Nach dem unerwarteten Tod von Benjamin de Rothschild liegt es mehr denn je an seiner Frau Ariane, die Privatbank Edmond de Rothschild wieder fit zu machen. Doch es gibt auch andere Optionen.
Im Jahr 2019 entschlossen sich die Besitzer der Genfer Privatbank Edmond de Rothschild zur Dekotierung der Aktien von der Börse und damit zum Rückzug aus der Öffentlichkeit. Der plötzliche Tod von Hauptaktionär Benjamin de Rothschild vor zwei Wochen wirft nun das Scheinwerferlicht erneut auf die Milliardärsfamilie, die zur wohl berühmtesten Bankiers-Dynastie der Welt gehört.
Rein oberflächlich gesehen ändert der Tod des 57-jährigen Sohnes des Gründers von Edmond de Rothschild nichts in der Bank, die rund 173 Milliarden Franken Vermögen verwaltet. Seine Frau Ariane de Rothschild (beide im Bild unten) vertritt seit mehr als 13 Jahren die Familie im Unternehmen, seit 2015 als Verwaltungsrats-Präsidentin.
Zu viele gesellschaftliche Zwänge für Benjamin
Benjamin, der die Leitung der Bank im Alter von 34 Jahren nach dem Tod seines Vaters übernehmen musste, hatte sich im Laufe dieser Jahre immer mehr aus dem Bankgeschäft zurückgezogen; Ariane, eine frühere Wertschriftenhändlerin und Kämpfernatur, wurde das Gesicht des verschwiegenen Genfer Instituts und machte ihren Einfluss zunehmend geltend.
(Bild: Rothschild Héritage)
Der Rollenwechsel machte Sinn, zeigte der Milliardär Benjamin eigentlich nie besondere Lust am Bankiers-Dasein, das vor allem auch gesellschaftliche Zwänge mit sich brachte. In Genfer Kreisen bezeichnete man den leidenschaftlichen Segler und vierfachen Vater relativ milde als «exzentrisch»; er hatte beispielsweise die Angewohnheit, für Monate von der Bildfläche zu verschwinden.
«Er war sehr freundlich, wenn man mal die Gelegenheit hatte, mit ihm zu sprechen», sagte ein Genfer Bankier gegenüber finews.ch. «Aber die ernsthaften Bankthemen behandelte grundsätzlich sie (Ariane).»
Der abwesende CEO
Tatsächlich lieferten Benjamin und sein Lebensstil viel Stoff für süffige Anekdoten. Kein Geheimnis ist, dass er in früheren Jahren mit Drogenproblemen kämpfte und 1997 wegen Besitz von Heroin verhaftet worden war. Zehn Jahre später wiederholte sich dies in Paris, nach einem Zwischenfall mit einem Laserpointer und einem Polizeibeamten. «Er war eher der abwesende CEO, aber nicht weil er nachlässig war», erzählte ein langjähriger Beobachter. «Er nahm einfach gerne andere Wege.»
Er liebte schnelle Autos, Motorräder und Boote und frönte einer mehrfach kritisch kommentierten Leidenschaft als Grosswildjäger. Den Titel CEO trug Benjamin offiziell nie. Er zog es vor, das Tagesgeschäft der 1953 gegründeten Bank von ihm ausgewählten Managern zu überlassen.
Name Rothschild ist ein Magnet für Kunden
Zumindest eine Seite des Geschäfts war nicht sonderlich schwer: Der Name Rothschild war lange ein Magnet für vermögende Kunden. Doch das Jahr 2010 und das Aufbrechen des Bankgeheimnisses bedeuteten auch für dieses Finanzinstitut einen Bruch. Die edle und weit verzweigte Privatbank musste sich, wie alle anderen Schweizer Institute, neu erfinden.
Der Weg war holprig. Der langjährige CEO Claude Messulan verliess die Bank im Jahr 2012. Sein Nachfolger Christophe de Backer, der frühere Top-Banker der HSBC in Frankreich, hielt es nur drei Jahre bei den de Rothschilds aus. Benjamin installierte seine Frau Ariane als exekutive Präsidentin, sie sass bereits seit 2008 im Gremium.
Ariane die Blonde, Thiam der Schwarze
Die 56-Jährige pflegt einen Ruf als sehr direkte Kommunikatorin, die Konflikten nicht aus dem Weg geht, wie sie auch selber einräumt. Sie erkannte rasch, dass Edmond de Rothschild eine Art Turnaround benötigte. Im Jahr 2015 war der Gewinn der Bank um über 11 Prozent auf 56 Millionen Franken eingebrochen.
Genf empfing sie nicht gerade mit offenen Armen. In der Zeitung «Le Temps» (Artikel bezahlpflichtig) verglich sie 2016 ihren Empfang in der Rhonestadt mit dem des mit ihr befreundeten Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiam in Zürich: «Er sagt mir oft, ich sei die Blondine und er der Schwarze im Schweizer Banking. Das bringt uns zum Lachen.»
