Bei der Credit Suisse haben sich die Ereignisse mit dem Greensill-Kollaps und dem Archegos-Milliardenverlust überstürzt. Düstere Vorboten gab es bereits in den zwölf Monaten zuvor, ab dem Amtsantritt von CEO Thomas Gottstein.

Als Thomas Gottstein Mitte Februar 2020 zum CEO der Credit Suisse (CS) ernannt wurde, sollte dies ein Neuanfang für die Grossbank darstellen, nachdem sie durch die «Spygate»-Affäre einen enormen Reputationsschaden erlitten hatte. 

Nur wenige Tage im Amt, war Gottstein mit der Corona-Pandemie und ihren noch unabsehbaren Folgen konfrontiert. Das war eine unverschuldete Krise, die er meistern musste.

Doch dann folgten bei der CS Fehltritt auf Fehltritt, die in der momentanen Krise gipfelten – selbstverschuldet und, so scheint es nun, systemisch und strategisch bedingt. Hier die Eskalation im Zeitraffer:

25. März 2020: Der Bundesrat beschliesst die sogenannten Covid 19-Überbrückungskredite. Ein über die Schweizer Banken laufendes Hilfsprogramm für KMU. Der ursprüngliche Kreditrahmen von 20 Milliarden Franken wird kurz darauf auf 40 Milliarden verdoppelt. Es ist eine Sternstunde für CS-CEO Gottstein, hatte er doch für das Programm in Bern stark lobbyiert.

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1. April 2020: In Hongkong platzt ein Skandal um das asiatische Starbucks-Pendant Luckin Coffee (Bild oben). Das Unternehmen hatte im Vorfeld des Börsenganges Umsätze aufgebläht. Lucking Coffee und der Besitzer Lu Zhengyao waren CS-Kunden. Milliardär Lu galt so gar als «Traumkunde», weil er aus mehreren Einheiten der CS bedient werden konnte.

29. April 2020: Die britische Finanzpresse zeigt die Verflechtungen zwischen der CS, Greensill Capital und dem japanischen Tech-Konzern Softbank (Bild unten) und dessen Vision Funds auf. Die CS ermöglicht es Softbank, dass ihre Greensill-Fonds, Startups finanzieren, in welche Softbank investiert ist. Das Unternehmen ist dabei auch Greensill-Investor. CS-CEO Gottstein ordnet später eine Überprüfung der Verflechtungen an.

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25. Juni 2020: Das deutsche Vorzeige-Fintech Wirecard muss nach einem massiven Betrugsfall Insolvenz anmelden. Die CS hatte zuvor im Auftrag von Softbank Wirecard-Schulden im Umfang von 900 Millionen Euro an Investoren verkauft. Softbank war auch Wirecard-Investor. Die Produkte waren so konstruiert, dass sie für Softbank völlig risikolos waren.

19. Juli 2020: Softbank zieht sich aus den Greensill-Fonds der CS zurück. Ansonsten sieht die CS trotz der Corona-Pandemie und möglichen Liefer- und Liquiditätsengpässen keinen Anlass, an den Kredit-Konstrukten etwas zu ändern. Deren Anlagevolumen ist inzwischen auf über 10 Milliarden Dollar angewachsen.

30 Juli 2020: Gottstein will die CS-Investmentbank fitter machen und legt die beiden zuvor getrennten Einheiten Global Markets und IBCM wieder zusammen; CEO wird Brian Chin. Gleichzeitig fusioniert er aus Kostengründen die Risiko- und Compliance-Abteilungen. Chefin dort wird Lara Warner (Bild unten).

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1. September 2020: Der CS-CEO kündigt eine strategische Überprüfung des Asset Managements an. Dieses war bislang im Wealth Management integriert gewesen.

Oktober 2020: Risikochefin Lara Warner gibt grünes Licht für einen Kredit von 160 Millionen Dollar an Greensill Capital; für 2021 ist ein Börsengang geplant.

24. November 2020: Die CS kündigt einen Abschreiber von 450 Millionen Dollar an ihrem Anteil am Hedgefonds York Capital an. Dieser wird abgewickelt.

