Credit-Suisse-Chef Thomas Gottstein hat sich als der Schweizer Banker in der aktuellen Corona-Krise profiliert. Dahinter steht eine Agenda, die viel mit den Geschehnissen in der Grossbank im vergangenen Jahr zu tun hat, wie Recherchen von finews.ch zeigen.
Man sollte sich nicht der Illusion hingeben, Thomas Gottstein sei vom Verwaltungsrat der Credit Suisse (CS) gedrängt worden, im vergangenen Februar die Leitung der Grossbank zu übernehmen – nachdem Tidjane Thiam dem Spygate-Skandal zum Opfer gefallen war.
Am Tag seiner Ernennung – und des Abgangs seines «Freundes» Thiam – machte Gottstein zwar nicht gerade den Eindruck, dass ihm die Situation sonderlich behagen würde. Doch selbst wenn der Investmentbanker und frühere Schweiz-Chef der Credit Suisse nicht den Ehrgeiz eines Iqbal Khans zur Schau trägt, ist klar: Auf diesem Karriereniveau packt jeder gestandene Topmanager die Chance, nochmals aufzusteigen und CEO zu werden. Der passionierte Golfspieler Gottstein stellt da keine Ausnahme dar.
Beschädigte Kultur wieder herstellen
Der 56-Jährige ging den Job als CEO mit einer persönlichen Agenda an. Gottstein wollte die beschädigte Unternehmenskultur der CS wieder herstellen, wie enge Wegbegleiter gegenüber finews.ch sagen.
Dabei gehe es ihm nicht alleine darum, einen grundsätzlich anderen Umgang mit den Angestellten der Bank zu pflegen, als es sein Vorgänger Thiam getan habe. Gottstein wolle vielmehr auch die Stakeholder einbeziehen und den Ruf der traditionsreichen, zweitgrössten Bank der Schweiz aufwerten. Dieser hatte im Zuge des Beschattungsskandals im vergangenen Jahr erheblich gelitten.
In der Öffentlichkeit nach seinem Antritt als CEO erstmals wieder präsent wurde Gottstein mit dem Ausbruch der Corona-Krise: Vor knapp zwei Wochen lancierte ihn die «Handelszeitung» als Initiant des umfassenden Hilfsprogramms des Bundes und der Schweizer Banken. Die CS wolle sich aktiv einbringen, um die Schweizer KMU in ihrer schwierigen Situation mit Liquidität und Krediten zu unterstützen, sagte er.
Kommunikation nach innen und aussen
Auch innerhalb der CS zeigt sich Gottstein auf der Höhe: Früh verordnete er den Angestellten Homeoffice, gab Eltern, die neben der Kinderbetreuung nicht arbeiten können, bis Mitte April bezahlten Urlaub und setzte Entlassungen aus. Zusammen mit Verwaltungsratspräsident Urs Rohner wandte er sich mit empathischen Worten an die Belegschaft und hob zugleich hervor, wie wichtig es für die CS sei, nun einen Beitrag zur Unterstützung der Schweizer Wirtschaft zu leisten.
Am Mittwoch dieser Woche stand das in der Schweiz bislang beispiellose Hilfsprogramm. Und am darauffolgenden Tag präsentierte sich Gottstein in einem ausführlichen Interview in der «Schweizer Illustrierten» – das er per Telefon aus seinem Homeoffice geführt hatte.
Findet die richtigen Worte
Wahrlich eine kühne Kommunikationsstrategie der CS, steht doch die «People»-Postille aus dem Hause Ringier sonst eher für seichtere Inhalte, in der sich Bankchefs zwar auch schon präsentiert haben, doch dann eher aus den Ferien im Tessin oder bei irgendeinem Hobby.
Doch Gottstein nutzte auch hier seine Chance und präsentierte sich als nahbarer Familienvater, als Motivator seiner Mitarbeiter («In der Krise ging ein Ruck durch die Belegschaft») und als Chef einer Bank, der sich seiner derzeit so wichtigen Rolle für die Schweiz sehr bewusst ist und von Solidarität spricht.
Es anders machen als Tidjane Thiam
Natürlich verlangt eine schwierige Zeit von Topbankern wie Gottstein besondere Um- und Rücksicht. Doch der frisch ins Amt gekommene CS-Chef weiss die aktuelle Krise als Chance tatsächlich zu nutzen.
Er habe von Beginn weg die Absicht gehabt, seinen Mitarbeiter gegenüber die verdiente Wertschätzung zu zeigen, transparent zu sein und insgesamt mehr und besser mit ihnen zu kommunizieren. Sein Vorgänger Thiam wandte sich zwar auch hin und wieder in Memos an die gesamte CS-Belegschaft.
Gottstein nutze die aktuelle Situation aber, um den Umgang mit den Mitarbeitern zu pflegen und es diesbezüglich besser zu machen als sein Vorgänger, heisst es aus seinem Umfeld.