Der Schweizer Hypotheken-Vermittler Moneypark hat 2020 sein Volumen um 400 Millionen Franken gesteigert. Chef Stefan Heitmann prognostiziert im Gespräch mit finews.ch, dass dereinst jede zweite Hypothek über eine Plattform vergeben wird.
Herr Heitmann, Moneypark hat im vergangenen Jahr Hypotheken im Wert von 3,4 Milliarden Franken vermittelt, 400 Millionen Franken mehr als 2019. Sind Sie zufrieden?
Das ist das höchste je von Moneypark vermittelte Volumen. Da muss man absolut zufrieden sein, auch weil es ein aussergewöhnliches Jahr für uns alle war.
Bislang peilten Sie mittelfristig 5 Milliarden Franken pro Jahr an. Ist dies nach der Zäsur der Corona-Pandemie noch möglich?
Ich halte das Marktpotenzial in der Schweiz für gross genug, um dieses Ziel zu erreichen. Wir werden in den nächsten Jahren weiterhin ein gutes Wachstum sehen.
Ebenfalls planten Sie, 2020 rund 100 neue Mitarbeitenden zu den Ende 2019 fast 250 Angestellten zu gewinnen.
Wir haben das ganze Jahr über rekrutiert und unseren Mitarbeiterstamm auf mittlerweile über 300 Personen ausbauen können. Wir griffen zu keinem Zeitpunkt im Coronajahr zu Kurzarbeit oder sonstigen Massnahmen.
«Das ist weder für die Bewerber noch für die Interviewer einfach»
Aktuell haben wir gegen 50 Stellen ausgeschrieben, das ist auch die Marke, die wir 2021 erreichen wollen. Die meisten Jobs haben wir weiterhin in der Beratung zu besetzen.
Personalverantwortliche schimpfen über die Rekrutierung per Videocall. Für Moneypark ist das kein Problem?
Der Rekrutierungsprozess ist auch bei uns in den Online-Kanal gewandert. Die mehreren Runden, die Kandidatinnen und Kandidaten bei uns zu bewältigen haben, sind teils ausschliesslich digital abgehalten worden.
Das ist weder für die Bewerber noch für die Interviewer einfach und hat zur starken Belastung des Teams in der uns auferlegten Arbeitsweise beigetragen.
Der Druck auf den Arbeitsmarkt hat auch im Finanzwesen zugenommen. Da rennen Ihnen die Banker wohl die Bude ein?
Rekrutierung im Schweizer Banking ist nie einfach gewesen. Es gibt starke, vor allem sehr finanzstarke Mitbewerber. Noch dazu verlangen wir von unseren Kandidaten einen hohen Fit mit dem Unternehmen und viel Technologie-Affinität.
«Man fühlte sich an die Finanzkrise erinnert»
Sie müssen bereit sein, sich auf ein Geschäftsmodell einzulassen, das natürlich nicht eins zu eins dem einer herkömmlichen Bank entspricht. So gesehen hat der Prozess beidseitig hohe Hürden. Wir möchten gerne noch mehr Leute gewinnen, als wir es aktuell tun.
Die Hypothekenvermittlung hängt am Immobilienmarkt, der zumindest im Bereich Wohneigentum von der Krise überraschend verschont geblieben ist. Aber es hätte auch anders kommen können – im Corona-Crash vom vergangenen März froren die Transaktion zu. Was ging Ihnen damals durch den Kopf?
Man fühlte sich an die Finanzkrise erinnert. Auch damals trocknete der Markt zwischenzeitlich aus. In der Coronakrise dauerte dieses Phänomen aber nur zwei bis drei Wochen im März und April. Damals hatten einige Kapitalgeber Mühe, Preise zu stellen. Das war eine Zeit hoher Unsicherheit für alle Beteiligten.
Was geschah dann?
Es zeigte sich, dass die Nachfrage nach selbstgenutztem Wohneigentum ungebrochen hoch blieb – das eigene Heim ist in einer Krise der letzte Zufluchtsort der Menschen.
