Ökosysteme rund um Wohneigentum haben bei Banken und Versicherern Hochkonjunktur. Im Gedränge werden manche auf der Strecke bleiben.
Der Angreifer baut weiter aus: Moneypark, nach eigenen Angaben der grösste Hypothekenvermittler nach der Marktführerin Raiffeisen Schweiz, expandiert in die Immobilienberatung.
Wie einer Mitteilung vom Donnerstag zu entnehmen war, lanciert die Tochter des Versicherers Helvetia eine neue Plattform, die Kunden in allen Fragen rund um den Immobilienkauf, -besitz und -verkauf sowie wie bis anhin bei der Finanzierung und Vorsorge beraten will. Das digitale Angebot ergänzt Moneypark dabei um ein neues, schweizweites Team von Immobilienexperten.
Das 2012 gegründete Startup arbeitet aufs Ziel hin, zu einem Informations-Anbieter zu avancieren, der breite Kundenbedürfnisse aus einer Hand abdeckt und die Nutzer eng begleitet, wie es weiter hiess.
Plattform für Wohneigentümer
Damit bewegt sich auch Moneypark zügig in Richtung eines «Ökosystems» rund ums Thema Wohnen. Solche schiessen derzeit beinahe wie Pilze aus dem Boden; von der Grossbank bis zum Genossenschaftsversicherer springt die Schweizer Finanzbranche auf das neue Reizwort an. Branchenübergreifende Allianzen werden geschmiedet, Startups gekauft. Einmal mehr agieren die wichtigen Akteure aber auf eigene Faust – auf die Gefahr hin, dass Millionen von Franken in den Sand gesetzt werden, wenn die erwartete Bereinigung des Felds einsetzt.
Vorerst überwiegt jedoch die Dynamik. Dieser Tage zementierte das Immobilienportal der Kantonalbanken – Newhome.ch – den Anspruch, ein «umfassendes Immobilien-Ökosystem» zu bieten, mit neuen Diensten bei der Wohnungssuche. Das Portal schart inzwischen 500 Immobilienfirmen und 18 Kantonalbanken hinter sich.
Gar auf 1'000 Standorte und 5,5 Millionen Kunden kommt dereinst das Ökosystem, das die Bankengruppe Raiffeisen Schweiz und die Versicherungsgenossenschaft Mobiliar vergangenen Juni ankündigten. Das digitale Joint-Venture «Plattform für Wohneigentümer» soll in einem Jahr live gehen.
Der vierte Schlüssel der UBS
An einem Ökosystem rund um die Wohnfinanzierung schmiedet auch die UBS, die ebenfalls im Juni die Hypothekenvermittlungs-Plattform Key4 lancierte – eine Kampfansage an neue Konkurrenten wie Moneypark. An weiteren Angeboten auf der Plattform wird derzeit gearbeitet. Jetzt schon dazu zählt der Schweizer Online-Immobilienmarkt Homegate.ch. Weitere Partner könnten folgen, etwa Versicherer; mit der Zurich hat die UBS Anfang Jahr ein Bancassurance-Produkt lanciert. Derweil sinnierte die Führung der Erzrivalin Credit Suisse (CS) wiederholt über eine engere Zusammenarbeit mit Versicherern nach, auch dies vorab im Retailkanal.
UBS, Raiffeisen, Valiant, Helvetia, Baloise, Swiss Life, Mobiliar – das ist die nicht abschliessende Liste der Schweizer Finanzkonzerne, die derzeit an Ökosystemen rund ums Wohnen zimmern. Dabei, urteilte finews.ch unlängst, scheinen die Versicherer die Nase vorn zu haben.
50'000 Handänderungen pro Jahr
Den Kampf ums Eigenheim befeuert ein riesiges Potenzial. Allein das Schweizer Hypothekarvolumen wird auf rund 1'000 Milliarden Franken geschätzt, davon sind 130 Milliarden Franken jährlich in Bewegung. Hinzu kommen pro Jahr rund 50'000 Handänderungen von Wohneigentum mit einem Durchschnittswert von 1,1 Millionen Franken. Aus diesem Gefäss schöpfen die Makler, aber auch die Gebäudeversicherer, weil die meisten Handänderungen auch hier einen Wechsel auslösen.
«Dass Schweizer Banken und Versicherer nun vermehrt Dienste ums Wohnen zu Ökosystemen verknüpfen, ist eine erfreuliche Entwicklung», sagt Stefan Heitmann, Chef von Moneypark, zu finews.ch. Die Entwicklung zeige, dass das Silo-Denken in den Finanzkonzernen überwunden wird und die Anbieter vermehrt auf echte Bedürfnisse der Kunden eingehen, anstatt diese als blosse Produkteabnehmer zu behandeln.
«Die Frage ist natürlich», so Heitmann, «ob den Ankündigungen entsprechende Taten folgen.»
Kaum genutzt?
Mit Kennzahlen zu ihren Ökosystemen sind die Unternehmen zumeist knausrig. In der Branche heisst es, dass gewisse Angebot kaum genutzt und auch konzernintern wenig Unterstützung finden. Hinweise dazu liefern etwa Bancassurance-Modelle, die als Frühform eines Finanz-Ökosystems gelten dürfen. Als Raiffeisen im Juni eine langjährige Zusammenarbeit mit Helvetia aufkündigte, stichelte die Versicherung, der Raiffeisen-Kanal habe 2019 nur «im tiefen einstelligen Millionenbereich» zum Ergebnis beigetragen.
Derweil besteht das Risiko, dass hinter dem neuen Ökosystem-Etikett alte Muster Bestand haben – das altbekannte Cross-selling über mehrere Kanäle, das die Kunden weiterhin als Produkteabnehmer behandelt. Die Hinwendung hin zu den Kundenbedürfnissen und der viel bemühten «Customer Experience» steht am Schweizer Finanzplatz erst am Anfang.
Wer auf der Strecke bleibt
Heute schon zeichnet sich aber ab, dass die Kunden jener Plattform den Vorzug geben werden, welche die meisten Dienste auf die bequemste Weise und am günstigsten zugänglich macht. In der Folge werden viele Projekte, welche die Firmen jetzt innerhalb der Gruppe oder mit exklusiven Partnern lancieren, am Ende wohl auf der Strecke bleiben.
Heitmann, dessen Firma mit der Hypotheken-Vermittlung schon viel Bewegung in die Branche gebracht hat, sagt es so: «Mittelfristig ist eine Bereinigung im Bereich der Wohn-Ökosysteme wohl unumgänglich. Sicher wäre es sinnvoll und schonender für die Ressourcen der Unternehmen, wenn die Schweizer Finanzkonzerne diesbezüglich schon heute mehr zusammenspannen würden.»