Tidjane Thiam hat der Credit Suisse in seinem ersten vollen Jahr als CEO seine Marke aufgedrückt. Die Strategie beginnt zu greifen, lautet seine Botschaft. Doch bleibt die Grossbank eine riesige Baustelle.
1. Sparen – die neue Paradedisziplin der Credit Suisse
Es ist einer der wenigen Bereiche, wo die Credit Suisse im tiefroten Jahr 2016 die eigenen Ziele übertreffen konnte: Hatte die Grossbank bis Ende 2016 ihre Ausgaben um 1,4 Milliarden Franken vermindern wollen, konnte sich sich nun gar um 1,9 Milliarden Franken leichter machen. Damit ist das Institut dem Ziel, die Kostenbasis bis 2018 unter 17 Milliarden Franken zu drücken, ein gutes Stück näher gerückt.
Dieser Erfolg scheint indes auf die Strategie abzufärben. Anlässlich des Investorentages vom letzten Dezember buchstabierte CS-CEO Tidjane Thiam bei diversen Ertragszielen zurück. Hingegen versprach er damals, noch 1 Milliarde Franken mehr einzusparen. Die Zuwendung zu den Kosten wurde damals vom Markt beklatscht – und die CS hatte im Sparen eine neue Paradedisziplin gefunden.
Doch mit Sparen allein ist es nicht getan, das zeigte sich letztens auch beim verhaltenen Ergebnis der Erzrivalin UBS. Um die Zukunft einer Bank zu sichern, müssen langfristig neue Ertragsquellen erschlossen werden.
2. Der Personalabbau manifestiert sich
Die CS rapportiert Quartal für Quartal den Abbau von Tausenden von Stellen – allein in den effektiven Angaben zur Anzahl Angestellter zeigte sich dieser Abbau bislang nicht. Ein möglicher Grund: Die CS entlässt insbesondere externe Berater und temporäre Angestellte. Im vergangenen Jahr waren es gemäss Personalstatistik und Angaben 6'210 solcher «Contractors».
Bei ihren Vollzeitangestellten kürzte die CS im vergangenen Jahr 1'040 Stellen. Der Personalbestand per Ende Jahr belief sich auf 47'170 Angestellte. Dazu kommen wohl an die 15'000 Mitarbeiter ohne festes Anstellungsverhältnis. In früheren Jahren waren es jeweils weit über 20'000 gewesen.
3. SUB – Tafelsilber ohne grosse Strahlkraft
Das Schweizer Geschäft hat sich 2016 einmal mehr als Stütze der CS-Gruppe erweisen. Gegenüber dem Vorjahr steigerte die Division Swiss Universal Bank (SUB) ihren Vorsteuergewinn um satte 21 Prozent auf gut 2 Milliarden Franken. Damit verdiente die SUB von allen CS-Sparten mit Abstand das meiste Geld.
So weit, so gut. Doch ein Blick auf die Ertragsentwicklung zeigt, dass die Sparte im letzten Jahr kaum gewachsen ist – gerade einmal auf 1 Prozent brachte es die Nummer zwei im Schweizer Heimmarkt. Nur leicht zugenommen haben auch die von der SUB verwalteten Vermögen; die Sparte sah sich konfrontiert mit Mittelabflüssen von externen Vermögensverwaltern und Kunden, die ihre Gelder in der Schweiz «regularisierten».
Glänzen konnte die Schweizer Division vorab auf der Kostenseite. Die wichtige Kosten-Ertrags-Quote (CIR) verbesserte sich deutlich von 68,3 auf 63,5 Prozent, während die Sparte Ausgaben und Personal wegstrich. Allerdings: Im Herbst soll das Schweiz-Geschäft zu Teilen an die Börse gebracht werden. Und es fragt sich, ob die Anleger dannzumal mehr möchten als «nur» eine grundsolide Schweizer Bank.
4. IPO der Schweiz-Einheit: nur eine Option unter vielen
Keine Frage: Der geplante Börsengang (IPO) der Credit Suisse (Schweiz) ist das Grossereignis am Schweizer Bankenplatz im Jahr 2017. Entsprechend bewegt der Verkauf von Teilen der Bank an die Börse die Gemüter – wobei letztens auch unter Analysten Zweifel aufkamen, ob die ganze Übung überhaupt nötig sei.