Käse, Wein und Hotels
Längst hatte sich Benjamin praktisch ganz aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. In einem seiner letzten Interviews vor vier Jahren sprach er übers Segeln und sein Gitana-Team, das er sponserte. Ariane kümmerte sich derweil auch um die anderen Familiengeschäfte: Den Landwirtschaftsbetrieb, der den französischen Weichkäse Brie de Meaux produziert oder die Bordeaux-Weingüter, die sie eine Partnerschaft mit den spanischen Gut Ribera del Duero führte, oder das Four Seasons Hotel in Megève.
Auch diese Aktivitäten stützen sich stark auf den Namen Rothschild. Aber alles unter einem Hut, das passe zur Familie, ihren Werten und ihrer Kultur, sagte Ariane 2018 gegenüber der «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig): «Panache ist eine Lebenseinstellung – das ist nichts Vulgäres.» Im selben Jahr schmiss das Ehepaar de Rothschild eine Party für mehr als 1'000 Kunden, Angestellte und Freunde, die das Thema hatte, «Genf aus den Socken zu hauen».
Wirbelwind Ariane
Aber der Glamour trug Schatten. In Luxemburg kämpfte die dortige Banken-Tochter mit den Nachwehen ihrer Verwicklungen in den malaysischen 1MDB-Skandal; 2016 schloss Edmond de Rothschild in Hongkong die Türen. Die Bank migrierte auf die teure Avaloq-Plattform, ein hässlicher Streit mit dem französisch-britischen Arm der Familie um den Rothschild-Namen konnte erst 2018 begraben werden. Ein Jahr später fusionierte Ariane die französischen Aktivitäten der Bank mit der Schweizer Gruppe und nahm diese anschliessend von der Börse.
Vier Jahre hatte Ariane in der Bankengruppe gewirbelt, als Frankreich-Chef Vincent Taupin (Bild oben) schliesslich CEO wurde. Aber Edmond de Rothschild ist nicht fit: Die Cost-Income-Ratio von 87 Prozent verrät hohe Ineffizienzen und Kosten, die Kundengelder nahmen in den vergangenen drei Jahren ab. Nur noch 70 Milliarden Franken sind als Vermögen in der Privatbank-Division, die seit 2019 von Michel Longhini geleitet wird.
Gefolgsfrauen im Management
Aber laut Taupin ist nicht das Wachstum das Problem, sondern die Profitabilität: «Es ist nutzlos, Gelder zu gestörten Preisen zu akquirieren», sagte er gegenüber der «Financial Times».
Neben Taupin umgibt sich Ariane mit Gefolgsfrauen wie Cynthia Tobiano, welche die Finanzen leitet, und COO Sabine Rabald. Wie es vielen sehr Vermögenden eigen ist, hat auch Ariane eine typische «ich will es jetzt»-Mentalität, die nicht immer zur langfristigen Natur des Wealth Managements passt.
Kritiker sagen, sie habe andererseits den Hang zum Schwadronieren, wenn es um wichtige Belange gehe. Jedenfalls vergleicht sich ihr Managementstil schlecht mit jenem bei Konkurrenten wie Pictet oder der liechtensteinischen LGT, wo Entscheide lange gewälzt, dann aber umgesetzt und auch gegen Widerstände und Hindernisse verteidigt werden.
Nachfolge könnte schwierig werden
Manch grösseres Problem liegt in der Familie selber: Die 88-jährige Schwiegermutter Nadine de Rothschild soll über das Management bei Edmond de Rothschild so verärgert gewesen sein, dass sie mit ihrem Geld zu Pictet wechselte.
Auch ein Nachfolgeproblem zeichnet sich ab: Keine der vier Töchter ist in einem der Familien-Geschäfte involviert. Drei von ihnen sind allerdings noch Studentinnen, die älteste ist in Montreal im Bereich Public Relations für eine Videospiel-Firma tätig. Die Familien-Holding dereinst aufzuteilen, könnte sich als schwierig erweisen: Benjamins Halbschwester besitzt 17 Prozent der Aktien, so viel wie seine Mutter Nadine. Ariane stehen gemäss Schweizer Gesetz 25 Prozent zu.
Übernahmegerüchte beginnen zu kursieren
Also liegt es an den Frauen aus drei Rothschild-Generationen, um über die Zukunft von Edmond de Rothschild zu entscheiden. Gerüchteweise soll die Zürcher Privatbank Julius Bär bereits ihre Fühler für eine Übernahme ausgestreckt haben. Doch der Verkaufspreis sei unrealistisch hoch gewesen, hiess es in Finanzkreisen.
Ein bereits länger im Umlauf befindliches Gerücht sieht einen Zusammenschluss mit der Zürcher Privatbank Rothschild & Co. vor. Dort ist mit Alexandre de Rothschild ein Familienbanker der siebten Generation am Ruder. Die Gerüchte blieben denn auch unkommentiert.