Institut hat sich noch nicht zu ihren langfristigen Plänen geäussert, aber das Geschäft bisher aufrechterhalten und vor Extremszenarien wie einer möglichen Enteignung ihrer Vermögenswerte gewarnt.
Schweizer Grossbanken noch vor Ort
Bei den Unternehmen aus anderen Bereichen hatte es einen wahren Exodus gegeben. Ob Automobilhersteller, Modeketten, Detailhändler, Luxus- und Möbelmarken oder Baumärkte, überall wurde die Produktion gestoppt, Lieferungen eingestellt und Filialen geschlossen. Zuletzt hat der Schweizer Nahrungsmittel-Riese Nestlé nach langem Zögern seine Aktivitäten auf das absolut Notwendigste beschränkt, etwa Babynahrung oder medizinische Produkte. Ausländische Mitarbeiter wurden in vielen Fällen in ihr Heimatland zurückgeholt oder in andere Länder versetzt.
Andere Banken mit russischen Tochtergesellschaften, wie etwa die italienische Unicredit oder die österreichische Raiffeisen, haben erklärt, dass sie einen Ausstieg in Erwägung ziehen. Da es aber nur wenige potenzielle Käufer für diese Geschäfte gibt, kommt auch eine Abwicklung in Betracht. Die Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse sind weiter unentschlossen, was den Verbleib in Moskau anbelangt. Die Zürcher Privatbank Julius Bär hat die Aktivitäten in der russischen Hauptstadt reduziert.
Es droht die «Hall of Shame»
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski forderte derweil ausländische Unternehmen zum Rückzug aus Russland auf. Der Druck auf jene Unternehmen, die bleiben, steigt auch anderswo. So führt die amerikanischen Yale School of Management eine viel beachtete Liste von Firmen mit Russland-Engagement, die als «Hall of Shame» bezeichnet wird.