«Die Agglomerationen ziehen preislich stärker an als die Innenstädte»
Auf der Kapitalgeber-Seite dauerte es hingegen teils ein halbes Jahr, bis sich etwa Pensionskassen wieder stärker bei der Hypothekar-Vergabe engagierten. Wir waren nie geschlossen und hatten immer genügend Kreditkapazitäten, um Finanzierungen zu ermöglichen.
Die Preise für Wohneigentum stiegen im Krisenjahr 2020, und tun es nun weiter. Wie lange noch?
Wir beobachten steigende Immobilienpreise, und wir beobachten auch eine Asymmetrie: Die Agglomerationen ziehen preislich stärker an als die Innenstädte.
Kommt jetzt die Flucht aufs Land?
Das ist ein neuer Trend, der für mich klar durch Corona bedingt ist. Die Menschen wollen in dieser Situation eine Immobilie mit Umschwung respektive in Nähe der Natur. Dieses Feedback hören wir ganz klar von unseren Kunden.
Wird mit den steigenden Konditionen nicht Ihr wichtigstes Kundensegment, der Mittelstand, aus dem Markt gedrängt?
Wir erwarten unverändert keine Preisblase am Schweizer Immobilienmarkt. Aber natürlich: Bei weiter steigenden Preisen und bei stagnierenden Einkommen wird für einen Teil der Kundschaft die Erschwinglichkeit eher noch schwieriger. Es gibt glücklicherweise mehr Auswahl am Hypothekenmarkt als je zuvor.
«Zum ersten Mal erleben wir, dass sich die klassischen Silos verbinden»
Und es gibt neue Anbieter wie Pensionskassen, die Produkte und Produkt-Features anbieten können, welche man von einer klassischen Bank her nicht kennt. Einem Kunden zu seinen eigenen vier Wänden zu verhelfen, das ist unser Bestreben.
Moneypark baut das Angebot im Immobiliengeschäft noch aus. Anfang Jahr startete eine Daten-Plattform, die sowohl Käufern, Eigentümern wie auch Verkäufern von Wohneigentum gratis zur Verfügung steht. Wie ist Ihre Bilanz bis jetzt aus?
Der Start ist geglückt. Die Nachfrage aus diesen drei Kundengruppen entwickelt sich sehr ermutigend. Wenn wir aufgrund des neuen Angebots Kunden, die suchen, und solche, die Immobilien anbieten, zusammenbringen, ist das ein schöner Brückenschluss.
Die Datenplattform amortisiert sich also mit den daraus resultierenden Transaktionen?
Die Monetarisierung geschieht primär über die Transaktionen. Wir wollen aber mehr sein als nur ein Makler. Wir bieten ein völlig neues, datenbasiertes Kundenerlebnis im Immobilienbereich und vereinfachen dadurch den Kauf und Verkauf.
Damit sind wir bei der Plattform-Ökonomie angelangt respektive bei den so genannten Ökosystemen, die rund ums Wohnen nun wie Pilze aus dem Boden schiessen. Grosse Anbieter sind Raiffeisen und Mobiliar, aber auch die Grossbank UBS mit ihrer Plattform Key4. Wächst da ein undurchdringlicher Angebotsdschungel für den Kunden heran?
Nein, das wird den Kunden nützen. Zum ersten Mal erleben wir in der Schweiz, dass sich die klassischen Silos, die sich am Markt gebildet haben, miteinander verbinden. Mit Moneypark und den vielen Nachahmern, die es mittlerweile gibt, wird das Plattform-Geschäft am hiesigen Hypothekenmarkt zur neuen Normalität.
«Es ist unmöglich, dass ein Kunde parallel fünf Ökosysteme besucht»
Es wird noch einiger Anstrengung bedürfen, aber es werden sich Ökosysteme bilden, die einen effektiven Kundennutzen bieten.
Wir erleben gerade die Gründungsphase – aber wie viele Ökosysteme werden am Ende am Immobilienmarkt überleben?
Ich glaube nicht mehr als fünf, und das halte ich schon für viel. Wie bei den Hypothekar-Plattformen werden wir eine klare Konzentration erleben – dort erwarte ich drei bis vier Anbieter, welche signifikante Volumen stemmen können. Es ist fast unmöglich, dass ein Kunde parallel fünf Ökosysteme besucht. Die angebotsstärksten Systeme werden gewinnen.
