In den USA untersucht ein Arbeitsgericht einen weiteren mutmasslichen Spionagefall innerhalb der Credit Suisse. Die Grossbank behält dabei ein Video zurück, das Licht in den Fall bringen soll.
Die Credit Suisse (CS) hat die Vorwürfe ihrer früheren Compliance-Chefin in den USA, Colleen Graham, zwar als «belanglos» zurückgewiesen. Doch ein amerikanisches Arbeitsgericht will in dem mutmasslichen Spionagefall tiefer bohren, wie aus einen Artikel der Nachrichtenagentur «Bloomberg» (Artikel bezahlpflichtig) hervorgeht.
Die Richterin hat die CS aufgefordert, ein besonderes Video auszuhändigen, in dem eine von der Grossbank selber entwickelte Überwachungssoftware namens «Trader Holistic Surveillance (THS)» Investoren vorgestellt worden ist. Die CS aber mauert in dem Fall: Das Video bleibe unter Verschluss, da es Berufsgeheimnisse beinhalte. Die Grossbank hatte das Video aber an einer Konferenz für Investoren und Analysten im Jahr 2018 gezeigt.
Streit um Buchhaltung
Den Fall hat Graham zur Untersuchung gebracht, nachdem sie im Sommer 2017 während drei Tagen von einer unbekannten Frau verfolgt und bespitzelt worden sei. Der mutmassliche Grund: Graham hatte die CS wegen eines Streits um die Buchhaltung in einem Tochterunternehmen verlassen. Bei dem Unternehmen handelte es sich um Signac, einem Joint-Venture zwischen der CS und für seine Verbindungen zu US-Spionagekreisen berüchtigten Palantir-Konzern; dieser ist vergangene Woche mit einer Bewertung von 15 Milliarden Dollar an die Börse gegangen.
Graham war Signac-Chefin und mit einem Anteil von 3 Prozent auch am Joint-Venture beteiligt gewesen. Nachdem Buchhaltungskonflikt, bei dem das Ergebnis von Signac sich auch auf die Gewinnzahlen der CS und von Palantir ausgewirkt hätte, stellte die CS das Joint-Venture in aller Stille ein.
CS: Keine Grundlage
Graham hatte sich nach der mutmasslichen Bespitzelung direkt an CS-Chef Tidjane Thiam, Präsident Urs Rohner sowie an Verwaltungsrat John Tiner gewandt. In einem weiteren Schritt meldete sie sich gar bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma). Die Bankführung liess den Fall abklären und gelangte zum Schluss, dass die Anschuldigungen der Ex-Angestellten jeglicher Grundlage entbehrten.
Der Fall gelangte Ende vergangenen Jahres dennoch an die Öffentlichkeit, als die CS-Führung wegen der Bespitzelung ihrer Ex-Topmanager Iqbal Khan und Peter Goerke unter Beschuss stand. Im Februar 2020 musste dann CEO Thiam den Hut nehmen.
Graham will am THS-Verkauf teilhaben
Das ominöse Video, welche die CS zurückhalten will, könnte für Grahams Absichten wichtig sein. «Signacs künftiger Unternehmenswert in der Höhe von mehreren Milliarden Dollar basierte praktisch allein auf der entwickelten THS-Software», schrieb Graham in einem Statement. THS wird nun offenbar von Palantir vermarktet – Graham fordert einen Anteil von 3 Prozent an THS.
Die US-Richterin will im kommenden März mit Anhörungen in diesem Fall fortfahren, was ein Erfolg für Graham ist, deren Verfahren gegen CS und Palantir bislang nicht zum Ziel geführt hatten. Das jetzige Verfahren richtet sich gegen die CS wegen unrechtmässiger Vergeltung im Zusammenhang mit Buchhaltungsregeln.
Die Bank hielt in einem Statement fest, Grahams Vorwürfe würden jeglicher Grundlage entbehren. Verschiedene Gerichte hätten diese bereits mehrfach in ihrer Gesamtheit abgewiesen. Im aktuellen Fall seien die Forderungen von Graham durch die zuständige Richterin erheblich reduziert worden.