Der Chef der britischen Bank Lloyds fand fünf Tage lang keinen Schlaf mehr, bevor er zugab: Ich habe ein Problem. Nun will er seine Kader vor dieser schlimmen Erfahrung bewahren.
Antonio Horta-Osorio hat in seiner Karriere schon einige Höhen und Tiefen erlebt. So konnte sich der Chef der britischen Lloyds Bank im vergangenen Mai damit brüsten, die letzten Aktien des vom Staat geretteten Geldhauses zurückgekauft zu haben – mit einem Gewinn für die Steuerzahler.
Schelte musste der gebürtige Portugiese hingegen wegen seines exorbitanten Salärs oder einer ausserehelichen Affäre über sich ergehen lassen. Persönlich ganz tief unten angelangt war er aber im Jahr 2011: Der als Turnaround-Manager bei der Lloyds Bank angetretene Horta-Osorio musste damals überraschend eine Pause einlegen.
Die Begründung: Burnout.
In der Nacht kreisen die Gedanken
In einem grossen Interview mit dem britischen Traditionsblatt «Times» (Artikel bezahlpflichtig) hat der Lloyds-Banker nun das Trauma nochmals aufleben lassen. Begonnen, berichtete Horta-Osorio, habe es mit Schlafmangel. In der Nacht kreisten seine Gedanken um die Probleme der Bank. «Man geht hundemüde zur Arbeit und weiss dann schon, dass man in der kommenden Nacht ebenfalls keinen Schlaf finden wird», so Horta-Osorio.
Ein Teufelskreis, der auch mit Ferien nicht zu durchbrechen war: Er habe sich schuldig gefühlt für seine Abwesenheit, erinnerte sich der Banker, und habe dann die Zeit mit der Familie gar nicht geniessen können.
Neun Tage Schlafkur
Doch mit jemandem darüber sprechen wollte Horta-Osorio auch nicht: Seit dem Alter von 29 Jahren im Topmanagement, hat er die Rolle eines Chefs stets als einsam verstanden. Die Schlaflosigkeit wurde schlimmer.
Er hatte fünf Tage am Stück lang nicht mehr geschlafen und stand kurz vor dem Zusammenbruch, als er in die Priory-Klinik eingeliefert wurde, die sich als Rehab-Zentrum der Stars in Grossbritannien einen Namen gemacht hat. Dort musste er unter Einnahme von Tabletten 16 Stunden pro Tag schlafen. Neun Tage lang.
Keine Mails zwischen 19 und 7 Uhr
Mit Hilfe des Psychiaters Stephen Pereira fand der Lloyds-Chef in den Beruf zurück, und stellte sich unter ein neues Regime. Er geht spätestens um 22.30 Uhr ins Bett, und liest zwischen 19 Uhr und 7 Uhr keine Mails. Er achtet beim Essen auf Proteine. Er ist geduldiger geworden, mit sich und anderen. «Das macht mich zu einem besseren Chef», ist er sich sicher.
Fest steht, dass er zu seinen eigenen Bankern besser schauen will. Mit Psychiater Pereira entwickelte er ein Programm, das er bankintern 200 Kadern zugänglich machen will. Dort lernen die Manager sich richtig zu ernähren und ihre Resilienz gegen Burnouts zu stärken.
Solche Programme liegen weltweit im Trend, fristen allerdings in der Schweiz ein Schattendasein, wie jüngst auch finews.ch berichtete.
Eisbrecher Pierin Vincenz
Dies, obwohl das rigorose Schweizer Leistungsethos Burnout-Zustände befördert, nicht zuletzt im Swiss Banking. Insbesondere bei den Grossbanken UBS und Credit Suisse
gibt es immer wieder Erschöpfungsopfer.
Für hochgezogene Augenbrauen sorgen hingegen Banker, die eine Auszeit von der täglichen Tretmühle nehmen. So Pierin Vincenz, der sich 2013 damals noch als CEO der Raiffeisen Gruppe ein zweimonatiges Sabbatical gönnte. Dies übrigens nach Plan: Bei Raiffeisen muss jeder Topbanker nach 13 Dienstjahren ein Sabbatical einziehen.
Solche Massnahmen herablassend als «Warmduscher-Programm» aufzufassen, könnte sich indes rächen. Das weiss einer wie Horta-Osorio. «Ich dachte, ich wäre Supermann», blickte er zurück. Die Erfahrung habe ihm gezeigt: Er sei kein Supermann.