Beim Ausbruch der Coronakrise waren die Risikoausschläge in den Handelsabteilungen der Grossbanken Credit Suisse und UBS ausserhalb der Norm. Eigentlich hätten sie mehr Kapital halten müssen. finews.ch erklärt, weshalb sie das nicht taten. 

Bei der Credit Suisse (CS) ist der Ertrag aus dem Handelsgeschäft im ersten Quartal um ein Viertel angestiegen – doch diesen Erfolg gab es nicht gratis. Die potenziellen Verluste innerhalb eines Handelstags, falls die Märkte verrückt spielen sollten – gemessen in Value-at-Risk oder VAR –, stiegen zwischen Ende 2019 und Ende März um 296 Prozent auf 103 Millionen Dollar, wie die Bank in ihrem Quartalsbericht schrieb.

Nicht nur die CS-Händler mussten im ersten Quartal mit hohen Risiken leben: Während sich die Corona-Pandemie von Asien aus in Europa, Grossbritannien und den USA ausbreitete, erreichten die täglichen Handelsrisiken an der Wall Street das höchste Niveau seit neun Jahren. Während die Krise den Banken also hohe Erträge in die Kassen spülte, hielt sie auch die Risikoverantwortlichen auf Trab. 

Häufung von Ausnahmen

Die beiden Schweizer Grossbanken müssen die Genauigkeit ihrer VAR-Berechnungen darlegen, indem sie diese täglich verifizieren. Falls die tatsächlichen Verluste zu oft höher ausfallen, als das Modell dies vorhergesagt hat, müssten die Institute für diese Risiken ihre Kapitalpuffer verstärken. Tatsächlich verzeichneten sowohl die UBS als auch die CS während der Turbulenzen im ersten Quartal eine Häufung solcher sogenannter Ausnahmen. 

Bei der UBS, wo der Handelsertrag bei viel höherem Umsatz und grosser Volatilität um 44 Prozent angestiegen ist, gab es drei Tage, an welchen der Verlust das theoretische Maximum des Modells überstieg: «Diese beruhten auf den beispiellosen Preisbewegungen in verschiedenen Anlageklassen», sagte die Bank dazu. Vor allem bei den Währungen, bei festverzinslichen Anlagen und bei Aktien war die Volatilität hoch. 

Nachsichtige Finma

Bei der CS waren es im Februar und im März gar sieben Ausnahmen – sie hätten eigentlich ausgereicht, um höhere Kapitalerfordernisse auszulösen. Wobei die Ausreisser nicht der Fehler der Bank sind, sondern durch die enorme Volatilität ausgelöst wurden. 

Tatsächlich muss im Moment aber keine der Schweizer Grossbanken Konsequenzen befürchten, falls die Modelle unterdurchschnittlich zuverlässig sind. Im April hat die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) die Berechnungen für den Kapitalbedarf der Institute eingefroren und dabei den 1. Februar als Stichtag festgelegt – lange bevor die Pandemie in Europa für Marktverwerfungen sorgte. 

Grossbanken als Fusssoldaten

Das Moratorium gilt vorerst bis zum 1. Juli, könnte aber noch verlängert werden. Die Idee dahinter ist, so viel Kapital wie möglich für die derzeit wichtigste Aufgabe der Banken frei zu machen: Die UBS und die CS sind die Fusssoldaten im Kampf der Schweiz gegen eine Pleitewelle aufgrund der Massnahmen gegen die Pandemie, im Zuge dessen der Bund Darlehen von insgesamt 40 Milliarden Franken für KMU garantiert. Auch bei den Cash-Beständen der Banken hat die Finma die Kapitalanforderungen gelockert – alles mit dem Ziel, so schnell wie möglich so viel Geld wie möglich zu den Unternehmen zu bringen, die es brauchen.

Für die UBS hätte die VAR-Massnahme der Aufsicht ohnehin wenig bewirkt: Die drei Ausreisser im ersten Quartal folgten auf 250 Tage ohne einen einzigen derartigen Fall. Die CS hätte aufgrund der höheren Risiken allerdings mehr Kapital bereitstellen müssen. «Wir überprüfen unser VAR-Modell regelmässig, um sicherzustellen, dass es angesichts veränderlicher Marktbedingungen und der Zusammensetzung unseres Handelsportfolios angemessen ist», schrieb die Bank im Quartalsbericht. 

Angestaute Fehler

Trotz der geringen Handelsversluste im ersten Quartal haben sich die Verwerfungen auch auf die UBS ausgewirkt. Die risikogewichteten Aktiven in der Investmentbank stiegen um mehr als ein Viertel auf 103 Milliarden Dollar. Die Bank erwartet, dass diese Kennzahl hoch bleiben wird, da Firmen zusätzliche Kreditlinien abrufen werden und die Volatilität der Märkte sich weiterhin auf die VAR auswirken wird. 

Gleichzeitig brachten das hohe Handelsvolumen und die Volatilität die Systeme der grössten Schweizer Bank an ihre Grenzen, wodurch mehr Fehler passierten. «Nachdem bei den Transaktionsvolumen keine Spitzenwerte mehr verzeichnet werden, verschiebt sich unser Fokus auf das Klären der angestauten Fehler und Brüche», sagte die Bank. 

Aufgrund der ohnehin strengeren Kapitalvorschriften sind die Schweizer Grossbanken trotz der hohen Werte noch weit entfernt von ihren übermächtigen Konkurrenten in den USA. Als Gruppe lagen die VAR-Werte der fünf grüssten US-Investmentbanken auf dem höchsten Niveau in beinahe drei Jahren, wie die «Financial Times» ausgerechnet hat. Die Werte der einzelnen Banken lassen sich allerdings nicht eins zu eins vergleichen, da sie leicht verschiedene Methoden anwenden. Dies gilt auch für UBS und Credit Suisse, welche unter verschiedenen Buchhaltungs-Regeln berichten.