Moneypark arbeitet mit Key4 von der UBS zusammen, obschon beide in der Hypothekenvermittlung Konkurrenten sind. Was lässt die Berührungsängste der Banken schwinden?
Die Tatsache, dass Key4 eine Kooperation mit uns gesucht hat, ist eine echte Weichenstellung und von hohem strategischem Nutzen. Wir haben im vergangenen Jahr darüber hinaus viele neue Banken und Pensionskassen als Kapitalgeber auf unserer Plattform gewinnen können. Mit insgesamt über 150 können wir Kunden so viele Anbieter anbieten wie nie zuvor.
«Wir haben den Kooperationsvertrag mit Raiffeisen neu ausgehandelt»
Die Banken haben den Kundentrend, auf den wir von Anfang an gesetzt haben, nun ebenfalls angenommen. Und sie erkennen, dass es mittlerweile für sie nicht mehr selbstverständlich ist, neue Kunden über das klassische Filial- und Monoprodukt-Modell zu erreichen. Kunden wollen Transparenz und Auswahl, wie überall im Markt auch.
Wo führt das hin?
Ich wage einmal die Prognose, dass mittelfristig jedes zweite Finanzierungsangebot in der Schweiz über eine Plattform wie Key4, Valuu oder uns abgewickelt wird. Das macht das Angebot für den Kunden deutlich interessanter und transparenter.
Und welches Geschäft bleibt den Banken?
Ich bin nicht einer, der sagt, es braucht keine Banken mehr – obwohl es diese Stimmen gibt am Markt. Wir kooperieren hervorragend mit Banken, und diese stellen weiterhin zentrale Dienstleistungen für den Immobilienmarkt bereit.
«Hypotheken sind ein relativ einfaches, leicht zu vergleichendes Produkt»
Das Bankmodell, das alles selber machen will und von A bis Z hinter dem Vorhang agiert, stösst zumindest im Neugeschäft an seine Grenzen. Insofern halte ich es für nötig, dass Banken sich im Hypothekengeschäft für Plattformen öffnen und ihre Vertriebs-Architektur anpassen.
Zusammengefasst: von der Bank braucht es künftig nur noch die Bilanz.
Eine Bank hat ja noch zahlreiche andere wichtige und gar systemrelevante Aufgabenbereiche. Wenn sie anderswo eine kompetente Beratung erhalten, reichen Kunden im Hypothekar-Bereich die Bilanzen – da war aber eigentlich aus Kundensicht auch gar nie mehr drin.
«Moneypark ist unabhängig»
Hypotheken sind ein relativ einfaches, leicht zu vergleichendes Produkt, bei dem der primäre Mehrwert in Form eines günstigeren Zinses direkt beim Abschluss entsteht. Hypotheken sind eine Commodity, wenn Sie so wollen, sprich: austauschbar.
Es gibt eine gewisse Rivalität zwischen der grössten Hypothekarbanken-Gruppe des Landes, Raiffeisen Schweiz, und Ihrem Mutterhaus Helvetia. Geschäften Sie heute mit den Genossenschaftsbanken?
Moneypark ist unabhängig. Wir haben immer mit Raiffeisen geschäftet und jüngst unseren Kooperationsvertrag mit der Gruppe neu ausgehandelt. Wir führen Dutzende Raiffeisenbanken im System, mit denen wir regelmässig sehr gute Geschäfte machen und enge Beziehungen pflegen.
Stefan Heitmann gründete Moneypark 2012 und wirkt seither als dessen CEO. Im Jahr 2016 übernahm der Versicherer Helvetia eine Mehrheit am Startup, 2020 erzielte das Jungunternehmen, das sich als Immobilienmarkt-Plattform zu positionieren sucht, mit einem landesweiten Filialnetz und rund 300 Mitarbeitenden ein Finanzierungsvolumen von 3,4 Milliarden Franken. Nach eigenen Angaben ist das operative Geschäft von Moneypark rentabel; die Gewinnschwelle bleibt aber zugunsten von Investitionen aufgeschoben.