Der designierte Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse António Horta-Osório dürfte die Fussstapfen seines Vorgängers Urs Rohner problemlos füllen können. Die Frage lautet: Passt der Portugiese zur Credit Suisse?
Urs Rohner war in seiner Rolle als Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse (CS), der zweitgrössten und -wichtigsten Bank der Schweiz, stets umstritten. Die Kritik am inzwischen 60-Jährigen riss während seiner gesamten bisherigen Amtszeit nie ab. Ein Vorwurf, der Rohner besonders empfindlich traf: Er sei kein Banker, sondern Anwalt.
Damit verbunden gab es laufend kritische Stimmen, Rohner sei als CS-Präsident zu wenig «spürbar», er trete zu wenig in Erscheinung, habe keine Vision oder Strategie für die Bank.
Unterschiede in allen Punkten
Diese Kritik mag auch im Naturell Rohners begründet liegen, der in seinen Auftritten kaum jemals eine persönliche Note zu hinterlassen vermochte, sämtliche Kritik an sich abprallen liess und aus jeder Krise scheinbar unbeschadet hervorging. Sei es sein «Weisse Weste»-Kommentar zur Milliardenbusse im US-Steuerstreit im Jahr 2014, überrissenen Bonuszahlungen in Verlustjahren 2016 und 2017 oder zuletzt in der unsäglichen Spionageaffäre.
António Horta-Osório, der im nächsten April zum Nachfolger Rohners gewählt werden soll, unterscheidet sich von Rohner in all diesen Punkten. Zunächst: Der 56-jährige Portugiese ist ein hervorragender Banker. Seine Leistungen als Lloyds-CEO sind unbestritten. Er führte die britischste aller britischen Banken aus den tiefroten Zahlen nach der Finanzkrise in die Profitabilität zurück.
Digitalisierer, Feminist
Er löste Lloyds aus der staatlichen Umklammerung, nachdem die britischen Steuerzahler über 20 Milliarden Pfund zu deren Rettung ausgeben mussten. Horta-Osório bewies sich als Digitalisierer: Lloyds gilt heute als die digitalste der britischen Grossbanken mit dem im Vergleich zu den Gesamtkosten höchsten Ausgaben für Technologie. Der CEO pflegt dieses Image, indem er technologische Fortschritte in der Bank zur Priorität ernannt hat und über diese auch laufend Transparenz schafft.
Die auch von Rohner unter hoher Priorität eingestuften Themen wie Diversity und Inclusion pflegt Horta-Osório seit Jahren. Die gezielte Förderung von Frauenkarrieren setzte er schon im Jahr 2013 auf die Lloyds-Agenda. Dies liess die Zeitung «Evening Standard» prominent die Frage stellen, ob er der Top-Feminist der Londoner City sei.
Skandale öffentlich aufgearbeitet
Frei von Skandalen ist Horta-Osório nicht. Doch im Unterschied zu Rohner bewies er in der Aufarbeitung Empathiefähigkeit und zeigte seine menschliche Seite. Über sein Burnout zu Beginn seiner Lloyds-Amtszeit im Jahr 2011 äusserte er sich ausführlich und nahm dieses zum Anlass, innerhalb der Bank Vorkehrungen zu treffen, um die Angestellten vor psychischem Druck und dessen Effekten auf die mentale Gesundheit besser zu schützen.
Im Sommer 2016 wurde eine Affäre zwischen Horta-Osório und einer hochrangigen Akademikerin bekannt. Horta-Osório, der verheiratet ist und drei Kinder hat, verbrachte mit seiner Liebschaft einige teure Tage im Singapurer Luxushotel Oriental Mandarin. Der Lloyds-CEO überstand den Skandal, indem er Transparenz schuf, sich für den Reputationsschaden an der Bank und bei den Mitarbeitern öffentlich entschuldigte – nicht aber für seine Affäre. Diese sei privat.
Kämpft auch für seinen Bonus
Beurteilt man den Vorschlag zur Wahl zum nächsten CS-Präsidenten unter solchen Gesichtspunkten, kann man dem «Search Committee» attestieren, einen guten Job gemacht zu haben: Horta-Osório erfüllt sowohl «harte» als auch «softe» Kriterien, ist ein hart gesottener Banker mit strategischem Geschick, der von seinem Wert weiss – und sich darum laufend den Bonus-Diskussionen stellen musste.
Gleichzeitig ist er ein charismatischer Chef, dessen Engagement für Gleichberechtigung und Chancengleichheit echt und persönlich motiviert wirkt.
Dennoch birgt eine Wahl Horta-Osórios für die CS auch Risiken. Seine Karriere machte er in Portugal, New York, Brasilien und in London – doch von der Schweiz und den Eigenheiten des hiesigen Finanzplatzes dürfte er wenig Ahnung haben.
Wie funktioniert er im Zusammenspiel mit dem CEO?
Als CS-Präsident wird er – theoretisch – Teil eines engmaschigen, traditionellen und einflussreichen Netzwerkes. Dass dieses Netzwerk ausländische Exponenten im Swiss Banking nicht nur willkommen heisst, zeigte sich am Scheitern Tidjane Thiams, dem Vorgänger des jetzigen CS-CEO Thomas Gottstein.
Im Zusammenspiel zwischen CEO Gottstein und einem Präsidenten liegt ein weiteres Risiko. Wie gut sich Horta-Osório aus operativen Belangen bei der CS raushalten und gleichzeitig eine Agenda der beschleunigten Technologisierung vorantreiben kann, muss sich zeigen. Haben sich im Umfeld der CS viele einen Rohner-Nachfolger gewünscht, der in der Bank seinen Einfluss stärker spüren lässt, könnte sich Horta-Osório als CS-Präsident erweisen, der diesen Wunsch sicherlich erfüllen kann.