Die Börsenpläne der Credit Suisse für die Schweizer Einheit sind nicht mehr in Stein gemeisselt. Die Transaktion steht zunehmend schief in der Landschaft, findet finews.ch – und zeigt auf, warum sie nicht stattfindet.
Seit gestern Dienstag ist der partielle Börsengang der Credit Suisse (Schweiz) nur noch eine Option unter vielen. Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiam, der den Teilverkauf an der Börse im Herbst 2015 als Pfeiler seiner «Strategianpassung» präsentiert hatte, sagte vor Analysten: Die Bank prüfe eine breite Palette von Optionen, um zu ermitteln, ob es Wege gebe, für die Aktionäre ein attraktiveres Ergebnis zu erreichen.
Für Leitmedien der Finanzindustrie war da klar, was es geschlagen hatte. «Credit Suisse stellt geplanten Börsengang auf den Prüfstand», titelte die Agentur «Reuters». Die britische Zeitung «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) urteilte gar, der CS-CEO ziehe die Börsenpläne in Zweifel.
Wachstum ist «in»
finews.ch geht einen Schritt weiter – und hat triftige Gründe gefunden, warum die CS den Börsengang beerdigen wird. Dies, obschon die Grossbank weiterhin festhält, die Vorbereitungen für eine Transaktion in der zweiten Jahreshälfte 2017 seien «auf gutem Kurs».
Doch das reicht womöglich nicht aus, um die Transaktion durchzuziehen. Wie Recherchen im Umfeld von institutionellen Investoren ergeben haben, läuft dem Börsengang-Team um CS-Schweiz-Chef Thomas Gottstein die Zeit davon. Das Problem: Die «Börsenmode» geht in eine ganz andere Richtung, als sie im Herbst 2015 noch vorherrschte.
Zur Erinnerung: Vor gut einem Jahr steckten illustre Häuser wie die CS und Deutsche Bank in den allergrössten Schwierigkeiten. Damals erschien die Aussicht auf eine grundsolide Bank wie die CS (Schweiz) in den Augen von Anlegern durchaus verlockend.
Heute ist jedoch etwas ganz anderes «in». Seit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten gilt das Banking plötzlich wieder als Wachstumsstory. Branchenwerte wie Goldman Sachs oder J.P. Morgan verzeichnen phänomenale Kursgewinne.
Kritische Investoren
Das hat direkte Konsequenzen für den geplanten Börsengang der Schweiz-Einheit, wie ein Investmentbanker berichtet. «Für Investoren mag es heute attraktiver erscheinen, bei der CS-Gruppe unter Buchwert einzusteigen und auf eine deutliche Wertsteigerung zu spekulieren, als teuer eine Schweiz-Einheit zu kaufen, die sich an der Börse kaum bewegt», sagt er.
Tatsächlich: Das Schweizer Geschäft der CS mag zwar am meisten Geld für den Konzern verdienen, wie sich 2016 wieder zeigte. Doch eine Wachstumsstory ist die Swiss Universal Bank (SUB) nicht. Gerade einmal um 1 Prozent stiegen die Erträge dort im letzten Jahr; ebenfalls nur leicht zugenommen haben die verwalteten Vermögen.
Und wie zufällig häufen sich die Wortmeldungen von Investoren, die den Börsengang der Schweiz-Einheit kritisch betrachten. So meldete sich vor wenigen Tagen Harris Associates, einer der grössten Aktionäre der CS, bei der Agentur «Bloomberg». Die schlimmsten Risiken habe die Bank wohl hinter sich gebracht, sagte Harris-Investmentchef David Herro. Und stellte fest: Aus Kapitalisierungsgründen müsste die CS den Börsengang möglicherweise nicht unternehmen.
Kapitalerhöhung als Alternative
Mindestens für so viel Aufsehen sorgte der Kommentar eines UBS-Analysten, der ebenfalls die Notwendigkeit einer Publikumsöffnung der Schweizer Einheit anzweifelte. Eine weitere Kapitalerhöhung auf Gruppen-Ebene, so der Experte, sei eine valable Alternative zu einem teuren und komplizierten Börsengang.
Konkurrenten machen dies gerade vor: Bei der Deutschen Bank haben sich die Gerüchte um eine Kapitalerhöhung in den letzten Wochen verdichtet.
Als Zeichen der relativen Gleichgültigkeit gegenüber der weiteren Strategie der CS wertet finews.ch auch den am Dienstag angekündigte Austritt von Jassim Bin Hamad J.J. Al Thani aus dem Verwaltungsrat des Bankkonzerns. Seit 2010 sass der 34-Jährige als der Vertreter des katarischen Staatsfonds QIA im Gremium und gestaltete die Strategie der CS mit.
Nun, da diese mit dem Börsengang der Schweiz-Einheit das Grossereignis des Jahres am Schweizer Finanzplatz anbahnt, erscheint den Kataris eine Beobachtung aus nächster Nähe plötzlich nicht mehr so wichtig.
Dies in einer Phase, in der auch der Verwaltungsrat der CS das Vorhaben offenbar nochmals prüft, wie Kenner der Bank gegenüber finews.ch berichteten. Das Institut hielt am Dienstag fest: Der Börsengang finde vorbehältlich der Zustimmung des Aufsichtsgremiums statt.
Die Krux mit dem Kontrollverlust
Stoff zum Nachdenken liefert der Börsengang den CS-Verwaltungsräten allemal. So verliert die Gruppe über die künftigen Dividenden der CS (Schweiz) wichtige Einnahmen. Es stellen sich organisatorische Knacknüsse wie der Aufbau eines eigenen Schweizer Handels, das erschwerte Funding über die Rechtseinheiten hinweg oder der Umbau der IT.
Ganz zu schweigen von Kontrollverlust. Das Mutterhaus hat sich zwar seinen Einfluss im Verwaltungsrat der CS (Schweiz) gesichert. Von den sieben Verwaltungsräten stehen dort fünf auch in Diensten des Konzerns.
Doch genau das stösst wiederum potenziellen Anlegern sauer auf, welche die Unabhängigkeit der Tochter gefährdet sehen. «Mindestens drei Mitglieder des Verwaltungsrats dürfen keinerlei CS-Affinität haben – und sollten keine Schweizer sein» fasst ein Kenner die Bedenken unter Profiinvestoren zusammen.
Am Übergewicht des Mutterhauses stört sich auch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma), wie das Wirtschaftsmagazin «Bilanz» kürzlich berichtete – und fordert eine Erweiterung des Gremiums.
Fataler Verzicht?
Dies alles sind gute Gründe für den CS-Verwaltungsrat, sich den geplanten Börsengang zweimal zu überlegen. Indes, auch ein Rückzieher hätte seinen Preis: Nach der Anpassung von diversen Ertrags- und Kostenzielen bliebe ohne den Börsengang in der Schweiz nicht mehr viel von CEO Thiams ursprünglicher Strategie übrig.
Zudem könnte es sich noch als fatal erweisen, freiwillig auf die bereits «aufgegleisten» 4 bis 5 Milliarden Franken Kapital zu verzichten, welche der Teilverkauf der Schweiz-Einheit dem Konzern in die Kassen spülen soll.
Die letzten Jahre haben es gezeigt: Krisen brechen schneller über das Banking herein, als man es für möglich gehalten hätte. Dann ziehen jene Häuser am meisten Kunden und Investoren an, die über das dickste Kapitalpolster verfügen.