Anlässlich der Jahresbilanzkonferenz vom Dienstag bestätigte die Grossbank zwar den Fahrplan mit dem IPO im zweiten Halbjahr 2017. Noch im gleichen Satz baute das Institut allerdings zwei Vorbedingungen dazu ein: nämlich entsprechende Marktbedingungen und die Zustimmung des Verwaltungsrates.
Gegenüber Analysten relativierte CS-CEO Thiam am Dienstag dann noch weiter. Die Kapitalbasis präsentiere sich heute wesentlich komfortabler als im Herbst 2015, als er den Plan zum Börsengang der Schweiz-Einheit erstmals formulierte. Die Bank halte zwar an der Option des IPO weiter fest – gleichzeitig analysiere man laufend weitere Möglichkeiten, so Thiam.
Ein Vorhaben ohne Wenn und Aber ist der Börsengang der Credit Suisse (Schweiz) definitiv nicht mehr.
5. Asien-Pazifik: Investmentbank bremst die Entwicklung
Die Region Asien-Pazifik kommt ihrer Funktion als Wachstumspfeiler in der Strategie von CS-CEO Thiam bislang nur bedingt nach. Im Jahr 2015 drückte ein Goodwill-Abschreiber auf den Vorsteuergewinn, im vergangenen Jahr war es das Investmentbanking, das ganze 400 Millionen Franken weniger an Erträgen erwirtschaftete.
Weil gleichzeitig Löhne und Boni anstiegen, war der Vorsteuergewinn von 725 Millionen Franken in der Division eher enttäuschend. Das Wealth Management wuchs hingegen. Die Erträge stiegen dank einer weiteren Erhöhung der Kreditvergabe, die Nettoneugelder wuchsen insgesamt um 10 Prozent.
6. Global Markets – ein einziges Fragezeichen
Thiam gab sich bei der Präsentation der Zahlen in der Investmentbank alle Mühe, die Performance des Sorgenkindes Global Markets, also der Handelsdivision, schön zu reden. Brian Chin hatte den Bereich im September von Tim O' Hara übernommen. Er habe die Straffung in der Division praktisch vollendet, so Thiam.
Ausserdem seien im vierten Quartal dank besserem Kredithandelsgeschäft die Erträge um 8 Prozent gestiegen. Das Ergebnis ist ernüchternd: Global Markets erzielte in drei Monaten einen Vorsteuergewinn von gerade mal 5 Millionen Franken. Die CIR beläuft sich auf 99,9 Prozent. Das zeigt: Löhne und Boni der Investmentbanker sind immer noch formidabel, trotz Straffung.
7. Die «Bad Bank» ist ein schwerer Klotz am Bein
Vom früheren CS-CEO Brady Dougan als «Non Strategic Unit» eingerichtet und unter seinem Nachfolger Thiam in «Strategic Resolution Unit» umgenannt, ist dieser Teil der Bank nichts weniger als der Trümmerhaufen vergangener High-Risk-Banking-Hoffnungen.
In den vergangenen drei Jahren häufte diese Einheit rund 11,7 Milliarden Franken Verluste an, 2016 waren es – inklusive der Rückstellungen für den RMBS-Fall – 5,5 Milliarden Franken. Es gibt Fortschritte: Die risikogewichteten Aktiven sanken im laufenden Jahr deutlich, auch der Leverage nahm ab. Doch wird die «Bad Bank» der CS noch jahrelang Verluste einbrocken.
8. Kaum «Gloom and Doom»
Die CS ist bei ihrem Ausblick auffällig optimistisch – auch die UBS blickt erstmals seit Jahren wieder etwas hoffnungsvoller in die Zukunft. Die Zuversicht der CS baut auf zwei Indikatoren: Gute Geschäfte im Januar, wo der Neugeldzufluss positiv war und insbesondere auch die Kundenaktivitäten im Investmentbanking anstiegen.
Zweitens ist die CS mit ihren Restrukturierungen bereits soweit fortgeschritten, dass sich bessere Marktbedingungen in deutlich profitableres Wachstum ummünzen lassen. Die vergangenen Jahre waren allerdings durch eine enorme Marktvolatilität geprägt gewesen. Prognosen für das ganze Jahr zu machen, ist praktisch unmöglich.