15. Dezember 2020: Asset-Management-Chef Eric Varvel preist die Greensill-Fonds (Bild unten) der CS vor Investoren als «innovatives und hochmargiges Angebot» an.

8. Januar 2021: Die CS meldet einen Verlust für das vierte Quartal 2020. Grund ist neben dem York-Abschreiber eine Rückstellung von rund 1 Milliarde Franken für Rechtskosten. Grund sind Altlasten aus der Finanzkrise. Die CS muss über 600 Millionen Dollar an den Anleihen-Versicherer MBIA bezahlen und erwartet, weitere Zahlungen im Zusammenhang mit faulen Hypotheken-Papieren tätigen zu müssen.

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1. März 2021: Die CS schliesst vorläufig ihre Supply Chain Finance Fonds, die sie mit Greensill betrieben hatte. Es bestehen nach dem Kollaps von Greensill grosse Unsicherheiten über die Werthaltigkeit der 10 Milliarden Dollar in den Fonds.

3. März 2021: Die deutsche Finanzaufsicht Bafin reicht Strafanzeige gegen die Greensill Bank in Bremen ein. Über diese waren die Finanzierungen gelaufen. Die Bafin hatte bereits im Sommer 2020 die Bank überprüft, nachdem deren Bilanz innert kürzester Zeit massiv angeschwollen war.

5.  März 2021: Die CS kündigt an, die Fonds aufzulösen. Wieviel die Investoren zurückerhalten werden, ist unklar.

8. März 2021: Greensill Capital meldet in Grossbritannien und in Australien Insolvenz an.

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9. März 2021: Michel Degen (Bild oben), der CEO im Schweizer Asset Management der CS muss den Hut nehmen. Die Bank suspendiert auch einige Portfoliomanager.

17. März 2021: Die CS warnt, das Greensill-Debakel werde einen «materiellen» Schaden verursachen und Kunden könnten ihre Vermögen abziehen. Zudem könnte die Finma zusätzliches Kapital fordern. Der Verwaltungsrat ordnet einen Untersuchung der Vorfälle an.

26. März 2021: Nachdem Greensill in den USA Gläubigerschutz beantragt hat, schätzt die CS den Verlust in den Fonds auf rund 3 Milliarden Dollar.

29. März 2021: Die CS warnt vor schweren Verlusten im Zusammenhang mit einem Hedgefonds-Kunden. Dabei handelt es sich um Archegos Capital von Bill Hwang. Die CS hatte ihm ermöglicht, mit Milliarden-Krediten grosse Aktienpositionen aufzubauen. Nach einem Margin Call musste die CS die Positionen mit Verlust veräussern.

Rohner Thiam

30. März 2021: Harris Associates, der zweitgrösste Aktionär der CS, kritisiert das Risikomanagement der Bank und fordert von Verwaltungsratspräsident Urs Rohner (links im Bild, zusammen mit dem früheren CS-Chef Tidjane Thiam) einen Lohnverzicht.

31. März 2021: Die Ratingagenturen Standard & Poor's sowie Moody's stufen den Ausblick für die CS auf «negativ» herab. Analysten warnen vor Milliardenverlusten. Die CS-Aktien haben inzwischen rund 20 Prozent verloren.

6. April 2021: Die CS hat mit Archegos einen Verlust von 4,4 Milliarden Franken erlitten und kündigt einen Quartalsverlust an. Investmentbankchef Brian Chin und Risikochefin Lara Warner sind entlassen. Das Aktienrückkaufprogramm stoppt die CS und sie streicht die Dividende zum zwei Drittel zusammen. Dem Top-Management werden die Boni gestrichen. Der Verwaltungsrat strengt eine weitere Untersuchung an, neben Greensill nun auch Archegos.

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7. April 2021: CS-Chef Gottstein (Bild oben) äussert in einem Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» sein Bedauern. Die Ereignisse würden nun genau analysiert und auch Fragen zur Stategie der Bank gestellt. Gottstein sagte zudem, er halte die One-Bank-Strategie nach wie vor für richtig.


 (Bilder: Keystone, PD, Credit Suisse)